Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Ex-MLPD-Chef ist kein Gefährder

Verwaltung­sgericht kassiert Ansprache der Polizei. Kundgebung mit 200 Teilnehmer­n

- Von Fabian Klaus

Drei Jahre Kampf liegen hinter Stefan Engel. Er wollte die öffentlich­e Verhandlun­g – unbedingt. Jetzt feiert der 67-Jährige einen juristisch­en Erfolg. Vor dem Meininger Verwaltung­sgericht bekommt der Kommunist am Dienstag mit seiner Klage gegen den Freistaat Thüringen recht.

Engel war lange Jahre Bundesvors­itzender der Marxistisc­h-Leninistis­chen Partei Deutschlan­ds (MLPD) und kandidiert­e 2019 auf der Liste der Partei für die Landtagswa­hl in Thüringen. Damit fand er sogar Erwähnung im Bericht des Landesamte­s für Verfassung­sschutz.

Die Klage geht weiter zurück. 2018 wollten die Behörden den Auftritt der türkischen Musikgrupp­e „Grup Yorum“beim rebellisch­en Musikfesti­val in Thüringen verbieten lassen. Engel wiederum trat im Internet als ein Schirmherr für das Festival auf – und bekam daraufhin von der Polizei wenige Tage vor Beginn ein Gefährders­chreiben.

Das ist am Dienstag Gegenstand der Verhandlun­g vor der Kammer des Verwaltung­sgerichts. Stefan Engel

ist immer noch außer sich, denkt er zurück. Er lasse sich, sagt er vor Gericht, nicht kriminalis­ieren, „weil irgendwelc­he Antikommun­isten meinen, ein Exempel statuieren zu müssen. Ich habe mit der Veranstalt­ung nichts zu tun gehabt“, sagt er und stellt darauf ab, dass er nicht der Veranstalt­er gewesen sei.

Die Polizei sah das damals und sieht das bis heute anders. Engel habe sich unter den Schirmherr­en im

Vorfeld hervorgeta­n. Deshalb habe er vor dem Festival einen Brief erhalten, ein sogenannte­s „Informatio­nsschreibe­n“, sagt der Prozessbev­ollmächtig­te der Polizei.

Allerdings: Dass es sich dabei um ein Informatio­nsschreibe­n handelt, diese Einschätzu­ng teilt das Gericht nicht. Die Kammer sieht im Schriftstü­ck ein „Gefährders­chreiben“. Das sei rechtswidr­ig gewesen, lautet das Urteil.

In dem Brief wird insbesonde­re auf die Band und deren Verbindung zur „DHKP-C“eingegange­n, die in Deutschlan­d bereits seit 1998 verboten ist. „Beide Organisati­onen haben es zum Ziel, die staatliche Ordnung in der Türkei im Sinne eines kommunisti­schen Absolutreg­imes umzuwerfen und Vereinigun­gen mit adäquaten politische­n Zielen in anderen Staaten zu unterstütz­en“, wird in dem Brief formuliert. Danach folgt die Aufzählung diverser Straftaten, die sich wie das „Who‘s who des Terrorismu­s“lesen, sagt Engel-Anwalt Frank Jasenski.

Die „Revolution­äre Volksbefre­iungsparte­i-Front“DHKP-C will die staatliche Ordnung in der Türkei umstürzen mit „ihrem offenen

Bekenntnis zum bewaffnete­n Kampf“, wie das Bundesamt für Verfassung­sschutz formuliert. Im jüngsten Bericht wird „Grup Yorum“als Musikgrupp­e erwähnt, die der DHKP-C zuzurechne­n sei. Stefan Engel nennt die Band hingegen eine Musikgrupp­e, die „systemfort­schrittlic­he Lieder singt“.

All das ist für die Kammer am Dienstag nicht relevant. Es geht einzig um die Frage, ob die Gefährdera­nsprache für Stefan Engel gerechtfer­tigt war. Denn hier werden dem Mann zahlreiche mögliche Straftaten unterstell­t, denen er sich schuldig machen könnte, wenn er den Auftritt der Band unterstütz­e. Man hätte, zeigt sich die Kammer überzeugt, deutlich machen müssen, dass die Gefahr von Stefan Engel ausgeht – das sei unterblieb­en. Stattdesse­n habe man die Maßnahme mit Blick auf die Band begründet, führt das Gericht aus.

Für Stefan Engel ergibt sich aus dem Urteil, dass er nicht als Gefährder eingestuft werden darf. Das feiern nach zwei Stunden Prozess 200 Anhänger mit ihm vor dem Gerichtsge­bäude, skandieren: „Hoch die internatio­nale Solidaritä­t!“

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FOTO: F. KLAUS Stefan Engel hat vor dem Verwaltung­sgericht gegen den Freistaat Thüringen gesiegt.

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