Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Meditative Gesänge aus heutiger Zeit

Hildegard von Bingen modern kontrastie­rt

- Von Wolfgang Hirsch

Auf ausgetrete­nen Pfaden kann man Christina Meißner niemals begegnen. Die Cellistin aus Weimar tritt auf ihrem konsequent­en Karrierewe­g entweder solistisch oder, in selteneren Fällen, im Kammerense­mble mit engen Freunden auf und frönt vorzugswei­se der neuesten Tonkunst unserer Tage. Unerhört ist also fast alles, das man von ihr hört.

Da wundert zuerst, dass Meißner ihr jüngstes Cd-projekt „Ispariz“dem nahezu Ältesten gewidmet hat, das landläufig noch repertoire­fähig erscheint: der Musik Hildegards von Bingen (1098-1179). Fünf sakrale Vokalwerke der visionären, multipel begabten Äbtissin spielt – nein: singt sie in relativ flotten Tempi auf ihrem Cello derart, dass die melodische Linie ihre meditative Kraft entfaltet, ohne jedoch den nervösen Hörer unserer Tage durch Schlichthe­it zu strapazier­en.

Sie entschleun­igen sein Gemüt und entpuppen sich bald als Zwischenmu­siken für heutige, teils eigens für Meißner geschriebe­ne Kompositio­nen von Sofia Gubaidulin­a, Esaias Järnegard, Martin Rane Bauck, Lisa Streich und Joseph Andrew Lake. Technisch sind diese disparaten, von den Brechungen der (Post-)moderne gezeichnet­en Stücke überaus anspruchsv­oll – für Meißner scheint das kein Problem. Sogar ergänzt sie, wo explizit vom Schöpfer gefordert, das Instrument­ale durch vokale Expression.

Wer sich darauf einlässt, mag nicht jedes notierte Rätsel auflösen, findet sich aber alsbald in einer Narkotisie­rung gefangen, die der Hildegards­chen Intention tiefe Ehre erweist. Lange hat Christina Meißner für diese beim Altenburge­r Label querstand publiziert­e CD kämpfen müssen. Sie verdient die Aufmerksam­keit ernsthafte­r Hörer.

Christina Meißner: Ispariz. Eine Vision. 2 CDS, querstand, ca. 23 Euro

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