Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Tote Schweine sollen gemeldet werden

Für den Menschen ist das Virus ungefährli­ch. Für wirtschaft­liche Betriebe aber könnten die Folgen enorm sein

- Von Tobias Kisling

Nach dem ersten bestätigte­n Fall einer Infektion mit der Afrikanisc­hen Schweinepe­st (ASP) in Deutschlan­d hat das Thüringer Gesundheit­sministeri­um dazu aufgerufen, tote Wildschwei­ne beim jeweiligen Veterinära­mt zu melden. Thüringens Gesundheit­sministeri­n Heike Werner (Linke) sagte, sie nehme die neue Situation sehr ernst. Der Bauernverb­and fürchtet im Falle eines Ausbruchs einen Verfall der Fleischpre­ise.

Die Gefahr, sie rückte beständig näher. Seit sechs Jahren grassiert in Polen die Afrikanisc­he Schweinepe­st (ASP). Für den Menschen ist sie – auch beim Verzehr von Fleischund Wurstwaren – ungefährli­ch, für Schweine jedoch hochinfekt­iös und fast immer tödlich. Immer weiter wanderte das Seuchengeb­iet in Richtung Deutschlan­d, im November wurde ein verendetes Tier 80 Kilometer vor der Grenze gefunden, Ende Januar waren es nur noch zwölf Kilometer. Mit Elektrozäu­nen versuchten Sachsen, Brandenbur­g und Mecklenbur­g-vorpommern ihre Grenzen gegen Wildschwei­ne aus dem östlichen Nachbarsta­at zu schützen. Es hat nichts genützt. Die Afrikanisc­he Schweinepe­st hat Deutschlan­d erreicht.

„Der Verdacht hat sich leider bestätigt, wir haben einen ersten Fall“, teilte Bundesland­wirtschaft­sministeri­n Julia Klöckner (CDU) am Donnerstag in Berlin mit. Zuvor hatte am Mittwoch das Landeslabo­r Berlin-brandenbur­g bei einem verendeten Wildschwei­n, das im brandenbur­gischen Landkreis Spree-neiße wenige Kilometer vor der deutsch-polnischen Grenze gefunden worden war, den Verdacht festgestel­lt. Noch am Abend war das tote Tier auf die Versuchsin­sel Riems gebracht worden, wo das Friedrich-loeffler-institut (FLI) seinen Sitz hat. Die in der Nacht durchgefüh­rten Analysen hätten klare Ergebnisse gebracht, teilte Institutsl­eiter Thomas Mettenleit­er mit: „Drei Proben sind am Mittwochab­end bei uns angekommen, alle drei waren eindeutig positiv.“

Klöckner betonte mehrfach, dass die Afrikanisc­he Schweinepe­st für den Menschen ungefährli­ch sei. „Auch vom Verzehr von kontaminie­rtem Fleisch geht keine Gefahr aus“, so die Ministerin.

Fatale Folgen könnte der erste nachgewies­ene Fall aber für die wirtschaft­lichen Betriebe haben. 39,7 Milliarden Euro erwirtscha­fteten die Schlachter­eien und Fleischver­arbeiter mit mindestens 50 Mitarbeite­rn im vergangene­n Jahr laut Statistisc­hem Bundesamt. Mitten in der Hochphase der Corona-krise im März verzeichne­te die Fleischind­ustrie einen Rekord: 3,9 Milliarden Euro wurden in einem Monat erwirtscha­ftet, so viel Umsatz erzielte die Branche noch nie.

Ein wesentlich­er Grund sind die Exporte nach China. Zwischen Januar und April exportiert­e Deuschland rund 158.000 Tonnen Schweinefl­eisch im Wert von 424 Millionen Euro nach China. Dass China derart auf Schweineim­porte angewiesen ist, hat einen Grund.

Seit 2018 geht in dem asiatische­n Staat die Afrikanisc­he Schweinepe­st um. Schätzunge­n zufolge mussten über 200 Millionen Tiere in dem Land zwangsgesc­hlachtet werden. Um dem Virus Einhalt zu gebieten, fordert China strenge Handelskri­terien ein. Ein Land, in dem die Afrikanisc­he Schweinepe­st nachgewies­en wird, darf nicht mehr nach China exportiere­n. Dazu zählt nun also auch Deutschlan­d.

Infizierte­s Wildschwei­n womöglich schon länger tot

Immerhin: Innerhalb der EU darf Deutschlan­d weiter Fleisch exportiere­n, es gilt das Prinzip der Regionalit­ät. Wird das Virus in einer Region eines Landes nachgewies­en, werden die anderen Regionen nicht automatisc­h mit in Beugehaft genommen. Nun geht es darum, zu verhindern, dass sich das Virus weiter ausbreitet. Brandenbur­gs Verbrauche­rministeri­n Ursula Nonnemache­r

(Grüne) kündigte an, dass ein vorläufige­s Gefahrenge­biet mit einem Radius von 15 Kilometern um den Fundort eingericht­et worden sei. In diesem Gebiet gebe es Schweineha­lter, darunter zwei größere Betriebe. Ein Betrieb mit über 5000 Tieren liegt nur sieben Kilometer vom Fundort des infizierte­n Tieres entfernt.

Um möglicherw­eise infizierte Tiere nicht aufzuschre­cken, soll ein striktes Jagdverbot herrschen. Auch seien etwa Ernteverbo­te für Maisfelder denkbar, in denen sich Schwarzwil­d oft aufhält. Hoffeste oder Agrarschau­en werden untersagt. Später soll eine Kernzone mit einem Radius von mindestens drei Kilometern um den Fundort eingezäunt werden, die nicht betreten werden darf.

Problemati­sch könnte sein, dass das infizierte Wildschwei­n möglicherw­eise schon länger tot war, ehe es gefunden wurde. „Der erprobte

Kadaver war stark in die Verwesung übergegang­en“, sagte Fli-leiter Thomas Mettenleit­er. Was das für eine weitere Ansteckung­srate bedeute, sei aber noch unklar. Fest steht, dass sich das Virus leicht verbreiten kann. Unter Schweinen, Wildschwei­nen und Hausschwei­nen ist die Infektiosi­tät hoch, aber das Virus kann auch anders weitergege­ben werden, etwa wenn ein Tierarzt nach dem Besuch eines Betriebes Blut an der Kleidung hat und damit einen weiteren Betrieb aufsucht. Und auch auf verarbeite­tem Fleisch hält sich das Virus hartnäckig. „Selbst eingefrore­nes Fleisch kann infektiös bleiben“, sagte Landwirtsc­haftsminis­terin Klöckner.

Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverb­andes, appelliert­e daher auch an die Verbrauche­r: „Reisende dürfen Wurstbrote und andere Essensrest­e nicht unachtsam wegwerfen – denn auch darin kann das Virus überleben.“

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FOTO: IMAGO STOCK Wird die Afrikanisc­he Schweinepe­st in einem Betrieb nachgewies­en, müssen die anderen Tiere ebenfalls fast immer getötet werden.

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