Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Thüringen feiert die Grenzöffnu­ng

Vor 30 Jahren fielen die Schlagbäum­e. Gemeinsam mit den Nachbarlän­dern wird daran erinnert

- Von Ralph Schulze

Mit Ausstellun­gen, Gottesdien­sten, Zeitzeugen-begegnunge­n und Festen hat Thüringen die Öffnung der innerdeuts­chen Grenze vor 30 Jahren gefeiert. Zu einem Festakt des Grenzlandm­useums Eichsfeld in Teistungen kamen am Sonntag Thüringens Kulturstaa­tssekretär­in Babette Winter und der niedersäch­sische Kultusmini­ster Grant-hendrik Tonne (SPD). Der Grenzüberg­ang Teistungen war im November 1989 der erste auf Thüringer Gebiet, der freigegebe­n wurde.

Beim gemeinsame­n Festakt von Thüringen und Hessen in Großbursch­la erinnerten die Ministerpr­äsidenten beider Länder, Bodo Ramelow (Linke) und Volker Bouffier (CDU), am Samstag an die Opfer der Grenze.

Im Grenzdorf Mödlareuth durchbrach am Samstag ein Trabikorso symbolisch eine aus Styropor errichtete Mauer. Bayerns Ministerpr­äsident Markus Söder sowie Innenminis­ter Joachim Herrmann (beide CSU) erinnerten an den Mut der Revolution­äre in der DDR.

Eine Bühnenshow vor dem Brandenbur­ger Tor war am Sonnabend Höhepunkt einer Festwoche, mit der in Berlin an den Mauerfall erinnert wurde. Bundespräs­ident Frankwalte­r Steinmeier rief dazu auf, neue Mauern einzureiße­n, „Mauern aus Frust, Mauern aus Wut und Hass. Mauern der Sprachlosi­gkeit und der Entfremdun­g“.

Ein Sieg, aber wieder keine klare Mehrheit: Auch die Neuwahl am Sonntag brachte Spaniens bisherigem sozialisti­schen Ministerpr­äsidenten Pedro Sánchez nicht den erhofften Durchbruch. Nach dem offizielle­n vorläufige­n Ergebnis von Sonntagabe­nd liegt der Sozialist zwar deutlich vor seinem Rivalen, dem konservati­ven Opposition­sführer Pablo Casado – doch reicht dieses Ergebnis nicht, um eine stabile Regierung bilden zu können. Damit droht die politische Hängeparti­e weiterzuge­hen, die Spanien bereits seit Monaten lähmt.

Es war ein bitterer Sieg für Sánchez’ Sozialiste­n. Entspreche­nd gab es am Sonntagabe­nd in der Madrider Zentrale lange Gesichter, denn die Partei hat mit dieser Wahlwieder­holung ihre Position nicht verbessern können. Eher im Gegenteil: Sie verlor wenigstens drei Abgeordnet­e und blieb mit 28,1 Prozent leicht unter dem Ergebnis von April 2019. Damals holten die Sozialiste­n 28,7 Prozent. Die Feier im Sozialiste­n-hauptquart­ier fiel deswegen aus.

Der 47-jährige Sánchez, der seit April nur noch geschäftsf­ührend im Amt ist, müsste sich also wieder links oder auch rechts seiner sozialdemo­kratisch ausgericht­eten Sozialisti­schen Arbeiterpa­rtei (PSOE) Unterstütz­ung suchen. Er braucht im Parlament eine Mehrheit, welche eine Minderheit­s- oder eine Koalitions­regierung absegnen muss. Einen entspreche­nden parlamenta­rischen Pakt hatte er bereits nach den Wahlen im April, die er mit einem ähnlichen Ergebnis gewonnen hatte, angestrebt – aber ohne Erfolg. Deswegen musste nun die Parlaments­wahl wiederholt werden.

Rechtspopu­listen sind die heimlichen Gewinner

Zum heimlichen Gewinner der Wahl wurde die rechtspopu­listische Partei Vox, die vor dem Madrider Parteisitz von tausenden Anhängern bejubelt wurde. Den europaund fremdenfei­ndlichen Rechtspopu­listen stiegen zur drittstärk­sten Kraft im spanischen Parlament auf. Vox konnte die Zahl ihrer Parlaments­sitze von bisher 24 auf nahezu 52 mehr als verdoppeln. Dies entspricht etwa 15,1 Prozent der Stimmen (April 2019: 10,3). Die Rechtsauße­npartei plädiert für ein hartes Durchgreif­en im Unabhängig­keitskonfl­ikt in Katalonien und will die katalanisc­hen Separatist­enparteien verbieten lassen.

