Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Massenhaltung als Tierwohl?
Zum Leserbrief „Was kommt beim Bauern an?“(2. Juli):
Der Leser scheint es gut mit den Bauern zu meinen – sehr verdienstvoll. Wo er aber Bewegungsfreiheit für die Schweine erkannt haben will, ist mir ein Rätsel. Die Bilder von engen Boxen, in denen die
Schweine von allen Seiten gequetscht wurden, gingen um die Welt. Die zitierte Kommentatorin erwähnte das Kupieren der Schwänze, um eben das gegenseitige Abbeißen zu verhindern – die Belehrung war also überflüssig. Das Kupieren ist übrigens eine Reaktion auf eben das in der Vergangenheit vorkommende kannibalische Verhalten der Schweine. Es wird dabei vermutlich ebenso ohne jegliche Betäubung vorgenommen wie das erwähnte Kastrieren. Das alles scheint aber bei dem Leser unter „Tierwohl“zu segeln. Er bricht eine Lanze für eine „industrielle und nachhaltige Tierproduktion“. Passt das wirklich zusammen? Deutschland produziert das Mehrfache des Eigenbedarfs an Fleisch. Die Schlachthöfe werden nicht geschmäht, weil dort so unappetitliche Dinge passieren wie das Schlachten von Nutztieren, sondern weil die Arbeitsbedingungen so unerträglich sind. Die Zustände waren vermutlich noch nie besser, weshalb kaum ein Deutscher dort arbeiten will. Dank Corona blickt die Öffentlichkeit wieder mal hin. Diese schwere Arbeit machen tatsächlich überwiegend Leute aus Osteuropa, aber nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil zu Hause nur die Arbeitslosigkeit droht.
Der Leser hält Fleisch grundsätzlich für gesund. Das wäre es, in Maßen gegessen, vermutlich auch, wenn die Tiere in Massenhaltung nicht mit Antibiotika und anderen Medikamenten vollgepumpt würden. Die Verbraucher schielen nur nach Sonderangeboten? Ja, sicher, auch das Biofleisch darf gerne etwas billiger sein. Deshalb sind die von der Kommentatorin genannten Verbrauchwünsche noch lange nicht populistisch. Sie sind real. (gekürzt)
Dietmar Börner, Jena
Leserbriefe sind in keinem Fall Meinungsäußerungen der Redaktion. Wir behalten uns vor, Texte zu kürzen. Leserbriefe per E-mail senden Sie bitte an leserbriefe@otz.de