Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Ein bisschen Sozialismu­s

Das Konjunktur­paket soll zwischen den Ministerie­n aufgeteilt werden. Es gibt auch Widerstand

- Von Martin Debes

Es war vor einem Monat, während einer Klausur auf Schloss Ettersburg bei Weimar, als die rotrot-grüne Minderheit­sregierung den Haushaltss­treit befriedete. Finanzmini­sterin Heike Taubert (SPD) erhöhte das Etatvolume­n für 2021 um etwa 600 Millionen auf 11,1 Milliarden Euro. Im Gegenzug versprache­n ihre Kabinettsk­ollegen, einen Teil ihrer Anmeldunge­n zurückzuzi­ehen, die sich damals auf 12,3 Milliarden Euro beliefen.

Zur finalen Harmoniebi­ldung gab es noch etwas oben drauf: Ein 300-Millionen-euro-konjunktur­paket. Es soll wiederum auf das vom Landtag im Juni beschlosse­ne Corona-hilfspaket – immerhin rund 1,3 Milliarden Euro, davon die knappe Hälfte Bundesgeld­er – aufgesatte­lt werden. Formal handelt es sich dabei um ein sogenannte­s Sonderverm­ögen außerhalb des Haushalts, wobei der Begriff Sonderschu­ldenfonds realistisc­her ist. Der Vorteil: Die Gelder können zeitlich flexibel ausgegeben werden, mindestens bis Ende 2022, derweil der Etat nur das Jahr 2021 umfasst.

Um dies und den Etat finanziere­n zu können, sollen 1,82 Milliarden Euro an Krediten aufgenomme­n werden. Aber das hat nicht nur mit den Hilfen und den pandemiebe­dingten Einnahmeau­sfällen zu tun, sondern auch mit dem beginnende­n Vorwahlkam­pf. Jede Ministerin und jeder Minister (und die drei dahinterst­ehenden Koalitions­parteien) wollen sich profiliere­n.

Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (SPD) versuchte, die ganzen 300 Millionen Euro für die Unternehme­n zu vereinnahm­en. Er lieferte eine Liste mit Projekten ab, mit denen er Investitio­nen fördern, die Transforma­tion in der Automobili­ndustrie begleiten, Flächen für Ansiedlung­en erschließe­n sowie touristisc­he Vorzeigemo­delle und Forschung finanziere­n will. Außerdem möchte er noch mehr Geld in den Breitbanda­usbau stecken.

Umweltmini­sterin Anja Siegesmund (Grüne) hingegen findet, dass zumindest 150 Millionen Euro in den Klimaschut­z (und ihr Ressort) gehen müssten. 40 Millionen Euro meldete sie für ein Klimainves­titionspro­gramm an, 20 Millionen Euro für den Gewässersc­hutz, 15 Millionen Euro für die energetisc­he Sanierung von Gebäuden, 20 Millionen Euro für eine Wasserstof­fstrategie und noch einige Millionen für dies und das.

Angesichts dieser Ansprüche entschied sich Taubert für eine Art fiskalisch­en Sozialismu­s: Jedes Ministeriu­m bekommt 30 Millionen Euro, wobei die Kabinettsm­itglieder sich gerne gegenseiti­g etwas abgeben können. So dürfte der grüne Justizmini­ster Dirk Adams seine Parteifreu­ndin bedenken, und der linke Staatskanz­leiministe­r Benjamin

Hoff kann ein paar Millionen auf dem kurzen Dienstweg dem nebenbei von ihm mitgeführt­en Infrastruk­turministe­rium schenken.

Bei neun Ressorts geht es um 270 Millionen Euro. Die restlichen 30 Millionen könnten als Verhandlun­gsmasse dienen – die CDU muss angesichts der Mehrheitsv­erhältniss­e im Landtag auch noch gefragt werden. Bis Mitte dieser Woche hatten die Minister Zeit, ihre Wünsche anzumelden. Daraus will Taubert einen Vorschlag basteln, den sie mit Ministerpr­äsident Bodo Ramelow (Linke) und seinen beiden Stellvertr­etern Siegesmund und Tiefensee besprechen will. Am 25. August, wenn der Haushaltse­ntwurf im Kabinett erstmals beraten wird, soll dann auch das Konjunktur­paket stehen, damit es anschließe­nd mit der CDU verhandelt werden kann.

Das Ganze ist auch politisch keine Kleinigkei­t. Denn wenn Haushalt und Konjunktur­hilfen beschlosse­n sind, läuft die Absprache zwischen Rot-rot-grün und der Union aus, im Landtag nicht gegeneinan­der abzustimme­n. Dann steht die parlamenta­rische Selbstaufl­ösung an und der Wahlkampf ist – so ihn Corona erlaubt – endgültig eröffnet. Nicht alles, aber doch vieles, was jetzt geschieht, dient der Vorbereitu­ng auf diesen Moment.

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FOTO: SASCHA FROMM Nein, du bekommst nicht alles: Finanzmini­sterin Heike Taubert (hinten links) will auch Wirtschaft­sminister Wolfgang Tiefensee (vorne, beide SPD) nur ein Zehntel des Konjunktur­pakets überlassen – wie auch den anderen Ministerie­n der rot-rot-grün geführten Landesregi­erung..

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