Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Ein bisschen Sozialismus
Das Konjunkturpaket soll zwischen den Ministerien aufgeteilt werden. Es gibt auch Widerstand
Es war vor einem Monat, während einer Klausur auf Schloss Ettersburg bei Weimar, als die rotrot-grüne Minderheitsregierung den Haushaltsstreit befriedete. Finanzministerin Heike Taubert (SPD) erhöhte das Etatvolumen für 2021 um etwa 600 Millionen auf 11,1 Milliarden Euro. Im Gegenzug versprachen ihre Kabinettskollegen, einen Teil ihrer Anmeldungen zurückzuziehen, die sich damals auf 12,3 Milliarden Euro beliefen.
Zur finalen Harmoniebildung gab es noch etwas oben drauf: Ein 300-Millionen-euro-konjunkturpaket. Es soll wiederum auf das vom Landtag im Juni beschlossene Corona-hilfspaket – immerhin rund 1,3 Milliarden Euro, davon die knappe Hälfte Bundesgelder – aufgesattelt werden. Formal handelt es sich dabei um ein sogenanntes Sondervermögen außerhalb des Haushalts, wobei der Begriff Sonderschuldenfonds realistischer ist. Der Vorteil: Die Gelder können zeitlich flexibel ausgegeben werden, mindestens bis Ende 2022, derweil der Etat nur das Jahr 2021 umfasst.
Um dies und den Etat finanzieren zu können, sollen 1,82 Milliarden Euro an Krediten aufgenommen werden. Aber das hat nicht nur mit den Hilfen und den pandemiebedingten Einnahmeausfällen zu tun, sondern auch mit dem beginnenden Vorwahlkampf. Jede Ministerin und jeder Minister (und die drei dahinterstehenden Koalitionsparteien) wollen sich profilieren.
Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee (SPD) versuchte, die ganzen 300 Millionen Euro für die Unternehmen zu vereinnahmen. Er lieferte eine Liste mit Projekten ab, mit denen er Investitionen fördern, die Transformation in der Automobilindustrie begleiten, Flächen für Ansiedlungen erschließen sowie touristische Vorzeigemodelle und Forschung finanzieren will. Außerdem möchte er noch mehr Geld in den Breitbandausbau stecken.
Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) hingegen findet, dass zumindest 150 Millionen Euro in den Klimaschutz (und ihr Ressort) gehen müssten. 40 Millionen Euro meldete sie für ein Klimainvestitionsprogramm an, 20 Millionen Euro für den Gewässerschutz, 15 Millionen Euro für die energetische Sanierung von Gebäuden, 20 Millionen Euro für eine Wasserstoffstrategie und noch einige Millionen für dies und das.
Angesichts dieser Ansprüche entschied sich Taubert für eine Art fiskalischen Sozialismus: Jedes Ministerium bekommt 30 Millionen Euro, wobei die Kabinettsmitglieder sich gerne gegenseitig etwas abgeben können. So dürfte der grüne Justizminister Dirk Adams seine Parteifreundin bedenken, und der linke Staatskanzleiminister Benjamin
Hoff kann ein paar Millionen auf dem kurzen Dienstweg dem nebenbei von ihm mitgeführten Infrastrukturministerium schenken.
Bei neun Ressorts geht es um 270 Millionen Euro. Die restlichen 30 Millionen könnten als Verhandlungsmasse dienen – die CDU muss angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Landtag auch noch gefragt werden. Bis Mitte dieser Woche hatten die Minister Zeit, ihre Wünsche anzumelden. Daraus will Taubert einen Vorschlag basteln, den sie mit Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) und seinen beiden Stellvertretern Siegesmund und Tiefensee besprechen will. Am 25. August, wenn der Haushaltsentwurf im Kabinett erstmals beraten wird, soll dann auch das Konjunkturpaket stehen, damit es anschließend mit der CDU verhandelt werden kann.
Das Ganze ist auch politisch keine Kleinigkeit. Denn wenn Haushalt und Konjunkturhilfen beschlossen sind, läuft die Absprache zwischen Rot-rot-grün und der Union aus, im Landtag nicht gegeneinander abzustimmen. Dann steht die parlamentarische Selbstauflösung an und der Wahlkampf ist – so ihn Corona erlaubt – endgültig eröffnet. Nicht alles, aber doch vieles, was jetzt geschieht, dient der Vorbereitung auf diesen Moment.