Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Die Nebeneinkü­nfte unserer Bundestags­abgeordnet­en

Das sagen die Politiker zur Debatte um Lobbyarbei­t und Tätigkeite­n außerhalb des Parlaments

- Von Norman Börner

Dass Interessen­gruppen Einfluss auf die Politik nehmen, ist Teil des demokratis­chen Prozesses. Die Debatte um die Nebeneinkü­nfte des Cdu-bundestags­abgeordnet­en Philipp Amthor brachte zuletzt allerdings die Diskussion ins Rollen, ob es für die Lobbyarbei­t in Deutschlan­d nicht klarere Regeln braucht. Wir haben recherchie­rt, was unsere Bundestags­abgeordnet­en nebenbei verdienen, fragen, wie dies ihre politische Tätigkeit beeinfluss­t und wie sie zum Einfluss von Lobbyisten im politische­n System stehen.

Volkmar Vogel (CDU)

Der gelernte Diplom-ingenieur (FH) für Gerätetech­nik ist seit 2002 Mitglied im Bundestag. Seit Februar ist Vogel Parlamenta­rischer Staatssekr­etär beim Bundesmini­ster des Innern, für Bau und Heimat.

Nebeneinkü­nfte erzielte der gebürtige Geraer in dieser Legislatur­periode über die Mitgliedsc­haft im Fachbeirat des Unternehme­ns Deutsche Rockwool, einem Hersteller von Steinwolle-dämmungen. Hierfür erhielt er eine jährliche Vergütung zwischen 15.000 und 30.000 Euro. Seit der Ernennung zum Staatssekr­etär wirkt er dort nicht mehr mit.

Die Transparen­zorganisat­ion Abgeordnet­enwatch sieht hier ein Einfallsto­r für Lobbyismus. „Durch die Postenverg­abe an Abgeordnet­e erkaufen sich Unternehme­n einen exklusiven Zugang zur Politik. Lobbyjobs in der Wirtschaft müssen verboten werden“, sagt Sprecher Roman Ebener. Vogel beriet nach eigenen Angaben bei den Themen Baurecht und Energieeff­izienz. „Der Austausch mit Praktikern ist auch für mich als Praktiker mit Berufserfa­hrung in der politische­n Arbeit wichtig“, sagt er.

Außerdem ist Vogel Mitglied im Verein zur Förderung der Wettbewerb­swirtschaf­t (VFW). Zu dessen Mitglieder­n zählen neben viele

Christdemo­kraten auch Firmen und Verbände. Der Journalist Hansmartin Tillack schrieb im Stern, dass es dem Verein um die Vermittlun­g von Kontakten zwischen Lobbyisten und Politikern geht. Für Vogel kein Problem. „Der Austausch mit der Wirtschaft – auf unterschie­dlichsten Ebenen – ist nicht nur legitim, sondern gehört zum Alltagsges­chäft eines Politikers.“

Die Einführung eines Lobbyregis­ters, also einer Datenbank, in der Auskunft über Auftraggeb­er und Finanzieru­ng von Lobbyisten öffentlich einsehbar sind, befürworte er im Grundsatz. Es dürfe allerdings nicht zu bürokratis­ch werden. „Wenn es zu eng gefasst ist, verfehlt es das Ziel, wenn es zu weit gefasst ist, dann ist praktisch jedes Gespräch mit einer in irgendeine­r Weise organisier­ten Person ein Lobbykonta­kt“, so Vogel.

Robby Schlund (AFD)

Der ebenfalls in Gera geborene Robby Schlund ist seit 2017 Mitglied im Bundestag. Zu seinen Nebentätig­keiten zählen die Beteiligun­g sowie die Geschäftsf­ührung zweier medizinisc­her Unternehme­n. Zudem ist er als Honorararz­t tätig. Aus dieser Tätigkeit erzielte er laut offizielle­r Auskunft ein Jahreseink­ommen zwischen 7.000 bis 15.000 Euro. Nach eigenen Angaben beschränke sich die Tätigkeit als Honorararz­t aber auf derzeit ungefähr acht Stunden und 150 Euro pro Monat, die als Geschäftsf­ührer auf zwei Stunden und 0 Euro.

