Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Schlagen Alarm, wenn Erde wackelt
Seit 2008 arbeitet das Thüringer Seismologische Netz an Kartierung der Georisiken - 30 Stationen überwachen
Auf einem kleinen Hügel am Rande der Dorfes Heukewalde liegt ein alter Trinkwasser-behälter, der sich noch im Besitz der Gemeinde befindet. Um dorthin zu gelangen, muss man über einen holprigen Feldweg und ein Privatgrundstück. Kein Zaun oder Schild liefert einen Hinweis darauf, was sich unter der rostigen Einstiegsluke befindet. Im Inneren des Speichers stehen nur eine Leiter und drei unscheinbare Geräte, kaum größer als eine Mikrowelle. Diese registrieren geringste Bewegungen der Erdkruste.
„Der drei-komponenten-seismometer in Heukewalde war im Juni 2008 die erste Station im Thüringer Seismologischen Netz (TSN), die in Betrieb ging“, sagt Dirk Schönwald vom Institut für Geowissenschaften der Uni Jena. Das teilt sich mit dem Thüringer Landesamt für Umwelt, Bergbau und Naturschutz (TLUBN) den Betrieb der Erdstoßüberwachung. Im nächsten Frühjahr ist beabsichtigt, das Seismometer gegen ein noch genaueres auszutauschen. Ansonsten sind die Mitarbeiter nur ein bis zwei Mal im Jahr vor Ort. Möglichst gar nicht, weil die Anlage eigentlich wartungsfrei ist. „Wir können auch aus der Ferne vieles machen, wir kommen nur her, wenn es einen Ausfall gibt“, sagt Ulrich Wegler, Professor für Angewandte Geophysik in Jena.
Nah an der Störungszone, fern von Störquellen
„Unser Interesse gilt der Leipzig-regensburger Störungszone. Bei der Standortsuche geht man in Gebiete, wo es bereits Tätigkeiten gab und Beeinträchtigungen durch Eisenbahn, Windkraft oder ähnliches möglichst zehn Kilometer weit weg sind“, sagt er. Abhängig vom Untergrund,
wirken sich Windkraftanla- gen in einem Umkreis von etwa fünf bis zehn Kilometer auf die Messergebnisse aus. Heukewalde erfüllt diese Bedingungen: hier sind Autobahn, Schienen gerade weit genug weg, ist die Nähe zum Epizentrum eines schweren Erdbebens noch gering genug.
Wer schon einmal die Stufen des Turmes der Burg Posterstein erklommen hat, dem wird ein gewaltiger Riss in der drei Meter dicken Mauer aufgefallen sein. Er ist die fol- ge des bislang schwersten bekannten Bebens in der Region – in Fachkreisen als das Mitteldeutsche Beben von 1872 bezeichnet. Die Geologen haben dafür nachträglich eine Magnitude von etwa 5,5 auf der Richterskala errechnet.
Jede der etwa 30 Stationen aus Thüringen liefert rund 100 Datenpunkte pro Sekunde und Komponente.
So entstehen kontinuierliche Datenströme, rund um die Uhr suchen Programme nach Auffälligkeiten. Um Fehler zu vermeiden, gibt es zudem noch eine manuelle Auswertung. Im Ernstfall – also wenn die Erde bebt – werden automatisiert sms und E-mails an die Verantwortlichen des TLUBN verschickt, von dort an das Erdbeben-lagezentrum sowie die jeweiligen örtlichen Institutionen wie Feuerwehr, Katastrophenschutz, Landratsamt, Städte und Gemeinden weitergeleitet
Nachbeben gut vorauszusagen „Vorhersagbar sind Erdbeben aber nicht, man kann nur die Wahrscheinlichkeit ermitteln, wie oft sich ein Beben einer bestimmten Stärke ereignet. Bei Nachbeben gibt es aber genauere Gesetzmäßigkeiten, die lassen sich relativ gut vorhersagen“, sagt Ulrich Wegler. Pustal ergänzt, dass man intensiv daran arbeite, bis 2021 alle Georisiken für Thüringen kartiert zu haben. Das sei vor allem für Talsperren ein wichtiger Faktor. Von 2008 bis 2018 hat das TSN rund 11.000 Erdbeben aufgezeichnet, die sich in einer Tiefe von sechs bis 20 Kilometern ereignet haben.
Das letzte spürbare Beben in Thüringen hat sich am 31. Mai 2014 ereignet, Heukewaldes Bürgermeister Maik Piewak erinnert sich noch genau: „Es gab einen lauten Knall, als ob ein Auto gegen eine Hauswand gefahren ist, alles hat gewackelt.“Schäden wurden jedoch zum Glück keine beobachtet.