Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Die drei Wunder der Kirche von Dobraschütz
Dorfkirchen in der Vorweihnachtszeit: Turbulente Geschichten und rätselhafte Geheimnisse
Dobraschütz.
Bunte Blumengirlanden und frech lachende Putten – die Dorfkirche Dobraschütz lädt zu einer farbenfrohen Entdeckungsreise ein. Dabei musste das einzigartige Baudenkmal erst vor wenigen Jahren vor dem endgültigen Verfall gerettet werden: Dobraschütz und die umliegenden Gemeinden zogen an einem Strang, engagierte Spender taten ein Weiteres. Schließlich waren es drei Wunder, die die Schönheit der Kirche für die Nachwelt erhalten sollten.
Letzte grundhafte Restaurierung erfolgte 1914
Ralf Neuber, Vorsitzender des Gemeindekirchrates Dobraschütz, blickt auf die reich ausgemalte Decke im sogenannten Bauern-barock mit ihren goldenen Sternen und den fröhlichen Engelsgesichtern: „Beim genauen Betrachten sieht man, dass jedes Engelsgesicht anders ist.“Der Begriff Bauern-barock sei zwar kein offizieller, doch er werde umgangssprachlich für die im ländlichen Raum sehr verbreitete Malereiform der damaligen Zeit verwendet. Sie finde sich etwa auch auf Bauernschränken mit ihren reichen Blumenverzierungen, sagt Neuber. Die Kirche in ihrem heutigen Zustand sei 1752 fertiggestellt worden, die Ausmalungen seien in den 1770-er Jahren erfolgt. Vor der letzten Innenrestaurierung im Jahr 2012 seien die Malereien nochmals 1914 aufgefrischt worden. Damals habe die Kirche jedoch nicht mit einer großen Feier eröffnet werden dürfen, da sich das Deutsche Reich schon im Ersten Weltkrieg befand. In Kriegszeiten durfte es solche Feierlichkeiten nicht geben.
Zu Ddr-zeiten sei das kleine Kirchlein in einem miserablen Zufand stand gewesen. Erst in den 1990-er Jahren sei das Dach neu eingedeckt worden. Im Jahr 2011 konnte der Dachstuhl restauriert werden, sagt Ralf Neuber: „Ein Riesenproblem war der Holzwurmbefall.“Danach kam es zum ersten Wunder für die Kirche von Dobraschütz. Die wertvollen Malereien an Decke und Empore drohten endgültig verloren zu gehen. Doch im Rahmen des Deutschen Trachtenfestes bekam die Kirche eine Anschubfinanzierung von 45.000 Euro für die Restaurierung des Innenraumes. Die Restaurierungsfirma Rinn-volkland-malerei aus Eisenberg habe im Jahr 2012 die verblassten Malereien aus ihrem Dornröschenschlaf befreit. Wenn das hohe Engagement an Eigenleistungen durch die Gemeinde mit eingerechnet würde, dann seien letzten Endes um die 110.000 Euro in die Innenrestaurierung geflossen.
Doch für die Sterne an der Decke fehlte schließlich das Geld. Dafür sei eine einmalige Aktion ins Leben gerufen worden, sagt Ralf Neuber. Mit der Aktion „Mein Stern für Dobraschütz“sei auf dem Dorffest dafür geworben worden, eine Patenschaft für die Rettung jeweils eines Sternes zu übernehmen. Die Neufassung eines Sterns mit Blattgold habe 120 Euro gekostet. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, erinnert sich Neuber: „Innerhalb einer Woche wurde für jeden der 126 Sterne ein Pate gefunden. Jeder wollte einen Stern haben.“
Namenloser Anrufer verhilft alter Orgel zu frischen Tönen
Vieles sei nun schon erreicht gewesen: Dach und Decke saniert, Holz vom Wurm befreit. Aber die rund 200 Jahre alte Orgel fristete noch ein trauriges Dasein. Das zweite Wunder der Kirche von Dobraschütz kündigte sich an: Im Jahr 2013 habe der damalige Pfarrer Christoph Herbst einen Anruf von einem Mann mit bayerischen Dialekt bekommen. Dieser kenne einen Orgelbauer aus Heidelberg, der sich dem alten Instrument annehmen könne. Am Ende habe sich herausgestellt, dass der namenlose Anrufer der Inhaber der Altenburger Senffabrik, Karl Jungbeck, gewesen war. Durch die Initiative Jungbecks und dem Orgelbauer Johannes Kircher aus Heidelberg konnte die Orgel für rund 65.000 Euro restauriert werden.
2016 wird komplette Restaurierung abgeschlossen
Der Marathon zur Rettung der kleinen Dorfkirche Dobraschütz be
sich nun auf der Zielgeraden. Da seien der Kirche hilfreiche Spenden zu Gute gekommen, ist Ralf Neuber bis heute für diese sehr dankbar. So habe die Kirche im Jahr 2013 den Altenburger Denkmalpreis und 2014 den Denkmalpreis des Landes Thüringen mit einer Preissumme von 10.000 Euro erlangt. Im Jahr 2015 habe schließlich die Deutsche Stiftung Denkmalschutz 3.000 Euro und die Stiftung zur Erhaltung kirchlicher Baudenkmäler in Deutschland 20.000 Euro gespendet. Damit konnte die Außenrenovierung und damit die komplette Restaurierung der Kirche im Jahr 2016 abgeschlossen werden. Es sei das dritte Wunder der Kirche von Dobraschütz gewesen, sagt Ralf Neuber, von der schnellen Rettung der Kirche bewegt: „Eine Kirche innerhalb von fünf Jahren zu restaurieren, ist ein einziges Wunder. Ich habe es als mein Lebenswerk betrachtet.“
Totenkronen als Denkmäler der Liebe
Als ob die Malereien nicht schon ein fantastischer Blickfang genug wären, hält das Dorfkirchlein noch eine besondere Kuriosität bereit. Es sind die teilweise über 200 Jahre alten Totenkronen. Diese auch als Denkmäler der Liebe bezeichneten filigranen und reich verzierten Geflechte seien eine in Mitteleuropa weit verbreitete Tradition gewesen. Sie wurden Unverheirateten und viel zu früh Verstorbenen als letzte Ehre bei der Beerdigung auf den Sarg gelegt. Nach der Beerdigung wurden sie in den Kirchen in besonderen Regalen, den Epitaphen, aufbewahrt. In Dobraschütz sind noch 13 dieser Totenkronen erhalten. Diese Ansammlung an Totenkronen sei in Mitteldeutschland einzigartig.