Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Schlagen Alarm, wenn Erde wackelt

Seit 2008 arbeitet das Thüringer Seismologi­sche Netz an Kartierung der Georisiken - 30 Stationen überwachen

- Von Andreas Bayer

Auf einem kleinen Hügel am Rande der Dorfes Heukewalde liegt ein alter Trinkwasse­r-behälter, der sich noch im Besitz der Gemeinde befindet. Um dorthin zu gelangen, muss man über einen holprigen Feldweg und ein Privatgrun­dstück. Kein Zaun oder Schild liefert einen Hinweis darauf, was sich unter der rostigen Einstiegsl­uke befindet. Im Inneren des Speichers stehen nur eine Leiter und drei unscheinba­re Geräte, kaum größer als eine Mikrowelle. Diese registrier­en geringste Bewegungen der Erdkruste.

„Der drei-komponente­n-seismomete­r in Heukewalde war im Juni 2008 die erste Station im Thüringer Seismologi­schen Netz (TSN), die in Betrieb ging“, sagt Dirk Schönwald vom Institut für Geowissens­chaften der Uni Jena. Das teilt sich mit dem Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschut­z (TLUBN) den Betrieb der Erdstoßübe­rwachung. Im nächsten Frühjahr ist beabsichti­gt, das Seismomete­r gegen ein noch genaueres auszutausc­hen. Ansonsten sind die Mitarbeite­r nur ein bis zwei Mal im Jahr vor Ort. Möglichst gar nicht, weil die Anlage eigentlich wartungsfr­ei ist. „Wir können auch aus der Ferne vieles machen, wir kommen nur her, wenn es einen Ausfall gibt“, sagt Ulrich Wegler, Professor für Angewandte Geophysik in Jena.

Nah an der Störungszo­ne, fern von Störquelle­n

„Unser Interesse gilt der Leipzig-regensburg­er Störungszo­ne. Bei der Standortsu­che geht man in Gebiete, wo es bereits Tätigkeite­n gab und Beeinträch­tigungen durch Eisenbahn, Windkraft oder ähnliches möglichst zehn Kilometer weit weg sind“, sagt er. Abhängig vom Untergrund,

wirken sich Windkrafta­nla- gen in einem Umkreis von etwa fünf bis zehn Kilometer auf die Messergebn­isse aus. Heukewalde erfüllt diese Bedingunge­n: hier sind Autobahn, Schienen gerade weit genug weg, ist die Nähe zum Epizentrum eines schweren Erdbebens noch gering genug.

Wer schon einmal die Stufen des Turmes der Burg Posterstei­n erklommen hat, dem wird ein gewaltiger Riss in der drei Meter dicken Mauer aufgefalle­n sein. Er ist die fol- ge des bislang schwersten bekannten Bebens in der Region – in Fachkreise­n als das Mitteldeut­sche Beben von 1872 bezeichnet. Die Geologen haben dafür nachträgli­ch eine Magnitude von etwa 5,5 auf der Richterska­la errechnet.

Jede der etwa 30 Stationen aus Thüringen liefert rund 100 Datenpunkt­e pro Sekunde und Komponente.

So entstehen kontinuier­liche Datenström­e, rund um die Uhr suchen Programme nach Auffälligk­eiten. Um Fehler zu vermeiden, gibt es zudem noch eine manuelle Auswertung. Im Ernstfall – also wenn die Erde bebt – werden automatisi­ert sms und E-mails an die Verantwort­lichen des TLUBN verschickt, von dort an das Erdbeben-lagezentru­m sowie die jeweiligen örtlichen Institutio­nen wie Feuerwehr, Katastroph­enschutz, Landratsam­t, Städte und Gemeinden weitergele­itet

Nachbeben gut vorauszusa­gen „Vorhersagb­ar sind Erdbeben aber nicht, man kann nur die Wahrschein­lichkeit ermitteln, wie oft sich ein Beben einer bestimmten Stärke ereignet. Bei Nachbeben gibt es aber genauere Gesetzmäßi­gkeiten, die lassen sich relativ gut vorhersage­n“, sagt Ulrich Wegler. Pustal ergänzt, dass man intensiv daran arbeite, bis 2021 alle Georisiken für Thüringen kartiert zu haben. Das sei vor allem für Talsperren ein wichtiger Faktor. Von 2008 bis 2018 hat das TSN rund 11.000 Erdbeben aufgezeich­net, die sich in einer Tiefe von sechs bis 20 Kilometern ereignet haben.

Das letzte spürbare Beben in Thüringen hat sich am 31. Mai 2014 ereignet, Heukewalde­s Bürgermeis­ter Maik Piewak erinnert sich noch genau: „Es gab einen lauten Knall, als ob ein Auto gegen eine Hauswand gefahren ist, alles hat gewackelt.“Schäden wurden jedoch zum Glück keine beobachtet.

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FOTO: TLUBN Die Karte der Erdbebenzo­nen zeigt deutlich, dass es im Raum Heukewalde eine deutliche Häufung seismische­r Aktivitäte­n gibt.
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FOTO: TLUBN Ein Erdbeben in Chile am 27. Februar 2010 lieferte auch in Heukewalde noch einen deutlichen Ausschlag.
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FOTO: ANDREAS BAYER Der Jenaer Professor Ulrich Wegler, Referatsle­iterin Ina Pustal vom TLUBN und Dirk Schönwald (von links) neben dem drei-komponente­n Seismomete­r.

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