Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
„Bergauf ein Grinsen im Gesicht“
Immer mehr Räder mit Motor unterwegs. Leser der Zeitung absolvieren Schnellkurs
Zur Belohnung gibt es Blumen. Zumindest zum staunenden Besichtigen auf der Bundesgartenschau. Dorthin, nach Erfurt, führte die 55-Kilometer-Pedelectour für Leser dieser Zeitung, nachdem sie am Kurs im ADAC-Fahrsicherheitszentrum in Grammetal in der Nähe von Nohra im Weimarer Land teilgenommen hatten. Cornelius Blanke und Fabian Löbnitz erteilten nach einer theoretischen Einführung praktische Ratschläge, unter anderem für Slalom- und Kurvenfahrten.
Die Nacht zuvor hatten Claudia und Matthias Klöppner in unmittelbarer Nähe im Wohnmobil verbracht. Immerhin hatten sie – aus Bodenrode im Eichsfeld kommend – eine Anreise von fast hundert Kilometern. Auf dem Tacho der mitgebrachten Pedelecs leuchtete eine deutlich größere Zahl: 5000. „Ja, wir haben die Bikes jetzt fast vier Jahre und genießen die Freiheiten damit“, so Matthias Klöppner. Man könne jetzt auch oft gemeinsam unterwegs sein. „Und das Schöne ist“, ergänzt der 51-Jährige: „Bergauf hat man auch ein Grinsen im Gesicht.“Das kriegen auch die Kumpels zu sehen, die noch ohne elektrische Hilfe unterwegs sind. Ehefrau Claudia nickt lächelnd. „Das Pedelec ist eine tolle Erfindung, ich will es längst nicht mehr missen.“Aber trotz der schon gewonnenen Erfahrungen ist sie noch wissbegierig: „Man lernt ja nie aus“.
Endlich wieder gemeinsame Touren
Das ist auch die Maxime von Christine Dümmler, die immerhin auch schon drei Jahre mit Strom-Unterstützung unterwegs ist. Ihr Mann Frohwin hält dagegen weiter am konventionellen Rad fest. Zusammen können die rüstigen Rentner allerdings nun gemeinsame Touren machen, waren unter anderem bis zur Quelle der Unstrut gefahren. „Das wäre früher nicht möglich gewesen“, so Christine Dümmler. Man entdecke die Bewegung neu und sehe auch viel von der Landschaft. Der Pößnecker Frank Krämer, ein Radfahrer seit Kindheitstagen, ist erst kürzlich auf das Pedelec umgestiegen. „Ich kann täglich entspannt zur Arbeit fahren – sehr angenehm.“
In den letzten Jahren hat sich der Trend zum Pedelec, das eine Höchstgeschwindigkeit von 25 Kilometern pro Stunde erreicht, aber auch zu E-Bikes, die auch ohne Treten
fahren, enorm verstärkt. Die Pandemie sorgte noch für eine zusätzliche Beschleunigung. 1,95 Millionen Stück der Strom-Räder wurden 2020 verkauft, eine Steigerung von über 40 Prozent gegenüber 2019. Inzwischen sind mehr als sieben Millionen in Deutschland unterwegs. Sie werden neuerdings in jedem Segment verkauft: egal ob Trekking- oder Cityrad, Mountainbike oder sogar Rennrad.
Die hohe Nachfrage und das knappe Angebot lassen allerdings die Gesetze der Marktwirtschaft greifen, die Kosten sind teilweise bis zu 15 Prozent gestiegen. Im vergangenen Jahr betrug der Durchschnittspreis für ein normales Fahrrad 630 Euro, für ein elektrisches 2975 Euro. Mittelfristig rechnet die Branche dennoch damit, dass jedes zweite neue Rad einen Motor haben wird.
Viele unterschätzen die Gefahr bei hohen Geschwindigkeiten
Die Stromer sind bei der Freizeitgestaltung aber schon allgegenwärtig. Immer mehr Menschen nutzen die elektrisierende Fortbewegung ganz bewusst, um an der frischen Luft gute Fitness zu erlangen oder zu erhalten. Mittlerweile ist das Laden des Akkus, was durchschnittlich nach etwa 100 Kilometern passieren muss, fernab der heimischen Steckdose an Tankstellen oder in Gaststätten möglich.
Doch Cornelius Blanke weiß, dass Nutzer sich im Alltag erst einmal an das veränderte Fahrverhalten gewöhnen müssen. „Das Pedelec ermöglicht, dass man auch in hügeligen Regionen ohne große Anstrengung Höhenmeter absolviert. Doch viele überschätzen ihr Können und unterschätzen die Besonderheiten beim Fahren. Bei 25 Kilometern pro Stunde sind manche überfordert. Das höhere Gewicht, die stärkeren Bremsen, die flotte Geschwindigkeit, die auch von Mitmenschen oft nicht sofort im Straßenverkehr erkannt wird, bergen Unfall-Potenziale“, sagt der Pressesprecher des ADAC Hessen-Thüringen.
Für seine Kursteilnehmer hatte er nur Lob parat. Sie fühlen sich nach den praktischen Tipps für SchaltVorgänge, Sitz-Einstellung, AkkuLadung, Brems-Steuerung, KurvenBewältigung oder für das Überqueren von Gleisen auch sicherer als zuvor. Und sie hatten Spaß. Der dann mit Freikarten der Thüringer Tourismus-GmbH in ein großes Staunen mündete – auf der Bundesgartenschau.