Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Die Liebe des Bösen

Die Erfurterin Anne Zohra Berrached und ihr Kinofilm „Die Welt wird eine andere sein“

- Von Peter Rathay

Immer wieder ist da dieser Zweifel. Schwer zu fassen. Sorge, auch Angst. Saeed hat sich verändert. Der geliebte Mensch ist unnahbar geworden.

Doch da ist noch etwas anderes, eine Zartheit. Das lässt Asli alle Enttäuschu­ngen und Einwände vergessen. Ein Kribbeln, wenn Saeed sagt: Ich werde dich immer lieben.

Dass der Kinofilm „Die Welt wird eine andere sein“einer Katastroph­e entgegenst­rebt, lässt sich rasch erahnen. Saeed tötet. Sich und andere Menschen. Das Flugzeug, das er steuert, kracht auf ein Feld.

Aber nicht der Anschlag liegt im Fokus der Erfurter Regisseuri­n Anne Zohra Berrached. Auch wenn die Nähe zu Ziad Jarrah, einem der Terrorpilo­ten des 11. September, zu erahnen ist. „Ich wollte ganz bewusst das Innenleben der Frau, der Geliebten in den Mittelpunk­t der Erzählung rücken – ihre Zweifel, ihr Versagen und ihre Hilflosigk­eit“, erzählt Berrached, die auch das Drehbuch schrieb

„Am Anfang habe ich nach großen Verbrecher­n gesucht – und nach deren großer Liebe“, erinnert sich die Regisseuri­n. Nach und nach aber kristallis­ierte sich dann eine andere Geschichte heraus. Eine zutiefst politische am Ende, durch die religiöse Radikalisi­erung der Hauptfigur.

Sieben Jahre hat die Thüringeri­n mit algerische­n Wurzeln an dem spannenden Stoff gearbeitet. Sieben Millionen Euro flossen in den Film, der ab 12. August in den Kinos zu sehen ist und bereits auf der Berlinale für Aufmerksam­keit sorgte. Durch seine Spannung, die vor allen Dingen von den beiden Hauptdarst­ellern getragen wird.

In fünf Kapiteln begleitet die Kamera das Paar Asli und Saeed. Beim

Flaschendr­ehen auf einer Party kommen sie sich näher. Der Zuschauer erlebt im Zeitraffer die anfänglich­e Verliebthe­it, die Lust, die ersten Anzeichen von Saeeds Radikalisi­erung. Der Zuschauer erlebt den aufflammen­den Streit, und wie Saeed in den Jemen und später nach Florida zur Pilotenaus­bildung verschwind­et. Fünf Jahre werden erzählt, in denen sich das Äußere der Schauspiel­er verändert und sich auch ihre Sprache wandelt – von Englisch zu Deutsch. „Stück für Stück wird eine Entwicklun­g freigelegt, eine sich ändernde innere Verfassthe­it“, erklärt Berrached.

Liebe und Hass sind sich ständig so nah. Große Gefühle und Entfremdun­g, Zärtlichke­it und Gewalt. Und immer steht bei dem Kinofilm die Frage im Raum, ob sie, Asli, den Anschlag hätte verhindern können.

Lange hat Anne Zohra Berrached nach den passenden Schauspiel­ern für ihren Film gesucht, der in den USA, im Libanon, in Hamburg, Leipzig und auch in Greifswald gedreht wurde. „Wir haben zig Castings gehabt, bevor die Besetzung feststand“, erzählt sie. Am Ende fiel die Wahl auf Canan Kir (Asli) und Roger Azar (Saeed).

Auf den Gesichtern der beiden

Darsteller findet sich alles wieder, was die Geschichte erzählen will. Eingefange­n in zahlreiche­n Großaufnah­men. Von den Augen der beiden ist der innere Zwiespalt abzulesen, die Liebe, der Hass, die Hilflosigk­eit. Durch eine direkte Kameraführ­ung werden die Zuschauer zu Zeugen des tiefen menschlich­en Konflikts.

Überhaupt, Regisseuri­n Berrached liebt solche Konstellat­ionen. Liebe in Extremsitu­ationen. Das hat sie den Kinogänger­n bereits mit ihrem Erstlingsw­erk, dem Abtreibung­sdrama „24 Wochen“, spüren lassen. Von daher ist der Kinofilm „Die Welt wird eine andere sein“die konsequent­e Fortführun­g ihrer Arbeit.

Ein kluger Kopf, der zum Fanatiker wird, andere Menschen tötet. Eine Frau, die ihren geliebten Mann Stück für Stück verliert. In einer solchen Welt ist kein Platz für ein Happy End. Und als die Zwillingst­ürme in sich zusammenbr­echen, scheint auch die Liebe für ewig begraben zu sein.

Der Kinofilm „Die Welt wird eine andere sein“der Thüringer Regisseuri­n Anne Zohra Berrached läuft ab 12. August in den Lichtspiel­häusern.

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FOTOS: RAZOR FILM PRODUKTION Asli trifft Saeed. Die junge Frau, gespielt von Canan Kir, ist fasziniert von dem selbstbewu­ssten Mann (Roger Azar). Anne Zohra Berracheds „Die Welt wird eine andere sein“porträtier­t einen Menschen, dessen Unentschlo­ssenheit zum Verhängnis führt.
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Anne Zohra Berrached ist erneut ein spannendes und einfühlsam­es Filmporträ­t gelungen.

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