Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Die Pandemie hat die Urlaubsform fast zum Auslaufmodell gemacht. Nun röhren die Motoren aufs Neue
Mit einer Vollbremsung kamen sie zum Stillstand, im übertragenen Sinn. Niemand wusste, wann und wie es weitergehen würde. Nun rollen sie wieder und finden seit dem Sommer allmählich in die Erfolgsspur zurück. Gemeint sind Reisebusse, die dort anknüpfen wollen, wo sie vor der Corona-Krise aufgehört hatten. Lange boomte die Branche, doch in den Destinationen hat nicht jeder gejubelt. Busreisen standen für nervigen Overtourism, denn Teilnehmer sorgten für verstopfte Straßen und Terrassen.
Aus ökologischer Sicht bieten Reisebusse aber einen Vorteil. Ein mit Urlaubern vollgepackter Bus stößt weniger CO2 aus, als wenn man die Passagiere auf Autos verteilen würde. Und im Vergleich mit dem Flugzeug liegt das Verkehrsmittel Bus ohnehin vorne.
Bei Trendtours aus Kriftel in Hessen waren im Herbst allein in Italien wieder mehr als 200 Busse im Einsatz. Zum Brot- und Buttergeschäft gehören derzeit auch Gruppenreisen in Deutschland sowie in Spanien, Polen und den Niederlanden, teilt der Veranstalter mit. Touren zu weiter entfernten Zielen würden aktuell kaum durchgeführt. Das liege teils an den schwierigen Einreisebedingungen und auch daran, dass manch einer die lange Reise mit
Maske scheue. Für das kommende Jahr nimmt man auch wieder Fernreisen ins Visier
Auch Reiseleiter freuen sich. Und stehen nun wieder vor den gleichen Fragen wie vor Corona: Konzentrieren sie sich bei den Erklärungen auf das Interessante und Wesentliche? Oder bewegen sie mit Jahreszahlen und Nebensächlichkeiten nur die Luft vor dem Mund? Gleichfalls aus der Übung gekommen sind die Reiseteilnehmer. Nun können sie die vom Guide präsentierten Fakten wieder mit dem Inhalt ihrer gedruckten Reiseführer vergleichen. Und Einspruch erheben: „Hier im
Band auf Seite einhundertdreiunddreißig steht aber, dass ...“
Rüdiger Tramsen, Geschäftsführer des in Stuttgart ansässigen Veranstalters Biblische Reisen, sieht noch eine weitere Baustelle, und zwar bei Stadt- und Ortsrundgängen: die Ausstattung aller Reisegäste mit Audiosystemen. Warum das? „Um die Rudelbildung um die Reiseleitung herum zu vermeiden.“
Wer mit dem Bus reist, der muss sich um nichts kümmern
Doch auch die Corona-Pandemie ist natürlich noch ein Thema. Ab kommendem Jahr gilt bei Biblische
Reisen übrigens ausnahmslos die 2G-Regel. Andere Anbieter praktizieren dieses Konzept bereits. Wenn man sich in der Branche umhört, dann ist deutlich zu spüren, dass die Gäste einen großen Nachholbedarf an Reisen verspüren. Doch wie sieht es mit dem Nachwuchs in Kundenkreisen aus? Bei Busgruppenreisen liegt die Altersstruktur gewöhnlich bei 50 plus. Sind jüngere Menschen in Sicht? Prinzipiell ja. Sie werden irgendwann älter und könnten in Zukunft zur Klientel zählen. Man muss nur lange genug warten, bis Individualisten zu Herdentieren werden.
Und die Vorzüge einer Busreise zu schätzen wissen. Wer mit dem Bus reist, muss sich um nichts kümmern. Transport, Quartiere, Essen, Öffnungszeiten behalten andere im Blick. Sollte der Reiseleiter zu jenen zählen, die ihre Gäste ohne Unterlass mit belanglosen Fakten beschallen, schaltet man halt ab.
Man könnte sagen, dass Busgruppen als Sinnbilder für die Rückkehr zur Reisenormalität stehen. „Wir spüren eine große Dankbarkeit von den Reisenden, denn man ist froh, überhaupt wieder unterwegs sein zu können“, sagt Rüdiger Tramsen von Biblischen Reisen.
Der Neubeginn ist allerdings kein Selbstläufer. Ständig gilt es, an den allerneuesten Aktualisierungen der Hygienekonzepte zu feilen. um mit der Entwicklung der Situation Schritt zu halten. Und am Ort des Geschehens kräftig wischen zu lassen: Haltegriffe, Armlehnen, Kopfteile – alles wird in den Vehikeln regelmäßig desinfiziert.
Für Busreiseveranstalter sind die Zeiten nicht so rosig wie vor der Pandemie aber auch nicht pechschwarz wie vor einem Jahr. Bei innerdeutschen Busreisen dürfte der Umsatzrückgang 2021 im Vergleich zu 2019 im Schnitt bei rund 65 Prozent liegen, schätzt der Internationale Bustouristik Verband RDA. Außerhalb Deutschlands rechnet man mit minus 75 Prozent. „Das Reiseland Deutschland stand im Fokus der Reiseziele, dicht gefolgt von unseren Nachbarländern.“