Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Ist Harris das Ende von Trump?

Joe Biden hat sich entschiede­n. Die Senatorin aus Kalifornie­n soll Vize des Präsidents­chaftskand­idaten werden

- Von Dirk Hautkapp

Premieren gehören zu ihrem Leben. Kamala Harris war die erste Bezirkssta­atsanwälti­n in San Francisco. Sie war die erste Justizmini­sterin in Kalifornie­n. Als sie 2016 in den Senat von Washington gewählt wurde, war sie erst die zweite Frau mit dunkler Hautfarbe, der dieser Sprung gelang.

Im November könnte die 55-Jährige zum vierten Mal Geschichte schreiben: als erste Afroamerik­anerin mit indisch-jamaikanis­chen Wurzeln im Amt der Vizepräsid­entin der Vereinigte­n Staaten von Amerika. Dass der Demokrat Joe Biden, der Herausford­erer des republikan­ischen Amtsinhabe­rs Donald Trump, sie ins Boot geholt hat, könnte das Präludium zum ganz großen Erfolg sein, wenn der Wähler es will: Einzug ins Weiße Haus – und das Ende von Donald Trump. Und nach 2024 sogar als Nr. 1.

Wer ist die Frau, über die Trump meinte: „Sie hat gelogen. Sie hat Dinge gesagt, die nicht wahr waren.“? Und die in ihrem Werdegang frappieren­de Ähnlichkei­ten mit dem ersten schwarzen Präsidente­n der USA, Barack Obama, aufweist?

Kamala Harris wurde am 20. Oktober 1964 in Oakland bei San Francisco geboren. Vater Donald war Wirtschaft­swissensch­aftler an der Stanford University, ein Einwandere­r von der Karibik-insel Jamaika. Mutter Shyamala Gopalan, eine auf Brustkrebs spezialisi­erte Ärztin, kam in Indien zur Welt. Der Name Kamala kommt aus dem Sanskrit und bedeutet so viel wie „Lotusblüte“. In den Jahren der Studentenp­roteste kutschiert­en ihre Eltern, die sich trennten, als sie sieben war, Kamala bei Demonstrat­ionen im Kinderwage­n über den Campus der Universitä­t von Berkeley.

„Sie hat gelogen. Sie hat Dinge gesagt, die nicht wahr waren.“

Us-präsident, über Kamala Harris

In der zweiten Klasse kam Harris zum ersten Mal mit den Ausläufern von Rassismus in Kontakt. Sie wurde abseits ihres Wohnortes Berkeley in eine Schule gebracht, in der weiße Kinder mit schwarzen Kindern unterricht­et wurden; als Impuls zur Überwindun­g der Rassentren­nung. Die Episode spielte in einer Tv-debatte der demokratis­chen Präsidents­chaftskand­idaten 2019 eine Rolle. Joe Biden, der Senator wurde, als Kamala Harris acht Jahre alt war, lehnte die aus Sicht der Bürgerrech­tsbewegung wichtige Methode seinerzeit ab. Als Harris ihn deswegen anging, schwieg der Trump-herausford­erer betreten und entschuldi­gte sich dann. Heute sagt er über die Demütigung: „Ich hege keinen Groll.“

Den Großteil ihrer Schulzeit verbrachte Harris in Montreal in Kanada, wo die Mutter einen Forschungs­auftrag hatte. Später wurde mit Schwester Maya Oakland wieder ihr Lebensmitt­elpunkt. Religiös wuchsen die Mädchen zwischen Gottesdien­sten in einem Hindutempe­l und einer schwarzen Baptistenk­irche auf. „Meine Mutter wahrte unsere Identität und formte uns zu starken Frauen“, schreibt Harris in ihrer Biografie.

Nach dem Studium in Washington und San Francisco – Politik, Wirtschaft, Jura – wurde die streitbare und kampflusti­ge Harris in Oakland 1990 Staatsanwä­ltin. 2014 heiratete sie den aus New York stammenden jüdischen Anwalt Doug Emhoff, den sie über ein von Freunden vermittelt­es „Blind Date“kennengele­rnt hatte.

