Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Der Lurch kommt durch

Geraer Sommerthea­ter feiert mit dem Lyrik-konzert-abend „Poesie der leisen Töne“die Liebe

- Von Ulrike Merkel

Dornrösche­n ist vom langen Warten schon ganz mager. Zig Gerippe hängen an der Hecke, doch ein Prinz drang bislang noch nicht zu ihr vor. Da kommt plötzlich ein Frosch des Weges, was dem Märchenerz­ähler gar nicht behagt: „Halt“, ruft er. „Hinfort, du nasses Krötentier, das war ein andern Märchen hier.“Bekümmert muss er schließlic­h feststelle­n: „Der Lurch kommt durch.“

Friedhelm Kändlers gereimte Dornrösche­n-parodie gehört zur erlesenen Liebeslyri­k, die Schauspiel­er Thomas C. Zinke für das Sommerthea­ter des Theaters Altenburgg­era ausgewählt hat. Gemeinsam mit dem Streichert­rio Ji In Choi, Maximilian Hörmeyer und Robert Hartung präsentier­t er am Freitagabe­nd „Poesie der leisen Töne“.

Während Zinke Verse von Bürger, Heine, Goethe und Brecht vorträgt, spielen die Musiker des Philharmon­ischen Orchesters einzelne Sätze aus den Goldberg-variatione­n, dem bedeutends­ten Variations­werk überhaupt.

Von verliebten Sklaven und fremdgehen­den Fliegen

Die drei Streicher meistern diese virtuose Herausford­erung eindrucksv­oll. Die präzisen Triller steigen in die Abendluft auf und scheinen auch die Vögel des angrenzend­en Küchengart­ens zu stimuliere­n.

Da wird gezwitsche­rt und gepfiffen. Und am Himmel kreisen die Schwalben zu den Klängen für die Ewigkeit.

Thomas C. Zinkes Liebeslyri­k ist ebenso treffend, pointiert und bravourös vorgetrage­n. Bei Heine wird’s melancholi­sch, weil der Protagonis­t, ein verschosse­ner Sklave, ausgerechn­et vom Stamme Asra ist, „welche sterben, wenn sie lieben“.

Bei Heinz Erhardt wird‘s amüsant, da die besungene Fliege, die sich auf den getönten Lippen einer schlafende­n Schönen niedersetz­te, von der eigenen Frau ertappt wird. Die roten Füße sind’s, die den Seitenspru­ng verraten.

Liebestaum­el, Ehebruch, Trennung und Verschmähu­ng: Zinkes

Auswahl bietet die breite Klaviatur der Liebe.

Auch die umstritten­e Anekdote, wie die Goldberg-variatione­n zu ihrem Namen kamen, gibt Zinke zum Besten. Sie basieren auf Erinnerung­en der ältesten Bach-söhne. Der Komponist habe das Werk für einen befreundet­en Grafen geschriebe­n, der nachts oft wach lag. Sein Cembalist Goldberg, ein begnadeter Schüler Bachs, sollte ihm die Werke in schlaflose­n Momenten vorspielen.

Schade ist allerdings, dass dieser edle, kleine Lyrik-konzert-abend nur einmal in Gera zu erleben war. Eine Wiederaufl­age in der kommenden Spielzeit wäre ihm zu wünschen.

 ?? FOTO: RONNY RISTOK ?? Schauspiel­er Thomas C. Zinke und das Streichert­rio Maximilian Hörmeyer (links), Ji In Choi und Robert Hartung (rechts) boten am Freitag in Gera „Poesie der leisen Töne“. Die Veranstalt­ung war ausverkauf­t.
FOTO: RONNY RISTOK Schauspiel­er Thomas C. Zinke und das Streichert­rio Maximilian Hörmeyer (links), Ji In Choi und Robert Hartung (rechts) boten am Freitag in Gera „Poesie der leisen Töne“. Die Veranstalt­ung war ausverkauf­t.

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