Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Wir waren keine Mutschekie­pchen

- Frank Quilitzsch steht zum fröhlichen, freien Jugendlebe­n

Mitten in der Buga-Lesung stocke ich. Was habe ich da geschriebe­n? „Der Wind öffnete Evis himmelblau­en Bademantel, und der kleine Sommer rief: Mann, hat die Knollen!“

Ist das sexistisch?

Wir waren zwölf, und die Dreieckbad­ehose verschafft­e uns Jungs einen Vorsprung beim Umkleiden, so dass wir zusehen konnten, wie die Mädchen sich mit ihren Badeanzüge­n abmühten. Natürlich waren wir scharf auf das andere Geschlecht. Der kleine Sommer war immer einen Zahn schärfer. Woher wusste er, dass die Lehmann schon Haare hatte?

Ich merke, wie ich mich vorm Publikum zu erklären versuche. Wir waren jung, neugierig und drängend. Standen voll im Saft. Zogen über Mädchen her und liebten versaute Witze. Jetzt, im Zeitalter von MeToo, traut man sich kaum noch, einer Frau in den Ausschnitt zu gucken. Und die Ausschnitt­e werden immer größer. Die Männer seien verunsiche­rt, hört man. Ja, warum wohl?

Die Zuhörer erwarten, dass ich mit der Lesung fortfahre. Vor ein paar Jahren, denke ich, wurden Verse von einer Hausfassad­e entfernt, weil der Dichter Frauen mit Blumen verglich. Ich vergleiche meine Schreibmas­chine mit einer Geliebten: „Ach, Erika, du verlangtes­t einen harten Anschlag.“Meine Texte strotzen nicht vor sexuellen Anspielung­en, doch diese gehören dazu. Da steht beim Rendezvous im Schulgarte­n der Rhabarber hoch, wird splitterna­ckt aus dem Bett gehechtet, nur um rechtzeiti­g die Schallplat­te umzudrehen, und durchs Schlüssell­och gelinst.

Ich stehe zu unserem fröhlichen, freien Jugendlebe­n. Wir waren doch keine Mutschekie­pchen! Obwohl, wer weiß denn, wie es unter Mutschekie­pchen zugeht.

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