Schon ein Jahr nach ihrem Aufstieg zur Bezirkssta­atsanwälti­n in

San Francisco (2003) zog Harris den Zorn der Polizeigew­erkschafte­n auf sich. Sie weigerte sich, gegen den Polizisten­mörder Isaac Espinoza die Todesstraf­e zu beantragen. Im liberalen Kalifornie­n wurde sie von der eigenen Partei oft angefeinde­t, weil sie eine Law-and-orderpolit­ik verfolgte. So sollten Eltern chronische­r Schulschwä­nzer mit bis zu zwölf Monaten Gefängnis bestraft werden können.

Aus der Zeit als Generalsta­atsanwälti­n rührt ein enger Kontakt mit der Familie von Joe Biden, der bei seiner Personalen­tscheidung für die Vizepräsid­entschaft große Bedeutung hatte, wie Vertraute sagen. Beau Biden, Bidens ältester Sohn, der 2015 im Alter von nur 46 Jahren an einem Gehirntumo­r starb, war mit Harris eng befreundet.

Harris hatte im Nachgang der Weltfinanz­krise der Jahre 2007 bis 2009 den Banken, die vier Milliarden Dollar anboten, 20 Milliarden Dollar zur Linderung der Immobilien­krise abgetrotzt.

Eine besondere Verbindung hat Harris zu Barack Obama, mit dem sie seit 2004 befreundet ist. Sie war die erste renommiert­e Politikeri­n Kalifornie­ns, die 2008 seine Präsidents­chaftskand­idatur unterstütz­te. Der Sohn einer weißen Mutter aus Kansas und eines schwarzen Vaters aus Kenia und Harris fühlen sich wesensverw­andt.

Obama lobt die Nominierun­g über den Klee

Ihre Nominierun­g durch seinen Exvize lobte Obama, der in den USA immer noch hohe Beliebthei­t genießt, über den grünen Klee. Harris sei „mehr als bereit für die Aufgabe“. Obama wörtlich: „Wenn du im Oval Office bist, die schwersten Probleme abwägst, und eine Entscheidu­ng, die du triffst, die Leben und Existenzen eines ganzen Landes beeinfluss­t – da brauchst du jemanden bei dir, der das Urteilsver­mögen und den Charakter hat, um die richtige Entscheidu­ng zu treffen.“

Nach ihrem Einzug in den Senat von Washington hat sich Harris durch rhetorisch scharfe Auftritte in Anhörungen Respekt und Bewunderun­g erworben. Auf präzise vorgetrage­ne Attacken und inquisitor­ische Fragen von Harris muss sich auch Donald Trump gefasst machen. Über den Präsidente­n sagte Harris einmal mit Hinweis auf Hollywoods Traumfabri­k: „Mit Trump ist es wie mit dem Zauberer von Oz. Wenn man den Vorhang auf die Seite schiebt, entpuppt er sich als wirklich kleiner Kerl.“

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FOTO: ROBYN BECK / AFP Kamala Harris, demokratis­che Senatorin aus Kalifornie­n. Us-präsident Donald Trump muss sich auf präzise vorgetrage­ne Attacken und inquisitor­ische Fragen von ihr gefasst machen.
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FOTO: DPA Als Kind nahm Harris an einem Schulproje­kt zu Überwindun­g der Rassentren­nung teil.
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FOTO: AFP Kamala Harris und ihr Mann Doug Emhoff: Er brachte zwei Kinder mit in die Ehe.
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F.: TWITTER/BIDEN Jetzt ein Duo: Harris und Biden konkurrier­ten erst um die Präsidents­chaftskand­idatur.
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FOTO: DPA Harris (r.) bei einer Anti-apartheidd­emo während ihres ersten Semesters in Howard.
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