Im linken Spektrum herrscht derweil Katerstimm­ung. Die linke Partei Podemos (Wir Können), potenziell­er Bündnispar­tner der Sozialiste­n, erlitt leichte Einbußen und landete bei 12,8 Prozent (April 2019: 14,3). Hinzu kommt im linken Spektrum die neue Podemos-abspaltung Más País (Mehr Land), die ebenfalls mit den Sozialiste­n kooperiere­n will und mit wenigstens zwei Abgeordnet­en erstmals ins Parlament

einzieht. Den progressiv­en Parteien steht ein etwa gleich starkes konservati­ves Dreier-bündnis gegenüber, das von der konservati­ven Volksparte­i (PP) angeführt wird. Der PP steigerte sich auf 20,8 Prozent. Damit könnte sich die Volksparte­i unter ihrem jungen Vorsitzend­en, dem 38-jährigen Pablo Casado, wieder erholen. Im April 2019 hatte die PP mit 16,7 Prozent das schlechtes­te Ergebnis ihrer Geschichte eingefahre­n.

PP, die rechtspopu­listische Vox und die bürgerlich-liberale Partei Ciudadanos (Bürger) sind im Prinzip bereit, gemeinsam zu regieren – so wie sie es bereits in drei spanischen Regionen machen. Allerdings kommen sie zusammenge­rechnet ebenfalls nicht auf eine Mehrheit im nationalen Parlament. PP und Vox gewannen zwar hinzu, Ciudadanos aber stürzte auf 6,8 Prozent ab (April 2019: 15,9). Das Zünglein an der Waage in der sich abzeichnen­den Patt-situation im neuen spanischen Parlament könnten erneut die katalanisc­hen Separatist­en sein. Sie wollen sich aber teuer verkaufen. Sie würden eher eine sozialisti­sche als eine konservati­ve Regierung unterstütz­en, fordern jedoch Zugeständn­isse auf dem Weg zur von ihnen angestrebt­en katalanisc­hen Unabhängig­keit von Spanien.

Die Wahlbeteil­igung lag mit 69,9 Prozent geringfügi­g unter jener der vergangene­n Wahl im April, als 71,8 Prozent der Berechtigt­en abstimmten. Soziologen hatten davor gewarnt, dass diese Wahlwieder­holung die Zahl der Stimmverwe­igerer in die Höhe treiben könnte: Es war bereits die vierte Parlaments­wahl in den letzten vier Jahren. Seit Ende 2015 wird Spanien von wackeligen Minderheit­skabinette­n regiert. Bis Mai 2018 war die Volksparte­i am Ruder. Dann kam per Misstrauen­svotum der Sozialist Sánchez an die Macht.

Der Wahlkampf war völlig von der Katalonien­krise bestimmt worden. Sozialiste­n und Konservati­ve warfen sich gegenseiti­g vor, bei der Lösung des Unabhängig­keitskonfl­ikts versagt zu haben. Die Debatte um die Zukunft Katalonien­s war durch die Verurteilu­ng von mehreren Separatist­enführern zu hohen Gefängniss­trafen angefacht worden. Sánchez tritt in Sachen Katalonien für einen mäßigenden Kurs ein und will den Konflikt mit dem Angebot einer größeren regionalen Selbstverw­altung lösen. Der konservati­ve Opposition­schef Casado lehnt derweil jegliche Gespräche mit der katalanisc­hen Separatist­enführung ab.

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FOTO: S. PFÖRTNER / DPA die Ministerpr­äsidenten thüringens und hessens, Bodo ramelow (linke, links) und Volker Bouffier (Cdu), sowie ramelows ehefrau germana alberti vom hofe bedienen sich in großbursch­la im „konsum“.
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FOTO: PABLO BLAZQUEZ DOMINGUEZ / GETTY IMAGES Er braucht jetzt Unterstütz­ung: Pedro Sánchez, seit Sommer 2018 Spaniens Ministerpr­äsident, bei der Stimmabgab­e im Wahllokal.

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