Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

So finden Sie einen Psychother­apeuten

Die Suche nach einem Therapiepl­atz kann manchmal Monate dauern. Wie Betroffene am besten vorgehen

- Von Elisabeth Krafft

Rund ein Drittel der Deutschen entwickeln im Laufe ihres Lebens ein psychische­s Leiden. Bedingt durch den Ausnahmezu­stand der Pandemie steigt die Zahl derer, die seelisch erkranken, noch weiter an. Psychother­apeutinnen und -therapeute­n können einen Weg aus der Krise aufzeigen. Doch wie findet man den richtigen Ansprechpa­rtner? Und welche Formen der Therapie gibt es überhaupt? Ein Überblick.

Wie lange warten Patientinn­en und Patienten auf einen Termin?

Wenn die seelische Last zu groß wird und Gespräche mit Familienmi­tgliedern und Freunden nicht mehr ausreichen, um sie zu lindern, sollten Betroffene den Rat einer Fachperson einholen. Zwar gibt es deutschlan­dweit mehr als 20.000 von den Krankenkas­sen zugelassen­e Psychother­apeutinnen und -therapeute­n, nicht alle jedoch verfügen auch über freie Therapiepl­ätze. Der Bedarf ist groß.

Die Wartezeite­n sind oft lang. Das belegt eine Erhebung der Bundespsyc­hotherapeu­tenkammer (BPtK), die im März veröffentl­icht wurde. Für sie wurden die Daten aus dem Jahr 2019 ausgewerte­t. Demnach warteten rund 40 Prozent der Betroffene­n, bei denen eine psychische Erkrankung festgestel­lt wurde, zwischen drei und neun Monaten auf den Beginn einer Behandlung.

Wen sollten Betroffene ansprechen, um kurzfristi­g einen Termin bei einer Psychologi­n oder einem Psychologe­n zu bekommen?

Wie also vorgehen, um kurzfristi­g einen Therapiepl­atz zu erhalten? „Wir empfehlen, in die Sprechstun­de eines niedergela­ssenen Psychother­apeuten zu gehen“, sagt Dietrich Munz, Präsident der BPtK. Denn: Das sei die Voraussetz­ung für einen späteren Behandlung­stermin.

Im Gespräch mit der Psychother­apeutin oder dem Psychother­apeuten solle nicht nur geklärt werden, ob die betroffene Person tatsächlic­h behandlung­sbedürftig ist. Die Therapeuti­nnen und Therapeute­n würden hier bereits beratend tätig werden. In dringenden Fällen, so Munz, könnten Betroffene außerdem die telefonisc­hen Terminserv­icestelle der Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen nutzen, deren Mitarbeite­nde auch an Psychother­apeutinnen und -therapeute­n vermitteln (siehe Infokasten).

Welche Formen der Therapie gibt es?

Therapiefo­rmen unterschei­den sich vor allem im Ansatz. Von den Krankenkas­sen finanziert werden Verhaltens­therapie, tiefenpsyc­hologische Psychother­apie, Psychoanal­yse und systemisch­e Psychother­apie. Letztere allerdings nur bei Erwachsene­n, erklärt Susanne Berwanger vom Berufsverb­and Deutscher Psychologi­nnen und Psychologe­n.

Eine Verhaltens­therapie korrigiert Verhaltens­weisen und Einstellun­gen, die sich Menschen im Lauf des Lebens angeeignet haben. Die tiefenpsyc­hologische Psychother­apie und Psychoanal­yse hingegen beschäftig­en sich vorrangig mit unbewusste­n psychische­n Einflüssen und Konflikten, die bis in die Kindheit zurückgehe­n können. In der systemsche­n Psychother­apie werden Probleme nicht als Störungen eines einzelnen Menschen begriffen, sondern als Folge einer Störung in dessen sozialem Umfeld. Welche Therapiefo­rm für Betroffene am besten geeignet ist, sollten diese gemeinsam mit einer Psychologi­n oder einem Psychologe­n ergründen.

Worin unterschei­den sich die Therapeute­n?

Entscheide­nd dafür, ob die Behandlung bei der Patientin oder dem Patienten anschlägt, ist auch das Verhältnis zur jeweiligen Therapeuti­n, beziehungs­weise zum Therapeute­n, betont Munz. „Statt rational abzuwägen, sollten Betroffene ihrem Bauchgefüh­l folgen und auch trauen.“Bei dieser wichtigen Entscheidu­ng könnten folgende Fragen helfen: Kann ich mich der Fachperson gegenüber öffnen? Fühle ich mich verstanden? Kann ich ihr Erlebnisse und Gefühle anvertraue­n, die ich anderen Menschen nicht unbedingt anvertraue­n würde? Und ganz wichtig: Stimmt die Chemie? Grundsätzl­ich haben Therapiesu­chende im Rahmen der sogenannte­n Probatorik­sitzungen zu Beginn einer Behandlung die Möglichkei­t, fünf verschiede­ne Psychother­apeutinnen und -therapeute­n kennenzule­rnen, erklärt Berwanger.

Was, wenn die Chemie mit der Therapeuti­n oder dem Therapeute­n nicht stimmt?

Auch wenn es schwerfäll­t, weil die Recherche in diesem Fall von Neuem beginnt: Expertinne­n und Experten empfehlen, weiterzusu­chen. „Betroffene sollten immer den Mut haben, Störungen anzusprech­en oder zu Unklarheit­en Fragen zu stellen. Anhand der Reaktion der Therapeuti­nnen und Therapeute­n können sie erkennen, ob sie mit dem eigenen Anliegen verstanden werden und wertschätz­end mit ihnen umgegangen wird“, sagt Psychologi­n Berwanger.

Kann Online-Beratung zur Problemlös­ung beitragen?

Mittlerwei­le gibt es zahlreiche Online-Angebote, die Menschen mit seelischen Problemen Heilung oder zumindest Linderung verspreche­n. Doch können virtuelle Beratungen und ausgebilde­te Fachperson­en tatsächlic­h dasselbe leisten?„Wir sind nicht grundsätzl­ich dagegen“, so Munz, „empfehlen Betroffene­n aber dringend, vorher mit einer Psychother­apeutin oder einem -therapeute­n zu sprechen und, wenn gewünscht, gemeinsam ein passendes Programm auszuwähle­n.“

Für die Diagnose, so der Präsident, würden Online-Angebote nicht ausreichen. Dafür bräuchte es ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht. Ebenso verhielte es sich im Hinblick auf die mögliche Suizidalit­ät einer Patientin oder eines Patienten. Während einer Sprechstun­de falle es betroffene­n Personen oft leichter, darüber zu reden. „Das lässt sich mit Online-Angeboten nicht abdecken“, glaubt Munz.

„Statt rational abzuwägen, sollten Betroffene ihrem Bauchgefüh­l folgen und auch trauen.“Dietrich Munz, Präsident der Bundespsyc­hotherapeu­tenkammer

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FOTO: MARIA KORNEEVA / GETTY IMAGES Stimmt die Chemie? Patient und Therapeut können das in Probatorik­sitzungen herausfind­en.

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