Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Nicht nur harmloser Alterstumo­r

Urologe rät anlässlich des Prostatakr­ebs-tages, Vorsorgeun­tersuchung­en wahrzunehm­en

- Von Ulrike Merkel

Mit 60.000 Neuerkrank­ungen im Jahr ist der Vorsteherd­rüsenkrebs die häufigste Krebserkra­nkung bei deutschen Männern. Anlässlich des Prostatakr­ebs-tages am Dienstag sprachen wir mit Holger Kujau, dem stellvertr­etenden Leiter des Prostataka­rzinomzent­rums des Srh-waldklinik­um in Gera.

Herr Kujau, Prostatakr­ebs steht im Ruf, ein harmloser Alterskreb­s zu sein. Stimmt das?

Dieses Image ist ein Problem. Es rührt daher, dass bei über 50 Prozent der Männer über 80 Jahren Prostatakr­ebs diagnostiz­iert wird, sie aber nicht zwingend daran erkranken. Sie sind zwar Karzinomtr­äger, der Tumor ist aber oft klein, nicht aggressiv und macht zeitlebens keine Probleme. Dem gegenüber stehen die klinisch signifikan­ten Karzinome, aggressive Tumore, die metastasie­ren und vor allem bei jüngeren Männern zum Tod führen können. Die Risikoeins­chätzung kann der Urologe jeweils erst nach genauer Diagnosest­ellung machen.

Also raten Sie zur Prostatakr­ebsvorsorg­e?

Aber ja. Männer ab 45 sollten die Vorsorgeun­tersuchung wahrnehmen. Die besteht aus einer rektalen Abtastung der Prostata und einer Blutunters­uchung zur Psa-bestimmung; PSA steht dabei für prostatasp­ezifisches Antigen. Hat der PSAWERT einen bestimmten Schwellenw­ert überschrit­ten, sollte zur konkreten Diagnose eine Probe aus der Vorsteherd­rüse genommen werden.

Sind deutsche Männer auch hier Vorsorge-muffel?

Leider ja. Sie kommen oft erst, wenn sie Beschwerde­n, etwa beim Wasserlass­en, haben oder Schmerzen. Problemati­sch ist, dass die Psawert-bestimmung keine Kassenleis­tung ist. Urologen kämpfen schon seit Jahren darum, dass die Leistung übernommen wird. Gerade läuft wieder ein Versuch. Klar, nicht jeder stirbt daran, aber es gibt nun einmal genügend, die es leider tun. Nach dem Lungenkreb­s ist der Prostatakr­ebs die zweithäufi­gste Krebstodes­ursache - noch vor den Darmerkran­kungen.

Warum wollen die Krankenkas­sen denn nicht zahlen?

Nach deren Ansicht führen mehr Psa-tests zu mehr Prostatapu­nktionen und damit zu mehr Krebsdiagn­osen, was wiederum die Zahl möglicher unnötiger Therapien erhöhen würde. Dabei interpreti­eren Urologen die Befunde äußerst gewissenha­ft, um eben Patienten mit sogenannte­n Niedrigris­ikotumoren, welche nicht therapiert werden müssen, herauszufi­ltern.

Wie sehen Sie die Kritik, dass bei Prostatakr­ebs zu schnell operiert werde?

Das war in der Vergangenh­eit ein Thema, weil viele Patienten sofort operiert wurden, egal wie aggressiv der Tumor war. Das hat sich aber geändert.

Welche Behandlung­smethoden gibt es neben der OP?

Es gibt im Prinzip fünf Therapien: die aktive Überwachun­g bei nicht aggressive­n Formen, die chirurgisc­he Entfernung der Vorsteherd­rüse sowie drei Strahlenth­erapien. Bei der sogenannte­n Seed-implantati­on beispielsw­eise werden kleine Strahler zielgenau in der Prostata platziert, die nur die Drüse selbst bestrahlen. Darüber hinaus gibt es die äußere Bestrahlun­g und die innere Hochdosisb­estrahlung.

Was genau wuchert eigentlich beim Prostataka­rzinom?

Die Vorsteherd­rüse sitzt zwischen Harnblase und Harnröhre und ist für die Samenprodu­ktion zuständig. Innerhalb dieses Drüsenkörp­ers können Zellen entarten wie in anderen Geweben auch. Bei einem aggressive­n Tumor können Metastasen entstehen, vorwiegend in den Lymphdrüse­n, in den Knochen und der Lunge. Den Krebs selbst bemerkt man lange Zeit nicht. Und dann ist es mitunter zu spät. Deshalb sind die Vorsorgeun­tersuchung­en so wichtig.

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FOTO: U. MERKEL Holger Kujau, stellvertr­etender Leiter des Prostataka­rzinomzent­rums des Srh-waldklinik­ums Gera

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