Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
„Ich war ein Wissenschaftsmanager“
Werner Bornkessel blickt zurück auf die Gründung der Ernst-Abbe-Hochschule
Die Schrittmacher des Neuen wollen erst einmal gefunden sein – bei der Gründung der Ernst-AbbeHochschule in Jena vor 30 Jahren hatte sich das mit Rektor Werner Bornkessel offenbar sehr gut gefügt.
Als Spezialist für wissenschaftlichen Gerätebau und Laser-Bearbeitung hatte sich Bornkessel an der damaligen Sektion Technologie der Universität im Jahr 1987 entschlossen, an die „Ingenieurschule für wissenschaftlichen Gerätebau Carl Zeiss“zu wechseln. Das sei die Chance gewesen, ein neues Laserlabor aufzubauen, für „Laser, die es gar nicht auf dem Markt gab“, sagt der heute 79-Jährige.
Und siehe: Der Standort der Ingenieurschule in der Carl-Zeiß-Promenade ist jener, an dem die ErnstAbbe-Hochschule (EAH) ihr Zuhause erhielt. Nur vollzog sich dieser Flaggenwechsel vor 30 Jahren nicht mit einem Abrakadabra. Tatsächlich war es eine aufreibende Geschichte, ehe Gründungsrektor Bornkessel seines Amtes walten konnte.
Kenner der Region
Werner Bornkessel erinnert sich, wie kurz nach der Wende an der Idee einer Fachhochschule für ganz Thüringen geknobelt wurde, gemeinsam mit Gotha, Apolda, Nordhausen, Ilmenau. Wie die Initiatoren „mit einem Lada nach Gießen“rollten, um an der dortigen FH einen Gründungsdekan ins Boot zu bekommen.
Viele Beteiligte hätten abwartend agiert. Es sei die Zeit gewesen, da der Wissenschaftsrat beauftragt war, die ostdeutsche Hochschullandschaft zu evaluieren. Früh habe er über Mitglieder des Gremiums gehört: Das Know-How der Jenaer Ingenieurschule, das könnt Ihr als Nukleus für eine Fachhochschule nehmen.
Wichtig sei die Rolle des damaligen Thüringer Wissenschaftsministers Ulrich Fickel (FDP) gewesen. „Der hat konsequent Entscheidungen getroffen“, lobr Bornkessel. Er selbst sei schließlich vom Staatssekretär zur Bewerbung auf den Gründungsrektor-Posten animiert worden. „Der hatte gesagt: ‘Es muss einer aus der Region sein, der das
Umfeld kennt. Dort kannst Du eigene Ideen umsetzen.’“
Und was war seine Grundidee? „Ich wollte eine starke angewandt forschungsorientierte Institution haben.“Mit Hilfe von Jenoptik-Chef Lothar Späth gelangte die CarlZeiss-Bibliothek an die neue Hochschule. Der Bestand sei in der DDR auf dem besten technisch-naturwissenschaftlichen Niveau gewesen. 400.000 Bücher, dazu die Patentrecherchestelle.
Standort Panzerschießplatz?
Werner Bornkessel hatte erst nach Ende der Gründungsaktivitäten die Luft, sich auf eine Professur zu bewerben. Präzisionstechnologie hieß das Fachgebiet. Heute sagt er, dass er auch Angebote aus dem Westen, aber gleichsam gute Ratgeber gehabt habe: „Wenn du da hingehst und kommst aus dem Osten, wirst du einen schwierigen Stand haben.“
Eine der bedeutsamsten Schwierigkeiten zum Start der Hochschule war die Suche nach einem Standort. Ein Vorschlag waren die vormaligen Kasernen der Sowjetarmee in Jena-Nord. Doch der Bund als Eigentümer habe sich nicht zur Altlasten-Beseitigung bekannt. Sogar die Bebauung des Panzerschießplatzes Rothenstein samt ViertelStunden-S-Bahn nach Jena sei diskutiert worden. Heute sieht Bornkessel den Standort beidseits der Carl-Zeiß-Promenade als „das Beste, was uns passieren konnte“: Zeiss und Schott nebenan, das Stadtzentrum nicht fern.
Bornkessel beschreibt, wie die Wände der heutigen Bibliothek von Petroleum durchsetzt waren, als der Schachtbau Nordhausen an die Umbauarbeiten ging. So wirkten die Schneidöle der früheren ZeissOptikfertigung nach. Nicht zu vergessen die später gebaute Fußgängerbrücke
zur Verbindung der Trakte auf beiden Straßenseiten.
Kampf um Personalstellen
Wichtige inhaltliche Weichen wurden gestellt, als die starke ingenieurwissenschaftliche Komponente durch die Betriebswirtschaftslehre (BWL) und Sozialwissenschaften im Gesamtangebot ergänzt wurde. „Der Andrang auf diese Fächer war ungeheuer groß“, für BWL sei sehr schnell die Numerus-clausus-Hürde eingebaut worden. Und ja, die Ingenieurwissenschaften durch damalige Zeiten eines angespannten Arbeitsmarktes zu navigieren, das sei nicht leicht gewesen.
Bornkessel schreibt es sich gut, dass nicht zu viele der 20 Personalstellen der Ingenieurwissenschaften auf die BWL umgewidmet wurden. „Ich hab argumentiert: Wenn wir was wegrationalisieren, ist es auf immer weg.“Streit gab es auch darüber, wer wie viel Platz erhält: zwölf Quadratmeter je IngenieurStudent, vier Quadratmeter je BWLoder Sozialwissenschaftsstudent. „Aber egal ob zehn oder zwanzig Ingenieur-Studenten – die Laborfläche musste da sein.“Immer wieder mussten Mehrheiten im Senat gesucht werden. „Da ging es nicht immer freundlich zu.“
Leider nicht Carl Zeiß
Und was ist ihm in seiner RektorenZeit bis 2001 nicht gelungen? Werner Bornkessel wurmt es heute noch, dass im Konzil zwei Stimmen fehlten, um die Fachhochschule nach Carl Zeiß zu benennen. Da seien Gegenargumente gekommen wie: Der FC Carl Zeiss sei doch gerade abgestiegen. „Da war ich schwerst enttäuscht.“Mit dem Namen Carl Zeiß „hätten wir nicht mehr extra Werbung machen müssen für unsere Hochschule“.