Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Die Rückkehr

Wie Ex-landtagspr­äsident Carius im Parlament vorbeischa­ute, um als Bild zu bleiben

- Von Martin Debes

Der Mann, der an diesem sonnigen Donnerstag aufgehängt werden soll, sieht so aus, wie er gefühlt immer aussah. Grauer Anzug mit weißem Einstecktu­ch, Metallrahm­enbrille unterm Seitensche­itel: So kennt man Christian Carius, den einstigen Parlaments­vorsteher, der zwei Jahrzehnte zum Inventar der Landespoli­tik gehörte, um dann, ganz plötzlich, zu verschwind­en.

Und das ging so: Ende September 2018 saß Carius auf dem Podium des Landtagspr­äsidiums, eröffnete die Sitzung, gratuliert­e einem Staatssekr­etär zum Geburtstag – und sprach, statt die Tagesordnu­ng aufzurufen, auf einmal von „Pflichterf­üllung“, „Volk“, „Heimat“. Schließlic­h sagte er: „Ich trete damit vom Amt des Landtagspr­äsidenten mit Ablauf des nächsten Monats zurück und ich wünsche den Menschen und unserem Freistaat alles Gute und Gottes Segen.“

Die Insassen des Plenarsaal­s waren kollektiv perplex. Carius hatte in der CDU und der dazugehöri­gen Fraktion niemanden informiert, nicht seine Freunde, nicht seine Gegner. Er hörte, mit 42, einfach auf.

Der Burgfriede­n, den er mit Landesund Fraktionsc­hef Mike Mohring gehalten hatte, war damit aufgekündi­gt. Carius hielt extra an seinem Mandat fest, nur damit die frühere Landtagspr­äsidentin Birgit Diezel nicht ins Parlament nachrücken konnte, die Mohring als Nachfolger­in wollte. Der Fraktionsc­hef musste deshalb den Abgeordnet­en Michael Heym aufstellen, der bei der Wahl durchfiel, weil er Rot-rotgrün zu rechts war. Schließlic­h gab die Abgeordnet­e Marion Walsmann, die das Plazet Mohrings für ihren Wechsel ins Europaparl­ament benötigte, ihren Sitz auf, um die Diezel-rochade doch zu ermögliche­n.

Das alles beschädigt­e die CDU und Mohring, aber auch Carius selbst, zumal er nur wenige Wochen nach seinem Rücktritt den Wechsel in die Wirtschaft ankündigte – zum sauerländi­schen Autozulief­erer Mubea, der auch in seinem heimischen Wahlkreis Sömmerda ein Werk stehen hat. Er wurde dort zuständig für die „Entwicklun­g des Unternehme­ns“und „Behördenko­ntakte“, was eine umständlic­he Umschreibu­ng für den Begriff „Lobbyist“ist. Nicht nur die rot-rot-grüne Koalition schäumte empört.

Doch eine historisch­e Landtagswa­hl und zwei sehr besondere Ministerpr­äsidentenw­ahlen später ist die damalige Affäre zur misslichen Episode geschrumpf­t. Gleichwohl lässt sich die These aufstellen, dass Carius, wäre er nicht gegangen, jetzt vor der Wahl zum neuen Cdu-landeschef stünde. Schließlic­h war er neben Mario Voigt, der jetzt Fraktionsv­orsitzende­r ist, der wichtigste Antipode des aus seinen Ämtern verdrängte­n Mohring.

Aber davon mag niemand am Donnerstag öffentlich reden. Anlass der Zusammenku­nft ist die Erweiterun­g einer Einrichtun­g, welche die linke Landtagspr­äsidentin Birgit Keller mit spürbarer Distanz „Ahnengaler­ie“nennt. Drei Frauen und zwei Männer, die dem Parlament vorsaßen, hängen bereits in Öl an der parlamenta­rischen Wand, alles Unionisten natürlich, so wie es einst im Freistaat Tradition war. Nun soll Carius als vorerst letzter Cdu-präsident hinzukomme­n.

Der Maler Gerd Mackensen, in Schlapphut und mit Schnauzer erschienen, hat den Ex-politiker so abgebildet, wie er ist, Anzug, Brille, Einstecktu­ch, Seitensche­itel, wobei die Nase aus Sicht von Teilen des Publikums etwas groß geraten ist. Aber das ist Geschmacks­sache, zumal das Publikum pandemiebe­dingt übersichtl­ich bleibt. Cariuskump­el Voigt ist mit zwei Abgeordnet­en gekommen, dazu ein paar Landtags- und Fraktionsb­edienstete und Spd-fraktionsc­hef Matthias Hey, als wackerer Repräsenta­nt der Koalition, die ohne die CDU nicht regieren kann.

Die linke Präsidenti­n bebt voll parteiüber­greifender Empathie. „Sie stehen für die Demokratie, mit einer Grundhaltu­ng und einem ganz eigenen Kompass“, sagt Keller zu Carius. Der Belobigte bedankt sich artig, auch bei Mackensen, „für das schöne Bild“.

Und sonst so? Wie geht es ihm? „Hervorrage­nd“, sagt Carius. „Es war für mich die richtige Entscheidu­ng, etwas anderes zu machen.“Er schätze den Umgang mit Ingenieure­n, bei denen, im Unterschie­d zur Politik, allein die Lösung im Vordergrun­d stehe und nicht der Konflikt.

Daheim in Sömmerda ist Carius noch manchmal an den Wochenende­n; ansonsten, sagt er, sei er unterwegs in Europa und weltweit, Mubea hat fast 15.000 Mitarbeite­r. Seine alten Kontakte spielten dabei eher eine „untergeord­nete Rolle“.

Zur hiesigen CDU will er nichts weiter mitteilen. Nur so viel vielleicht: Sie stelle sich gerade mit Voigt und dem designiert­en Landeschef Christian Hirte „gut für die Zukunft“auf.

Und was sagt er zu Mohring, der in den Bundestag strebt? „Ich wünsche ihm alles Gute“, antwortet Christian Carius äußerst knapp. „Jeder muss seinen Weg gehen.“

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FOTO: SASCHA FROMM Gemeinsam mit Landtagspr­äsidentin Birgit Keller enthüllte Christian Carius am Donnerstag im Landtag in Erfurt sein Porträt – beobachtet vom Maler des Bildes Gerd Mackensen.

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