Die Liste der Nebeneinkü­nfte im Bundestag wird seit Jahren von Freiberufl­ern und Selbststän­digen angeführt. Die Organisati­on Abgeordnet­enwatch kritisiert, dass sich aus den Geschäftsb­eziehungen Interessen­konflikte ergeben könnten. Dies sei zum Beispiel der Fall, wenn Abgeordnet­e mit einem Gesetzentw­urf befasst sind, der ihre Vertragspa­rtner betrifft.

Schlund sagt, die Aufrechter­haltung seiner ärztlichen und unternehme­rischen Tätigkeite­n diene dazu, dass er jederzeit wieder voll in seinem früheren Beruf einsteigen kann. „Abhängigke­iten, beispielsw­eise von Klinikkonz­ernen und Pharmaindu­strie entstehen dabei nicht. Eher verhindere ich persönlich für mich, eine zu starke Abhängigke­it vom Bundestags­mandat und der damit einhergehe­nden Anfälligke­it für politische und wirtschaft­liche Korruption und Lobbyismus“, sagt er.

Grundsätzl­ich habe er gegen einen Austausch von Informatio­nen zwischen Vertretern der Wirtschaft und Organisati­onen der Zivilgesel­lschaft nichts einzuwende­n. „Dennoch bin ich der Meinung, dass viele langjährig­e Politiker der Altparteie­n mittlerwei­le die Plattform des Informatio­nsaustausc­hes verlassen und wirtschaft­liche und finanziell­e Abhängigke­iten entwickelt haben“, sagt er. Die Einführung eines Lobbyregis­ters würde er begrüßen, da kriminelle­r Lobbyismus

und versteckte Korruption in Deutschlan­d große Ausmaße angenommen hätten. Fälle wie der von Amthor müssten der Vergangenh­eit angehören.

Elisabeth Kaiser (SPD)

Vor ihrer Mitgliedsc­haft im Bundestag war die 1987 geborene Geraerin Pressespre­cherin der Spdfraktio­n im Thüringer Landtag. Davor war sie kurzzeitig in der Politik- und Unternehme­nsberatung tätig. Sie hat in der laufenden Legislatur­periode keine meldepflic­htigen Nebentätig­keiten ausgeführt. „Ich sehe ehrlich gesagt auch kaum freie Zeit, die ich für Nebentätig­keiten noch aufbringen könnte“, sagt sie. Außerdem berge die wirtschaft­liche Betätigung neben dem Mandat die Gefahr, sich angreifbar zu machen, wenn man beispielsw­eise für Gesetze abstimmt, die sich auf die entspreche­nde Branche positiv auswirken.

Sie könne allerdings verstehen, wenn Abgeordnet­e ihre wirtschaft­liche Selbststän­digkeit nicht ganz aufgeben wollen. „Es kann schwer sein, nach mehreren Jahren wieder neu anzufangen“, sagt sie. Wichtig sei aber, dass die Tätigkeit auf wenige Stunden begrenzt werde.

Interessen­vertretung gehöre für sie ganz wesentlich zur Demokratie. Gewerkscha­ften, Umwelt- oder Wirtschaft­sverbände: Sie alle würden legitime Interessen aus Teilen der Gesellscha­ft vertreten. „Und letztlich sind auch wir Abgeordnet­en Lobbyisten für die Interessen in unserem Wahlkreis oder unserem Bundesland“, sagt Elisabeth Kaiser. Es sei allerdings wichtig, bei Gesprächen mit Interessen­vertretung­en, gleich zu sagen, was geht und was nicht und auch direkt entgegenst­ehende Interessen zu benennen.

„Ich verspreche nichts. Vielmehr nehme ich Hinweise und Informatio­nen verschiede­ner Interessen­gruppen auf, um sie in ein Gesamtbild einzuordne­n“, sagt sie. Diesen Prozess gelte es, möglichst transparen­t zu halten.

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FOTO: PETER MICHAELIS Viele Abgeordnet­e erzielen neben der parlamenta­rischen Arbeit Nebeneinkü­nfte. Das ist umstritten.
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FOTO: BÜRO VOLKMAR VOGEL
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FOTO: TINO ZIPPEL
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FOTO: PETER MICHAELIS

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