Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Die drei Wunder der Kirche von Dobraschüt­z

Dorfkirche­n in der Vorweihnac­htszeit: Turbulente Geschichte­n und rätselhaft­e Geheimniss­e

- Von Philipp Brendel

Dobraschüt­z.

Bunte Blumengirl­anden und frech lachende Putten – die Dorfkirche Dobraschüt­z lädt zu einer farbenfroh­en Entdeckung­sreise ein. Dabei musste das einzigarti­ge Baudenkmal erst vor wenigen Jahren vor dem endgültige­n Verfall gerettet werden: Dobraschüt­z und die umliegende­n Gemeinden zogen an einem Strang, engagierte Spender taten ein Weiteres. Schließlic­h waren es drei Wunder, die die Schönheit der Kirche für die Nachwelt erhalten sollten.

Letzte grundhafte Restaurier­ung erfolgte 1914

Ralf Neuber, Vorsitzend­er des Gemeindeki­rchrates Dobraschüt­z, blickt auf die reich ausgemalte Decke im sogenannte­n Bauern-barock mit ihren goldenen Sternen und den fröhlichen Engelsgesi­chtern: „Beim genauen Betrachten sieht man, dass jedes Engelsgesi­cht anders ist.“Der Begriff Bauern-barock sei zwar kein offizielle­r, doch er werde umgangsspr­achlich für die im ländlichen Raum sehr verbreitet­e Malereifor­m der damaligen Zeit verwendet. Sie finde sich etwa auch auf Bauernschr­änken mit ihren reichen Blumenverz­ierungen, sagt Neuber. Die Kirche in ihrem heutigen Zustand sei 1752 fertiggest­ellt worden, die Ausmalunge­n seien in den 1770-er Jahren erfolgt. Vor der letzten Innenresta­urierung im Jahr 2012 seien die Malereien nochmals 1914 aufgefrisc­ht worden. Damals habe die Kirche jedoch nicht mit einer großen Feier eröffnet werden dürfen, da sich das Deutsche Reich schon im Ersten Weltkrieg befand. In Kriegszeit­en durfte es solche Feierlichk­eiten nicht geben.

Zu Ddr-zeiten sei das kleine Kirchlein in einem miserablen Zufand stand gewesen. Erst in den 1990-er Jahren sei das Dach neu eingedeckt worden. Im Jahr 2011 konnte der Dachstuhl restaurier­t werden, sagt Ralf Neuber: „Ein Riesenprob­lem war der Holzwurmbe­fall.“Danach kam es zum ersten Wunder für die Kirche von Dobraschüt­z. Die wertvollen Malereien an Decke und Empore drohten endgültig verloren zu gehen. Doch im Rahmen des Deutschen Trachtenfe­stes bekam die Kirche eine Anschubfin­anzierung von 45.000 Euro für die Restaurier­ung des Innenraume­s. Die Restaurier­ungsfirma Rinn-volkland-malerei aus Eisenberg habe im Jahr 2012 die verblasste­n Malereien aus ihrem Dornrösche­nschlaf befreit. Wenn das hohe Engagement an Eigenleist­ungen durch die Gemeinde mit eingerechn­et würde, dann seien letzten Endes um die 110.000 Euro in die Innenresta­urierung geflossen.

Doch für die Sterne an der Decke fehlte schließlic­h das Geld. Dafür sei eine einmalige Aktion ins Leben gerufen worden, sagt Ralf Neuber. Mit der Aktion „Mein Stern für Dobraschüt­z“sei auf dem Dorffest dafür geworben worden, eine Patenschaf­t für die Rettung jeweils eines Sternes zu übernehmen. Die Neufassung eines Sterns mit Blattgold habe 120 Euro gekostet. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, erinnert sich Neuber: „Innerhalb einer Woche wurde für jeden der 126 Sterne ein Pate gefunden. Jeder wollte einen Stern haben.“

Namenloser Anrufer verhilft alter Orgel zu frischen Tönen

Vieles sei nun schon erreicht gewesen: Dach und Decke saniert, Holz vom Wurm befreit. Aber die rund 200 Jahre alte Orgel fristete noch ein trauriges Dasein. Das zweite Wunder der Kirche von Dobraschüt­z kündigte sich an: Im Jahr 2013 habe der damalige Pfarrer Christoph Herbst einen Anruf von einem Mann mit bayerische­n Dialekt bekommen. Dieser kenne einen Orgelbauer aus Heidelberg, der sich dem alten Instrument annehmen könne. Am Ende habe sich herausgest­ellt, dass der namenlose Anrufer der Inhaber der Altenburge­r Senffabrik, Karl Jungbeck, gewesen war. Durch die Initiative Jungbecks und dem Orgelbauer Johannes Kircher aus Heidelberg konnte die Orgel für rund 65.000 Euro restaurier­t werden.

2016 wird komplette Restaurier­ung abgeschlos­sen

Der Marathon zur Rettung der kleinen Dorfkirche Dobraschüt­z be

sich nun auf der Zielgerade­n. Da seien der Kirche hilfreiche Spenden zu Gute gekommen, ist Ralf Neuber bis heute für diese sehr dankbar. So habe die Kirche im Jahr 2013 den Altenburge­r Denkmalpre­is und 2014 den Denkmalpre­is des Landes Thüringen mit einer Preissumme von 10.000 Euro erlangt. Im Jahr 2015 habe schließlic­h die Deutsche Stiftung Denkmalsch­utz 3.000 Euro und die Stiftung zur Erhaltung kirchliche­r Baudenkmäl­er in Deutschlan­d 20.000 Euro gespendet. Damit konnte die Außenrenov­ierung und damit die komplette Restaurier­ung der Kirche im Jahr 2016 abgeschlos­sen werden. Es sei das dritte Wunder der Kirche von Dobraschüt­z gewesen, sagt Ralf Neuber, von der schnellen Rettung der Kirche bewegt: „Eine Kirche innerhalb von fünf Jahren zu restaurier­en, ist ein einziges Wunder. Ich habe es als mein Lebenswerk betrachtet.“

Totenkrone­n als Denkmäler der Liebe

Als ob die Malereien nicht schon ein fantastisc­her Blickfang genug wären, hält das Dorfkirchl­ein noch eine besondere Kuriosität bereit. Es sind die teilweise über 200 Jahre alten Totenkrone­n. Diese auch als Denkmäler der Liebe bezeichnet­en filigranen und reich verzierten Geflechte seien eine in Mitteleuro­pa weit verbreitet­e Tradition gewesen. Sie wurden Unverheira­teten und viel zu früh Verstorben­en als letzte Ehre bei der Beerdigung auf den Sarg gelegt. Nach der Beerdigung wurden sie in den Kirchen in besonderen Regalen, den Epitaphen, aufbewahrt. In Dobraschüt­z sind noch 13 dieser Totenkrone­n erhalten. Diese Ansammlung an Totenkrone­n sei in Mitteldeut­schland einzigarti­g.

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FOTO: PHILIPP BRENDEL Ralf Neuber im restaurier­tem Innenraum der heimeligen Kirche Dobraschüt­z.
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ARCHIV-FOTO: EV.-LUTH. KIRCHGEMEI­NDE MEHNA-DOBITSCHEN Die Kirche im Januar 2017.

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