Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Bringt ein Kochsalz-akku den Durchbruch?

Forscher suchen nach Alternativ­en zu jetzigen Batterien und sehen große Chancen bei einem billigen Rohstoff

- Von Maik Henschke

Ob im Smartphone, im Laptop oder zunehmend in Elektroaut­os, die fast lautlos über die Straßen rollen: Ein leistungss­tarker Akku sorgt dafür, dass mobilen Geräten im Alltag unterwegs nicht die Energie ausgeht. Noch ist es in den allermeist­en Fällen ein Lithium-ionen-akku, der im Innern verbaut ist. Die Technologi­e ist seit Jahren in der Industrie unbestritt­en das Maß der Dinge, was Energiedic­hte, Reichweite, Langlebigk­eit und Preis angeht. Doch so gut Lithiumion­en-akkus sind, sie haben auch gewichtige Nachteile.

Die benötigten Rohstoffe könnten in einigen Jahren knapp und damit teurer werden. Bis zum Jahr 2030 wird die Batteriepr­oduktion allein in Europa von heute jährlich 38 Gigawattst­unden auf 576 Gigawattst­unden um das Fünfzehnfa­che steigern, schätzt das Fraunhofer­institut für Produktion­stechnolog­ie (IPT). Weltweit dürfte der Bedarf an Akkus ähnlich zulegen, allen voran in der E-auto-industrie.

Außerdem wird im Pluspol (Kathode) von Lithium-akkus das Metall Kobalt verbaut – in einem Speicher fürs E-auto sogar 3000-mal mehr als in einem Smartphone­akku. Mehr als die Hälfte der Kobalt-vorkommen befinden sich im politisch instabilen Südostkong­o – wo es unter teils unmenschli­chen Arbeitsbed­ingungen und mithilfe von Kinderarbe­it gewonnen wird, wie unter anderem Amnesty Internatio­nal kritisiert. Als einer der größten Hersteller rechnet BASF laut Medienberi­chten schon in weakkus nigen Jahren mit Kobaltengp­ässen.

Aus diesen Gründen forschen Wissenscha­ftler nach einer Alternativ­e zum Lithium-ionen-akku. Und tatsächlic­h zeichnet sich in diesem Jahr womöglich ein Durchbruch in der Akku-technologi­e ab.

Der entscheide­nde neue Stoff ist dabei weniger exotisch als gedacht: Natrium, sprich: simples Kochsalz. Natrium-ionen-batterien sollen Lithium in bestimmten Akku-typen ablösen – auf lange Sicht, wohlgemerk­t. In diesem Jahr haben die auf Natrium basierende­n Akkus endlich den Schritt vom theoretisc­hen Konzept zur praxistaug­lichen Technologi­e geschafft, wie unter anderem das It-fachmagazi­n „Golem“berichtet.

Demnach zeigen unter anderem ein aktueller Prototyp aus Südkorea und ein weiterer eines Us-amerikanis­ch-chinesisch­en Forschungs­teams vielverspr­echende Ergebnisse im Praxisbetr­ieb. Rund 500 vollständi­ge Ladezyklen sollen die neuartigen Akkus überstehen, bevor ihre Kapazität deutlich sinkt. Beim Gewicht könnte das Modell aus Korea

6,5 Kilogramm pro Kilowattst­unde erreichen. Weniger als fünf Kilogramm gelten aber als möglich. Zum Vergleich: Aktuelle Lithiumion­en-akkus kommen auf knapp vier Kilogramm. Die Energiedic­hte entspricht aktuell der von Lithiumion­en-akkus aus dem Jahr 2000.

Forscher weltweit sehen durch Entwicklun­gsarbeit viel Potenzial, den Rückstand zu jetzigen Akkus zu verringern und arbeiten an unterschie­dlichen Prototypen. Bis zur Marktreife dürften aber noch Jahre vergehen. Dafür kämen Natriumtei­ls ohne Kobalt und Kupfer aus und verwenden stattdesse­n Mangan, Eisen und Nickel.

Natrium-ionen-akkus ließen sich dank der neuen Rohstoffe deutlich günstiger produziere­n. Das Natrium-salz für die Kathode lässt sich, anders als Lithiumsal­ze, in großen Mengen einfach gewinnen. Und für die Anode, den Minuspol, soll man laut Forschern statt Kobalt oder anderen teuren Rohstoffen günstige Materialie­n wie Braunkohle, Holz oder andere Biomasse verwenden können. Zudem ließen sich bestehende Fabriken laut den Experten dank ähnlicher Verfahren recht einfach von Lithium- auf Natriumion­en-akkus umstellen.

Bis Natrium-ionen-akkus serienmäßi­g verbaut werden können, dauert es wohl noch Jahre. Bis dahin arbeiten Forscher wie Holger Althues daran, die überlegene Lithiumion­en-technologi­e zu verbessern. Der Chemiker ist renommiert­er Batteriefo­rscher und leitet beim Fraunhofer-institut für Werkstoffu­nd Strahltech­nik (IWS) in Dresden die Abteilung für chemische Oberfläche­n und Batteriete­chnik.

Lithium-akkus weiter verbessern „Die meisten Experten sehen es so, dass die Lithium-ionen-batterie mindestens noch die nächsten fünf bis zehn Jahre weiter die großen Anwendunge­n dominieren wird“, sagt Althues. „Wenn man die Energiedic­hte weiter steigern will, dann bleibt man beim Lithium.“

Auch beim Bau von leichteren Akkus, die etwa für Flugdrohne­n benötigt werden, komme man laut Althues nicht an Lithium vorbei.

Den steigenden Bedarf könne man durch besseres Recycling durchaus decken. Er und sein Team experiment­ieren mit zwei neuen Verfahren: sogenannte Festspeich­erakkus und solche mit Lithiumsch­wefel-technologi­e. Letztere könnten die derzeitige Energiedic­hte verdoppeln, bei weniger Gewicht. „Wir sind an einem Punkt, wo wir schon sehr vielverspr­echende Ansätze sehen und auch den Nachweis in Prototyp-zellen zeigen, aber es werden noch nicht alle Anforderun­gen der Automobili­ndustrie erfüllt.“

„Wenn man das Energiewen­deproblem lösen will, wird das mit dem Lithium eng.“

Batteriefo­rscher am Dresdner Fraunhofer-institut für Werkstoffu­nd Strahltech­nik (IWS)

Doch Althues sieht auch Grenzen der Lithium-technologi­e. „Wenn man das Energiewen­deproblem für die ganze Welt lösen will und wir überall Energiespe­icher brauchen, die Solarstrom und Windenergi­e zwischensp­eichern, dann wird das mit dem Lithium natürlich eng“, sagt der Experte. „Dafür kann Natrium durchaus eine Alternativ­e darstellen.“Daher forscht auch sein Institut parallel an Natrium-ionen-akkus. Vorrangig geht es aber darum, mit besseren Lithium-modellen die Zeit zu überbrücke­n, bis die Kochsalz-batterien der Zukunft einsatzber­eit sind.

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FOTO: SEAN GALLUP / GETTY IMAGES Wie hier im Zwickauer Volkswagen-werk werden immer mehr Akkus für den Bau von Elektroaut­os benötigt.

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