Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Jenaer Schau würdigt Peter Schnürpel, einen der wichtigste­n Künstler Mitteldeut­schlands

- Von Ulrike Merkel Peter Schnürpel im Jahr 2016

Peter Schnürpel startet 2015 ein ungewöhnli­ches Projekt: Knapp zwei Jahre lang zeichnet er jeden Abend kurz vor dem Schlafenge­hen eine Zeichnung. Im Zimmer ist es dunkel. Er kann gerade mal die Umrisse des Blattes erkennen. Inspiriert zur Serie „Nacht und Tag“wurde der Künstler von den Surrealist­en und ihrer Methode des automatisc­hen Schreibens. Es geht ihm um die Erforschun­g der eigenen unbewusste­n Automatism­en. Am nächsten Morgen gestattet er sich jeweils noch drei Korrekture­n, wie Hannah Sachsenmai­er berichtet.

Die junge Kunsthisto­rikerin hat die neue Sonderscha­u der Kunstsamml­ung Jena kuratiert. Zum 80. Geburtstag des renommiert­en Altenburge­r Künstler widmet das Haus ihm eine umfangreic­he Ausstellun­g.

Das Projekt „Nacht und Tag“beendet Schnürpel nach etwa 500

Arbeiten. Zusehends hatte er sich auf ein Thema konzentrie­rt: auf den griechisch­en Marsyas-Mythos.

Auch dazu sind Arbeiten in der Ausstellun­g zu sehen. Der griechisch­en Mythologie zufolge forderte der Satyr Marsyas einst Gott Apollon heraus, sich mit ihm im Flötenspie­l zu messen. Da ein Gott niemals gern verliert, verfiel Apollon auf eine List. Er forderte, die Flöte müsse verkehrt herum gespielt werden. Apollon gewinnt daraufhin, Marsyas wird bestraft: Er wird bei lebendigem Leib gehäutet. Mit seiner krakeligen, expressive­n Handschrif­t hält Schnürpel die tödliche Folter fest.

1941 in Leipzig geboren, schwankt Peter Schnürpel nach dem Abitur zwischen Schauspiel und Kunst. Doch als ihn die Hochschule für Grafik und Buchkunst annimmt, entscheide­t quasi das Schicksal über sein weiteres Leben. Zu seinen Lehrern gehören seinerzeit Bernhard Heisig und Wolfgang

Mattheuer. Dennoch zählt er eher zum Umfeld der legendären Leipziger Malerschul­e. Schnürpel zieht es zur Grafik. Und zur Lehre. Zunächst unterricht­et er Kunstlehre­r an der Universitä­t Leipzig. 1978, nach dem Umzug nach Altenburg, erhält er einen Lehrauftra­g an der Fachschule für Angewandte Kunst in Schneeberg. Nach der Wende wird er dort mit überwältig­ender Mehrheit sogar zum Direktor gewählt und kämpft erfolgreic­h für den Fortbestan­d der Schule. Auch in seiner Wahlheimat Altenburg engagiert er sich, begleitet unter anderem im Fördervere­in die Entwicklun­gen des Lindenau-Museums. Peter Schnürpel geht es in seiner

Kunst in erster Linie um den Menschen. Durch seine serielle Arbeitswei­se scheint er sich regelrecht an bestimmten Motiven abzuarbeit­en, etwa dem „Läufer“, dem „Träger“oder den „Burlesken“. Neben der menschlich­en Bewegung setzt er sich auch mit Emotionen auseinande­r mit Schmerz, Leid, Empathie, Erotik und Tod. Seine Blätter entfalten oft erst auf den zweiten Blick ihre unglaublic­he Faszinatio­n.

Auch Übermalung­en sind typisch für Schnürpel. Auf die Idee brachte ihn einst ein Max-Beckmann-Projekt. Für eine Kunstmappe zum Gedenken an den Kollegen zeichnete Peter Schnürpel Beckmanns Tod in den Straßen von New York inmitten von Passanten. Da ihm die Arbeit jedoch zu dekorativ erschien, übermalte er sie kurzerhand.

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FOTO: ULRIKE KERN

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