Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Die Liebe des Bösen
Die Erfurterin Anne Zohra Berrached und ihr Kinofilm „Die Welt wird eine andere sein“
Immer wieder ist da dieser Zweifel. Schwer zu fassen. Sorge, auch Angst. Saeed hat sich verändert. Der geliebte Mensch ist unnahbar geworden.
Doch da ist noch etwas anderes, eine Zartheit. Das lässt Asli alle Enttäuschungen und Einwände vergessen. Ein Kribbeln, wenn Saeed sagt: Ich werde dich immer lieben.
Dass der Kinofilm „Die Welt wird eine andere sein“einer Katastrophe entgegenstrebt, lässt sich rasch erahnen. Saeed tötet. Sich und andere Menschen. Das Flugzeug, das er steuert, kracht auf ein Feld.
Aber nicht der Anschlag liegt im Fokus der Erfurter Regisseurin Anne Zohra Berrached. Auch wenn die Nähe zu Ziad Jarrah, einem der Terrorpiloten des 11. September, zu erahnen ist. „Ich wollte ganz bewusst das Innenleben der Frau, der Geliebten in den Mittelpunkt der Erzählung rücken – ihre Zweifel, ihr Versagen und ihre Hilflosigkeit“, erzählt Berrached, die auch das Drehbuch schrieb
„Am Anfang habe ich nach großen Verbrechern gesucht – und nach deren großer Liebe“, erinnert sich die Regisseurin. Nach und nach aber kristallisierte sich dann eine andere Geschichte heraus. Eine zutiefst politische am Ende, durch die religiöse Radikalisierung der Hauptfigur.
Sieben Jahre hat die Thüringerin mit algerischen Wurzeln an dem spannenden Stoff gearbeitet. Sieben Millionen Euro flossen in den Film, der ab 12. August in den Kinos zu sehen ist und bereits auf der Berlinale für Aufmerksamkeit sorgte. Durch seine Spannung, die vor allen Dingen von den beiden Hauptdarstellern getragen wird.
In fünf Kapiteln begleitet die Kamera das Paar Asli und Saeed. Beim
Flaschendrehen auf einer Party kommen sie sich näher. Der Zuschauer erlebt im Zeitraffer die anfängliche Verliebtheit, die Lust, die ersten Anzeichen von Saeeds Radikalisierung. Der Zuschauer erlebt den aufflammenden Streit, und wie Saeed in den Jemen und später nach Florida zur Pilotenausbildung verschwindet. Fünf Jahre werden erzählt, in denen sich das Äußere der Schauspieler verändert und sich auch ihre Sprache wandelt – von Englisch zu Deutsch. „Stück für Stück wird eine Entwicklung freigelegt, eine sich ändernde innere Verfasstheit“, erklärt Berrached.
Liebe und Hass sind sich ständig so nah. Große Gefühle und Entfremdung, Zärtlichkeit und Gewalt. Und immer steht bei dem Kinofilm die Frage im Raum, ob sie, Asli, den Anschlag hätte verhindern können.
Lange hat Anne Zohra Berrached nach den passenden Schauspielern für ihren Film gesucht, der in den USA, im Libanon, in Hamburg, Leipzig und auch in Greifswald gedreht wurde. „Wir haben zig Castings gehabt, bevor die Besetzung feststand“, erzählt sie. Am Ende fiel die Wahl auf Canan Kir (Asli) und Roger Azar (Saeed).
Auf den Gesichtern der beiden
Darsteller findet sich alles wieder, was die Geschichte erzählen will. Eingefangen in zahlreichen Großaufnahmen. Von den Augen der beiden ist der innere Zwiespalt abzulesen, die Liebe, der Hass, die Hilflosigkeit. Durch eine direkte Kameraführung werden die Zuschauer zu Zeugen des tiefen menschlichen Konflikts.
Überhaupt, Regisseurin Berrached liebt solche Konstellationen. Liebe in Extremsituationen. Das hat sie den Kinogängern bereits mit ihrem Erstlingswerk, dem Abtreibungsdrama „24 Wochen“, spüren lassen. Von daher ist der Kinofilm „Die Welt wird eine andere sein“die konsequente Fortführung ihrer Arbeit.
Ein kluger Kopf, der zum Fanatiker wird, andere Menschen tötet. Eine Frau, die ihren geliebten Mann Stück für Stück verliert. In einer solchen Welt ist kein Platz für ein Happy End. Und als die Zwillingstürme in sich zusammenbrechen, scheint auch die Liebe für ewig begraben zu sein.
Der Kinofilm „Die Welt wird eine andere sein“der Thüringer Regisseurin Anne Zohra Berrached läuft ab 12. August in den Lichtspielhäusern.