Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Kino öffnet ab Donnerstag
In Vollmershain lädt Christoph Schwabe zum Musikgenuss in der Pracht seines Gartens
Eine Durststrecke von 113 Tagen ohne Kinobetrieb im Altenburger Land endet in dieser Woche. Das einzige Lichtspielhaus des Landkreises wird am Montag das Programm bekannt geben. Es werde schwierig werden, die Menschen nach so langer Zeit wieder in die Kinos zu locken und weg von den Streamingangeboten im Internet. Den Anfang machen dafür familienfreundliche Angebote. Der Start scheint vielversprechend, die erste Vorstellung ist schon voll.
„Ich will nicht sagen, Corona ist ein Segen, denn das ist es nicht. Aber es kann auch den Kopf frei machen für die wichtigen Dinge“, sagt Gastgeber Christoph Schwabe. Der unlängst mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnete Musiktherapeut ist trotz seiner 85 Jahre ein Mensch, der sich einbringt und die Möglichkeiten nutzt, um Geselligkeiten zu organisieren.
Man solle nicht immer nur darauf schauen, was einem durch die Einschränkungen weggenommen wurde. Darum habe er die Veranstaltungsreihe „Lauschen und Schauen“ersonnen, denn Sommerkonzerte fielen für dieses Jahr als Option aus. „Ich möchte noch ergänzen: Sie können sehr gerne spazieren gehen während der Musik“, sagte Schwabe zu seinen Gästen, bevor er die CD einlegte.
Das Angebot erwies sich als äußerst ratsam. Denn durch die strategisch günstig verteilten Sitzgelegenheiten im rund 1700 Quadratmeter großen Garten der ehemaligen Schmiede boten sich zahlreiche Möglichkeiten, den Garten stets aus einer anderen Perspektive wahrzunehmen.
Komplexe Vielfalt an Eindrücken
„In Gemeinschaft mit Blumen, Büschen, Bäumen und fünf Metern Abstand zu anderen Menschen“, hieß es in der Ankündigung Schwabes. Dazu bot er Musikgenuss von Johann Sebastian Bach (16851750), die Orchestersuite Nummer 4 sowie die Ouvertüren-suite Nummer 1 aus der Hohen Messe in hmoll. Letztere ist vor allem wegen des berühmtes Schlusssatzes „Dona Nobis Pacem“bekannt.
Das verstärkte zusätzlich die ohnehin schon große Vielfalt an komplexen Eindrücken und Genüssen. Manche Besucher fühlten sich auch zu andächtigem Schreiten veranlasst, schnupperten an Blüten oder befühlten die Rinde eines alten Kirschbaumes.
Obschon nur von einem Kompakt-cd-spieler wiedergegeben, fällt es schwer, von der Musik und der Gesangsdarbietung nicht ergriffen zu sein. Angekündigt war eine Toninstallation des mit Schwabe befreundeten Akustikexperten Matthias
Keil. „Doch wir haben festgestellt, dass die eine Box vollkommen ausreicht, um den ganzen Garten zu beschallen“, sagt Christoph Schwabe amüsiert.
Daher steht dessen Name letztlich zu Unrecht auf dem Flugblatt mit den Terminen. Wegen des beständig leicht aufflauenden Windes habe Schwabe aber den ganzen Vormittag damit zugebracht, einen idealen Standort für den Lautsprecher zu finden.
Von Herzen kommende Einladung
So ist es nur ein vereinzeltes Grillenzirpen oder ein leises Schafblöken, welches in den leisen Passagen der
Suiten zu vernehmen ist. Ansonsten wird andächtig gelauscht, auch mehrere Minuten, nachdem der letzte Takt verklungen ist.
Nur langsam werden die Besucher nach dieser spirituellen Erfahrung wieder munter, erheben sich und suchen das Gespräch zueinander. Rund die Hälfte des Publikums besteht aus Nachbarn des Musikliebhabers und Orgelspielers. Sie sagen: „Was Doktor Schwabe hier gemacht hat, ist wunderschön. Man hat hier Muße, es ist sehr beruhigend. Zu Hause sitze ich nie so lange im Garten, da sehe ich Unkraut.“
Aber auch zwei Musiktherapeutinnen aus Ponitz und Greiz, die ihre Ausbildung bei dem Vollmershainer erfahren haben, sind mit ihren Partnern anwesend. „Wir sind bis voriges Jahr immer zu den Sommerkonzerten gekommen. Das spannende ist, dass auch Nachbarn dabei sind. Die Menschen, die man trifft, macht auch das Erlebnis aus“, sagt die Greizerin.
„Er ist halt ein ganz besonderer Mensch, hat das Bundesverdienstkreuz mehr als verdient“, ergänzt ihre Kollegin aus Ponitz.
Ein Besucher formuliert es so: „Es ist diese von Herzen kommende Einladung, die zu spüren ist. Ehrlich gemeinte Begegnungen sind es, die die Welt bewegen. Den bewusst oder unbewusst aufgebauten Abstand loslassen.“Alle angesprochenen Besucher rühmen Schwabes Kultur des offenen Hauses, die heute nicht mehr so häufig zu finden sei.
Den Gastgeber selbst dürstet schon danach, auch wieder richtige Live-konzerte in seiner Schmiede zu organisieren. „Das wird auch wieder, ich hoffe, in der Winterzeit“, sagt er.
Die nächsten Termine für „Lauschen und Schauen“sind am 18. Juli, 1. August sowie 15. August, jeweils um 16 Uhr im Schmiedegarten bei Christoph Schwabe in Vollmershain.