Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Jenaer Schau würdigt Peter Schnürpel, einen der wichtigsten Künstler Mitteldeutschlands
Peter Schnürpel startet 2015 ein ungewöhnliches Projekt: Knapp zwei Jahre lang zeichnet er jeden Abend kurz vor dem Schlafengehen eine Zeichnung. Im Zimmer ist es dunkel. Er kann gerade mal die Umrisse des Blattes erkennen. Inspiriert zur Serie „Nacht und Tag“wurde der Künstler von den Surrealisten und ihrer Methode des automatischen Schreibens. Es geht ihm um die Erforschung der eigenen unbewussten Automatismen. Am nächsten Morgen gestattet er sich jeweils noch drei Korrekturen, wie Hannah Sachsenmaier berichtet.
Die junge Kunsthistorikerin hat die neue Sonderschau der Kunstsammlung Jena kuratiert. Zum 80. Geburtstag des renommierten Altenburger Künstler widmet das Haus ihm eine umfangreiche Ausstellung.
Das Projekt „Nacht und Tag“beendet Schnürpel nach etwa 500
Arbeiten. Zusehends hatte er sich auf ein Thema konzentriert: auf den griechischen Marsyas-Mythos.
Auch dazu sind Arbeiten in der Ausstellung zu sehen. Der griechischen Mythologie zufolge forderte der Satyr Marsyas einst Gott Apollon heraus, sich mit ihm im Flötenspiel zu messen. Da ein Gott niemals gern verliert, verfiel Apollon auf eine List. Er forderte, die Flöte müsse verkehrt herum gespielt werden. Apollon gewinnt daraufhin, Marsyas wird bestraft: Er wird bei lebendigem Leib gehäutet. Mit seiner krakeligen, expressiven Handschrift hält Schnürpel die tödliche Folter fest.
1941 in Leipzig geboren, schwankt Peter Schnürpel nach dem Abitur zwischen Schauspiel und Kunst. Doch als ihn die Hochschule für Grafik und Buchkunst annimmt, entscheidet quasi das Schicksal über sein weiteres Leben. Zu seinen Lehrern gehören seinerzeit Bernhard Heisig und Wolfgang
Mattheuer. Dennoch zählt er eher zum Umfeld der legendären Leipziger Malerschule. Schnürpel zieht es zur Grafik. Und zur Lehre. Zunächst unterrichtet er Kunstlehrer an der Universität Leipzig. 1978, nach dem Umzug nach Altenburg, erhält er einen Lehrauftrag an der Fachschule für Angewandte Kunst in Schneeberg. Nach der Wende wird er dort mit überwältigender Mehrheit sogar zum Direktor gewählt und kämpft erfolgreich für den Fortbestand der Schule. Auch in seiner Wahlheimat Altenburg engagiert er sich, begleitet unter anderem im Förderverein die Entwicklungen des Lindenau-Museums. Peter Schnürpel geht es in seiner
Kunst in erster Linie um den Menschen. Durch seine serielle Arbeitsweise scheint er sich regelrecht an bestimmten Motiven abzuarbeiten, etwa dem „Läufer“, dem „Träger“oder den „Burlesken“. Neben der menschlichen Bewegung setzt er sich auch mit Emotionen auseinander mit Schmerz, Leid, Empathie, Erotik und Tod. Seine Blätter entfalten oft erst auf den zweiten Blick ihre unglaubliche Faszination.
Auch Übermalungen sind typisch für Schnürpel. Auf die Idee brachte ihn einst ein Max-Beckmann-Projekt. Für eine Kunstmappe zum Gedenken an den Kollegen zeichnete Peter Schnürpel Beckmanns Tod in den Straßen von New York inmitten von Passanten. Da ihm die Arbeit jedoch zu dekorativ erschien, übermalte er sie kurzerhand.