Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Wirtschaftsforscher wollen Ehegattensplitting erhalten
Arbeitgebernahes Institut der deutschen Wirtschaft befürchtet andernfalls weiteren Bedeutungsverlust der Ehe
Das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln befürchtet einen anhaltenden Bedeutungsverlust der Ehe, sollte es zu einer Reform des Ehegattensplittings kommen. Das geht aus einer Studie hervor, die unserer Redaktion vorliegt. Demnach sieht das IW den Negativtrend bei der Ehe in Deutschland gerade als gestoppt an.
Eine Neugestaltung der Besteuerung könne die finanzielle Attraktivität der Ehe für Paare senken, heißt es in der Studie. „Dies könnte zur
Folge haben, dass der Bedeutungsverlust der Ehe wieder voranschreitet“, schreibt Studienautor Wido Geis-Thöne. Der IW-Ökonom plädiert stattdessen für eine „Überprüfung des ehepolitischen Rahmens“.
Vor allem müsse der Wissenschaftsstand von Paaren über Schutz und Rechtsfolgen der Ehe verbessert werden. „Gleichzeitig sollte auch über eine Weiterentwicklung der Rechte bei einer gemeinsamen Elternschaft ohne Ehe nachgedacht werden“, heißt es weiter. Väter und Mütter hätten für die Zeit der Partnerschaft mit Kind bisher keinen Anspruch auf einen Vermögensausgleich.
Das Ehegattensplitting ist umstritten. Da der Zweitverdienst in einer Ehe verhältnismäßig hoch besteuert wird, schafft er keine Anreize zur Erwerbstätigkeit, argumentieren Kritiker. Vor allem Frauen seien daher in dem Modell benachteiligt. Jüngst kam das Essener RWI Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in einer Studie zu dem Schluss, dass eine Abschaffung des Ehegattensplittings eine halbe Million neue Jobs schaffen und ein Wirtschaftswachstum von bis zu 1,5 Prozent auslösen könnte.
Die jüngste Entwicklung bei den Ehen stimmte die Kölner Ökonomen optimistisch. Im Corona-Jahr 2020 sank zwar die Zahl der Eheschließungen
von 416.000 auf rund 373.000 Ehen. „Dabei wäre vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie, die Hochzeitsfeiern in großen Teilen des Jahres nahezu unmöglich gemacht hat, ein noch weit stärkerer Einbruch vorstellbar gewesen“, heißt es in der Studie.
Gegen den Bedeutungsverlust der Ehe könnte laut der IW-Studie auch die gleichgeschlechtliche Ehe helfen. „Der Anteil der gleichgeschlechtlichen Ehen an allen Ehen ist niedrig, könnte aber in den nächsten Jahren leicht steigen“, prognostiziert Geis-Thöne.