Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

„Ich war ein Wissenscha­ftsmanager“

Werner Bornkessel blickt zurück auf die Gründung der Ernst-Abbe-Hochschule

- Von Thomas Stridde

Die Schrittmac­her des Neuen wollen erst einmal gefunden sein – bei der Gründung der Ernst-AbbeHochsc­hule in Jena vor 30 Jahren hatte sich das mit Rektor Werner Bornkessel offenbar sehr gut gefügt.

Als Spezialist für wissenscha­ftlichen Gerätebau und Laser-Bearbeitun­g hatte sich Bornkessel an der damaligen Sektion Technologi­e der Universitä­t im Jahr 1987 entschloss­en, an die „Ingenieurs­chule für wissenscha­ftlichen Gerätebau Carl Zeiss“zu wechseln. Das sei die Chance gewesen, ein neues Laserlabor aufzubauen, für „Laser, die es gar nicht auf dem Markt gab“, sagt der heute 79-Jährige.

Und siehe: Der Standort der Ingenieurs­chule in der Carl-Zeiß-Promenade ist jener, an dem die ErnstAbbe-Hochschule (EAH) ihr Zuhause erhielt. Nur vollzog sich dieser Flaggenwec­hsel vor 30 Jahren nicht mit einem Abrakadabr­a. Tatsächlic­h war es eine aufreibend­e Geschichte, ehe Gründungsr­ektor Bornkessel seines Amtes walten konnte.

Kenner der Region

Werner Bornkessel erinnert sich, wie kurz nach der Wende an der Idee einer Fachhochsc­hule für ganz Thüringen geknobelt wurde, gemeinsam mit Gotha, Apolda, Nordhausen, Ilmenau. Wie die Initiatore­n „mit einem Lada nach Gießen“rollten, um an der dortigen FH einen Gründungsd­ekan ins Boot zu bekommen.

Viele Beteiligte hätten abwartend agiert. Es sei die Zeit gewesen, da der Wissenscha­ftsrat beauftragt war, die ostdeutsch­e Hochschull­andschaft zu evaluieren. Früh habe er über Mitglieder des Gremiums gehört: Das Know-How der Jenaer Ingenieurs­chule, das könnt Ihr als Nukleus für eine Fachhochsc­hule nehmen.

Wichtig sei die Rolle des damaligen Thüringer Wissenscha­ftsministe­rs Ulrich Fickel (FDP) gewesen. „Der hat konsequent Entscheidu­ngen getroffen“, lobr Bornkessel. Er selbst sei schließlic­h vom Staatssekr­etär zur Bewerbung auf den Gründungsr­ektor-Posten animiert worden. „Der hatte gesagt: ‘Es muss einer aus der Region sein, der das

Umfeld kennt. Dort kannst Du eigene Ideen umsetzen.’“

Und was war seine Grundidee? „Ich wollte eine starke angewandt forschungs­orientiert­e Institutio­n haben.“Mit Hilfe von Jenoptik-Chef Lothar Späth gelangte die CarlZeiss-Bibliothek an die neue Hochschule. Der Bestand sei in der DDR auf dem besten technisch-naturwisse­nschaftlic­hen Niveau gewesen. 400.000 Bücher, dazu die Patentrech­erchestell­e.

Standort Panzerschi­eßplatz?

Werner Bornkessel hatte erst nach Ende der Gründungsa­ktivitäten die Luft, sich auf eine Professur zu bewerben. Präzisions­technologi­e hieß das Fachgebiet. Heute sagt er, dass er auch Angebote aus dem Westen, aber gleichsam gute Ratgeber gehabt habe: „Wenn du da hingehst und kommst aus dem Osten, wirst du einen schwierige­n Stand haben.“

Eine der bedeutsams­ten Schwierigk­eiten zum Start der Hochschule war die Suche nach einem Standort. Ein Vorschlag waren die vormaligen Kasernen der Sowjetarme­e in Jena-Nord. Doch der Bund als Eigentümer habe sich nicht zur Altlasten-Beseitigun­g bekannt. Sogar die Bebauung des Panzerschi­eßplatzes Rothenstei­n samt ViertelStu­nden-S-Bahn nach Jena sei diskutiert worden. Heute sieht Bornkessel den Standort beidseits der Carl-Zeiß-Promenade als „das Beste, was uns passieren konnte“: Zeiss und Schott nebenan, das Stadtzentr­um nicht fern.

Bornkessel beschreibt, wie die Wände der heutigen Bibliothek von Petroleum durchsetzt waren, als der Schachtbau Nordhausen an die Umbauarbei­ten ging. So wirkten die Schneidöle der früheren ZeissOptik­fertigung nach. Nicht zu vergessen die später gebaute Fußgängerb­rücke

zur Verbindung der Trakte auf beiden Straßensei­ten.

Kampf um Personalst­ellen

Wichtige inhaltlich­e Weichen wurden gestellt, als die starke ingenieurw­issenschaf­tliche Komponente durch die Betriebswi­rtschaftsl­ehre (BWL) und Sozialwiss­enschaften im Gesamtange­bot ergänzt wurde. „Der Andrang auf diese Fächer war ungeheuer groß“, für BWL sei sehr schnell die Numerus-clausus-Hürde eingebaut worden. Und ja, die Ingenieurw­issenschaf­ten durch damalige Zeiten eines angespannt­en Arbeitsmar­ktes zu navigieren, das sei nicht leicht gewesen.

Bornkessel schreibt es sich gut, dass nicht zu viele der 20 Personalst­ellen der Ingenieurw­issenschaf­ten auf die BWL umgewidmet wurden. „Ich hab argumentie­rt: Wenn wir was wegrationa­lisieren, ist es auf immer weg.“Streit gab es auch darüber, wer wie viel Platz erhält: zwölf Quadratmet­er je IngenieurS­tudent, vier Quadratmet­er je BWLoder Sozialwiss­enschaftss­tudent. „Aber egal ob zehn oder zwanzig Ingenieur-Studenten – die Laborfläch­e musste da sein.“Immer wieder mussten Mehrheiten im Senat gesucht werden. „Da ging es nicht immer freundlich zu.“

Leider nicht Carl Zeiß

Und was ist ihm in seiner RektorenZe­it bis 2001 nicht gelungen? Werner Bornkessel wurmt es heute noch, dass im Konzil zwei Stimmen fehlten, um die Fachhochsc­hule nach Carl Zeiß zu benennen. Da seien Gegenargum­ente gekommen wie: Der FC Carl Zeiss sei doch gerade abgestiege­n. „Da war ich schwerst enttäuscht.“Mit dem Namen Carl Zeiß „hätten wir nicht mehr extra Werbung machen müssen für unsere Hochschule“.

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FOTO: THOMAS STRIDDE Der heute 79 Jahre alte Werner Bornkessel war Gründungsr­ektor der Ernst-Abbe-Hochschule.
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REPRO: TINO ZIPPEL Über die Pläne einer zukünftige­n Fachhochsc­hule berichtete die OTZ am 8. Juli 1991.
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