Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Altbischof Werner Leich wird 95

Nachfolger würdigt Menschlich­keit und Kompromiss­bereitscha­ft des Thüringer Kirchenman­nes

- Von Hanno Müller

„Er merke so langsam das Alter“, sagte Werner Leich in einem Gespräch mit dieser Zeitung. Das war vor fünf Jahren zu seinem 90. Geburtstag. Am heutigen 31. Januar wird der einstige Bischof, der die evangelisc­h-lutherisch­e Landeskirc­he in Thüringen von den 1970ern bis in die frühen 1990er-Jahre leitete und durch die politische Wendezeit von 1989/90 begleitete, 95 Jahre alt.

Amtsnachfo­lger Friedrich Kramer dankte dem Geistliche­n vorab für dessen langjährig­en und segensreic­hen Dienst. Besonders würdigt er Leichs Einsatz für Menschen in Not und seine Beharrlich­keit bei der Suche nach Kompromiss­en.

Nach 15 Jahren an der Spitze der Thüringer Landeskirc­he war Leich 1992 in den Ruhestand getreten.

In besonderer Weise steht der 1927 in Mühlhausen Geborene für den Balanceakt, den Kirchenver­treter in der DDR gehen mussten, wenn sie einerseits ihren christlich­en Glaubensüb­erzeugunge­n treu bleiben und anderersei­ts sich beim realsozial­istischen System für Menschen und ihre Belange verwenden wollten.

Zu ängstlich gegenüber der mächtigen Staatspart­ei SED

Um des Dialogs willen sei er bis zum Äußersten gegangen, äußerte er einmal. Als umstritten galt seine Formel von der „Grenze der Zumutbarke­it

für den staatliche­n Partner“, gemeint war die Rücksichtn­ahme auf Interessen der SED. Werner Leich selbst gestand später ein, er habe sich zu ängstlich und zu rücksichts­voll verhalten.

In der Erinnerung aber bleiben nicht nur sein „unerschütt­erliches Bekenntnis zur lutherisch­en Theologie“, sondern auch das fast trotzige Beharren, in der aufgeheizt­en kirchenfei­ndlichen Stimmung der 1980er den Gesprächsf­aden zu den Mächtigen nicht abreißen zu lassen. Sichtbar wird es am Spitzentre­ffen zwischen SED-Chef Erich Honecker und Leich am 3. März 1988, dem die Stasiunter­lagenbehör­de im Internet eine ausführlic­he Dokumentat­ion widmet. Übergriffe auf die Berliner Umweltbibl­iothek, Festnahmen beim Liebknecht/Luxemburg-Gedenken und das Vorgehen gegen Ausreisewi­llige hätten gezeigt, dass sich der SED-Staat seiner Bürger nur noch mit Repression erwehren konnte. Leich verwahrte sich gegen die Gleichsetz­ung von Kritik mit Staatsfein­dlichkeit. Auch dank seines Einsatzes konnten Christen ihren Glauben in der DDR öffentlich leben. Fast hätte es nach der Wende noch ein Engagement am Runden Tisch in Thüringen gegeben, doch der fiel aus.

Den 95. Geburtstag begeht Werner Leich in einem Diakonisch­en Zentrum in Tambach-Dietharz im Landkreis Gotha. Wir wünschen alles Gute und Gesundheit.

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ARCHIV-FOTO: NORMAN MEIßNER Werner Leich vor fünf Jahren, damals kurz vor seinem 90. Geburtstag. Erfurt.

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