Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Der ewige Dreisatz
Spieler, Kapitän, Trainer und Auswahlcoach: Eisenachs Handball-legende Rainer Osmann feiert heute seinen 70. Geburtstag
Die große Feier wird um ein Jahr verschoben. Seinen 70. feiert Rainer Osmann heute ganz in Familie – tagsüber bei einem Ausflug mit Frau Gudrun, abends kommen Tochter und Schwiegersohn mit den Enkeln dazu. Corona hat alle Pläne verändert. „Das bedrückt mich schon“, sagt er, „aber aufgeschoben ist ja nicht aufgehoben.“
Doch das Handy wird zum „Runden“genug läuten. Auch wenn Osmann seit sechs Jahren im Fränkischen lebt, ist er nicht vergessen. Und er kann die alte Heimat ja selbst nicht so ganz loslassen. Alle paar Wochen zieht es ihn an die Wartburg zurück. Hier trifft er
Freunde, hier hat er Handball-geschichte geschrieben. Als Spieler, als Kapitän, als Trainer. Beim THSV ist er seit 56 Jahren Vereinsmitglied.
„Rainer war immer das wichtige Bindeglied zwischen Mannschaft und Cheftrainer. Ohne diesen Zusammenhalt hätten wir uns damals nicht gegen die privilegierten Sportclubs behaupten können“, sagt Hans-joachim Ursinus, einst in der Katzenaue unglaubliche 18 Jahre lang Chef auf der Bank. Und Eisenachs Top-linkshänder Lutz Sinke, damals einer der besten Rückraumspieler der DDR, ergänzt: „Das Wort von Rainer hatte im Mannschaftskreis immer Gewicht.“
Zusammen erlebten sie Anfang der Achtzigerjahre mit der legendären Motor-mannschaft den unvergessenen Einzug in die Endrunde des Fdgb-pokals – dank eines völlig unerwarteten Sieges über Dynamo Berlin. Zur Finalrunde in Rostock waren die Kabinen dann noch mit „Dynamo Berlin“beschriftet.
Die kleine sportliche Sensation zählt Osmann zu den großen Momenten seiner Spielerkarriere, den Bundesliga-aufstieg 1997 nach der Traumserie von 53:1 Punkten nennt er seine schönste Zeit als Trainer – die drei folgenden Spielzeiten in der Beletage des Handballs inbegriffen. „Er hatte den richtigen Draht zur Mannschaft und diese als Einheit geformt“, erinnert sich Jörn Schläger. Den einstigen jungen Wilden und ehemaligen Thsv-kapitän hat
Osmann auch menschlich geprägt. So sehr, dass Schläger die entstandene Freundschaft zu seinem einstigen Trainer für sich persönlich noch über den damaligen Aufstieg stellt.
Nach dem Abschied vom THSV, zu dessen Hall of Fame er gehört, öffnete sich für Osmann das dritte Kapitel seines Handball-lebens. Nach einem Intermezzo in Erlangen lernte der gebürtige Stregdaer die große Welt seines Sports kennen. Innerhalb von zehn Jahren trainierte er drei Nationalmannschaften: Österreichs Männer sowie als Bundestrainer die deutschen Juniorinnen und Frauen: „Da habe ich den Handball noch einmal in anderen Dimensionen erlebt.“Als Kind habe er geträumt, einmal Spieler in Eisenach zu sein und irgendwann vielleicht Trainer, hat er einmal gesagt. Er hat beides erreicht und noch so viel mehr.
„20 Jahre bin ich jetzt schon weg vom THSV“, sinniert er. Und doch fühlt es sich so an, als wäre er immer dageblieben. Auch wenn es ihn vielleicht manchmal gewurmt hat, dass ausgerechnet sein Herzensverein die Kontakte, die er hätte vermitteln können, achtlos liegen ließ – noch immer gehören der Handball und Eisenach und Osmann zusammen wie ein ewiger Dreisatz, lässt sich das eine nicht ohne das andere herleiten. Und so gilt, was bei seinem Abtritt im November 2000 über ihn in dieser Zeitung stand, bis heute: niemals geht man so ganz.