Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Ein intensives Miteinander wie in einer WG
Jacob Mihajlov arbeitet als persönlicher 24-Stunden-Assistent für einen Geraer mit Handicap
Mit Karsten Pfeiffer sei es von Anfang an ein wunderbares Arbeiten gewesen, schildert Jacob Mihajlov. Die „Chemie“stimme zwischen ihnen - und das muss sie, denn Jacob Mihajlov ist rund um die Uhr für Karsten Pfeiffer im Einsatz. Als persönlicher 24-Stunden-Assistent betreut er den 54-Jährigen Geraer, der seit seiner Geburt an einer Spastischen Tetraparese leidet. Karsten Pfeiffers Arme und Beine sind größtenteils gelähmt, im Oberkörper ist er eingeschränkt mobil, so dass er permanent Hilfe benötigt. Diese beginnt frühmorgens beim Zähneputzen und endet nachts beim Lagern im Bett.
Wie im Film „Ziemlich beste Freunde“
„Bei uns ist ein bisschen wie in einer WG“, sagt Mihajlov und vergleicht das Miteinander gern mit dem der Protagonisten im Film „Ziemlich beste Freunde“. „Herr Pfeiffer hat seine Wünsche, wie er sein Leben trotz Einschränkung gestalten möchte und ich bin dafür da, das mit ihm umzusetzen“, bringt er es auf den Punkt. Zu Beginn jeder Woche erstellt das Duo gemeinsam einen Plan, welche Termine anliegen und bereiten diese dann akribisch vor. „Einfach mal schnell, funktioniert nicht“, so der Assistent. Vieles muss bedacht, im Voraus gut geplant und abgesprochen werden. Der Aufwand ist oftmals ein viel größerer als für jemanden ohne Handicap.
24-Stunden-Assistenz - dies fordere psychisch und physisch. Insbesondere sozial sollte man gut mit Menschen umgehen können, denn es ist ein sehr intensives Miteinander. „Mein Tagesablauf richtet sich größtenteils nach dem von Herrn Pfeiffer. Als Assistent muss man flexibel und anpassungsfähig sein. Beispielsweise muss man damit umgehen können, dass die Mahlzeiten nicht immer zu der Zeit stattfinden, wie man es selbst gern hätte.“Karsten Pfeiffer sei aber auch stets daran interessiert, dass es seinem Helfer gut gehe, versichert er.
Gewöhnlich dauert Jacob Mihajlovs Assistenz 14 Tage lang am Stück, danach hat er einige Tage frei. „Während der Betreuungszeit muss man alles Persönliche zurückstellen. Für private Angelegenheiten bleiben ihm nur die freien Tage. „Manches lässt sich zwar am Telefon oder per E-Mail regeln, aber man ist in dieser Assistenz vor Ort und kann nicht mal schnell nach Hause fahren, um private Angelegenheiten, seien sie auch noch so dringend, zu klären“, gibt der junge Mann, der nahe Naumburg wohnt, zu. Gerade mit solchen Situationen umzugehen, sei ihm anfangs nicht immer leicht gefallen. Zugleich weiß er: „An diesem Punkt zeigt sich, welche Freunde zu einem halten und Verständnis aufbringen, dass man soviel Zeit in die Arbeit investiert.“
Mit der JobGerecht GmbH Altenburg hat der junge Mann, der Quereinsteiger ist, seinen Arbeitgeber erster Wahl gefunden. „Gerechtere Behandlung, gerechteres Arbeiten“, versichert der 33-Jährige. Während seines Zivildienstes in einem Altenheim kam Jacob Mihajlov erstmals mit dem Pflegethema in Kontakt. „Hier allerdings habe ich etliche dunkle Seiten der Pflege, sowohl für die Bewohner als auch für das Personal, kennengelernt“, erzählt er. Deshalb entschied sich der junge Mann zunächst für den Beruf des Sport- und Fitnesskaufmanns.
Nach mehrjähriger Tätigkeit wagte er erneut den Schritt in die Pflege, ließ sich zur Pflegekraft und parallel zum Systemischen Berater und Seelsorger ausbilden. Anschließend arbeitete er drei Jahre in einer Reha, wo sein Bild von der Pflege wieder zurechtgerückt wurde.
Im Krankenhaus Weißenfels sammelte Jacob Mihajlov erste Erfahrungen im Klinikalltag. „Auf der Inneren Station tätig, war es ein vielseitiges Arbeiten, ein ständiges Lernen, aber auch wahnsinnig stressig“, so Mihajlov. „Dabei wurde mir wieder bewusst, dass der Patient oft zu kurz kommt.“Daraufhin wechselte er in einen Mobilen Pflegedienst in Naumburg, was schöne Erlebnisse brachte, aber mit vielen finanziellen Einbußen einher ging. Schließlich entschied er sich für die 24-Stunden-Assistenz.
Nach wie vor setzt er die Priorität auf sein Berufsleben, insofern habe er diese Wahl bisher nicht bereut, schätzt er ein. Mehrere Klienten hat er bisher betreut und dabei sehr unterschiedliche Assistenzen - von harmonisch bis hin zu nervenaufreibend – erlebt. Immer aber habe der intensive Kontakt mit diesen Menschen auch ihn geprägt, teils als Persönlichkeit geformt. „Diese Arbeit hat mir Einblick in viele Dinge gegeben, die für mich selbstverständlich sind und macht mir immer wieder bewusst, wie wichtig wir Assistenten für Betroffene sind.“Es ist auch einer der Gründe, weshalb er sich für den Pflegeberuf mehr gesellschaftliche Anerkennung wünschen würde.