Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Vorbildliche Waldkinder
Der 85-jährige Jürgen Runau hat ein Umweltmärchen verfasst, berührend, doch ziemlich hanebüchen
Beinahe interessanter als das Büchlein selbst ist seine Entstehungsgeschichte: Der Hörspiele schreibende Exportkaufmann Jürgen Runau entwickelte die Idee zur Geschichte bereits Anfang der 80er-jahre, als der deutsche Wald unterm Sauren Regen darbte. Doch dann erholte der sich – dank Katalysator und Filter – ziemlich rasch. Fast 40 Jahre später aber schien die Idee dem Autor, nunmehr 85, plötzlich wieder so aktuell, dass er sie diesmal bis zum bitter-komischen Ende ausführte.
Nun also streiken sie wirklich, die
Bäume. Der Plot ist, knapp erzählt, folgender: Eines Tages beginnt über dem Territorium der Bundesrepublik der Sauerstoffgehalt in der Luft zu sinken. Die Bäume, finden Experten heraus, haben die Photosynthese eingestellt. Warum? Den Mächtigen ist es egal, wittern sie doch ein lukratives Geschäft – mit Atemluft. Aber da sind ja noch die Jungen, die glauben, dass die Bäume den Menschen ein Zeichen senden: Sie fühlen sich ungeliebt und wollen umarmt werden.
Eigentlich ist das ein schönes Märchen. Darin gibt es die Bösen – profitgierige Konzernchefs um den karrieregeilen Wirtschaftsminister, und die Guten – den Sohn des Umweltbeauftragten mit seiner grünen Jugendbewegung. Da wird auf der einen Seite sarkastisch ausgeteilt und auf der anderen hoffnungsfroh geschwelgt. Ärgerlich ist einzig, dass der Autor die Naturgesetze ausgehebelt hat. Ohne Photosynthese würde wohl selbst der ge- sündeste Baum nicht bis zur letzten Buchseite durchhalten. Und die Verkäufer holen die frische Luft von hoher See, um sie in Deutschland zu verkaufen. Merkwürdig auch, dass der Sauerstoffschwund an den deutschen Außengrenze haltmacht. Wetter, Luftaustausch oder gar at- lantische Tiefausläufer kommen in der Runauischen Welt nicht vor. Da- für vorbildliche (Corona-)kinder: „Ihre Hände trafen sich zum Faust- check: ,Umarmt die Bäume!’“