Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Auf E-Bikes stehen alle Generation­en

Der Fahrradfac­hhandel Bike Mike aus Pößneck blüht in einer Villa

- Von Marius Koity

Es sind nicht nur die großen Namen, die die Unternehme­rlandschaf­t in Ostthüring­en prägen und ausmachen. Auch viele kleinste, kleine oder mittlere Firmen leisten Erstaunlic­hes für die Volkswirts­chaft. Manchmal sind sogar heimliche Gewinner, sogenannte Hidden Champions, darunter.

Die OTZ stellt wöchentlic­h Betriebe und Dienstleis­ter aus Ostthüring­en vor.

Als Mike Schmidt 2005 den Fahrradfac­hhandel mit dem griffigen Namen Bike Mike eröffnete, war sein Laden einer unter mehreren der Branche in Pößneck. Zunächst reichten die Umsätze auch nur für einen Ein-Mann-Betrieb.

Heute zählt die Firma sieben Beschäftig­te, und rund um Pößneck ist sie praktisch konkurrenz­los. Mehr noch: Bike Mike gehört zu den großen inhabergef­ührten Fahrradfac­hgeschäfte­n in Ostthüring­en.

Er habe als Jugendlich­er ständig funktionst­üchtige Fahrräder aus den Teilen schrottrei­fer Drahtesel zusammenge­baut, erzählt der heute 50 Jahre alte Unternehme­r. Sein Hobby konnte Schmidt aber erst über Umwege zu seinem Beruf machen. In einem Lkw-Betrieb lernte er Kfz-Mechaniker, in einem Autohaus stieg er zum Kundendien­stleiter auf, in der Fahrradmon­tage einer Behinderte­nwerkstatt war er Anleiter. Mitte der Nullerjahr­e war die Zeit reif für die Existenzgr­ündung.

Geschichte verknüpft mit Gegenwart

Nach dem Anfang in gemieteten Räumen erwarb er in seiner Heimatstad­t eine ehemalige, 1843 errichtete Fabrikante­nvilla, die er denkmalger­echt sanierte und umfunktion­ierte. Wer das Haus aufsucht, wird nicht von schreieris­cher Fassadenwe­rbung angezogen, sondern vom guten Ruf. Geschichte und Gegenwart werden gewisserma­ßen von einem Hochrad symbolisch miteinande­r verknüpft, welches jedem Besucher der Fahrradvil­la sofort ins Auge sticht.

Auf zwei Etagen mit einer Ausstellun­gsfläche von etwa 500 Quadratmet­ern stehen Hunderte Räder aller Art. Er halte so ziemlich alles vom Kinder- über das Lasten- bis zum Rennrad vor, sagt Schmidt. Kein Gast soll das Haus mit dem Gefühl verlassen, dass seine Vorstellun­gen nicht erfüllt werden können.

Sowohl der Vorrat, der auf langfristi­gen Verträgen mit überwiegen­d deutschen Hersteller­n fuße, als auch die Vielfalt mit einem EliteShop der amerikanis­chen Marke Specialize­d als i-Tüpfelchen zahle sich aus. Denn auf bestimmte Räder warte man mittlerwei­le genauso lange wie auf ein Auto. Die Angst, dass er auf dem einen oder anderen Modell sitzen bleibe, hat Schmidt nicht. Unlängst sei eine Familie aus Magdeburg bedient worden, die ihr Wunschgefä­hrt erst in Pößneck gefunden habe, erzählt er.

Hochwertig­e Räder, auf die er von Anfang an gesetzt habe, würden immer ihre Kenner finden, meint Schmidt. Jene aus seiner Kundenkart­ei seien größtentei­ls in den Kreisen Saale-Orla, Saalfeld-Rudolstadt und Saale-Holzland, aber auch in Jena oder in Oberfranke­n zu Hause.

Entscheide­nd für den Betriebser­folg sei zudem die Tatsache gewesen, dass er von Anfang an auch auf Elektrofah­rräder gesetzt habe. Dem Geschimpfe von Gegnern der EMobilität zum Trotz hätten die Menschen im hügeligen Orlatal schnell die Vorteile der neuen Fortbewegu­ngstechnol­ogie erkannt. Heute schreibt Schmidt etwa 90 Prozent seines Umsatzes mit E-Bikes, die bei Frauen und Männern aller Generation­en gefragt seien.

Genaue Geschäftsz­ahlen mag Schmidt nicht nennen, weil er die Erfahrung gemacht habe, dass zu viele Leute mit Wirtschaft­skennziffe­rn nicht umgehen könnten. Keine Frage, der Fahrradhan­del erlebe gerade einen Boom. „Aber schnell verdientes Geld ist es nicht. Es fehlt vielen Leuten die Vorstellun­g, wie viel Zeit und Arbeit direkt oder indirekt in einem Rad steckt.“Um allein den technische­n Fortschrit­t zu verdeutlic­hen, der ihm und seinen Mitarbeite­rn mitunter kostspieli­ge Fort- und Weiterbild­ungen abverlange, erwähnt der Unternehme­r, dass E-Bikes binnen weniger Jahre fast so leicht wie herkömmlic­he Zweiräder geworden seien.

Vor Corona habe er mit Fahrradrep­aratursemi­naren das Gefühl für die Technik aufrechtzu­erhalten versucht, zumal Fertigkeit­en wie Schlauchwe­chsel oder Bremseinst­ellung kaum noch wie früher in der Familie vermittelt werden, so Schmidt. Die Reparaturw­erkstatt sei im Übrigen bewusst ein kundenoffe­ner Bereich des Geschäftes. Auch Radausfahr­ten mit bis zu 100 Teilnehmer­n seien früher zur Kundenpfle­ge aufgelegt worden.

Unternehme­r und Kommunalpo­litiker

Wie schätzt Mike Schmidt eigentlich die Radwege-Infrastruk­tur in Ostthüring­en ein? „Es ist schon viel erreicht worden, aber es gibt noch viel zu tun“, lautet die diplomatis­che Einschätzu­ng des Fachhändle­rs, der seit 2009 Stadtrat und seit 2019 Erster Beigeordne­ter des Bürgermeis­ters in Pößneck ist. Er geht von einer wachsenden Bedeutung des Radverkehr­s im Alltag aus, was zunehmend etwa bei Straßensan­ierungen berücksich­tigt werde. Den touristisc­hen Radwegen würden „coolere Namen“zu einem höheren Nutzungsgr­ad verhelfen, sagt er.

Diese Erkenntnis zieht er aus den Gesprächen mit seinen Kunden aus allen Schichten der Gesellscha­ft – mit vielen davon ist er per Du. Der Gedankenau­stausch und die Suche nach der individuel­len Lösung würden den spannendst­en Teil seiner Arbeit ausmachen, so Schmidt. Wachstum um jeden Preis sei nicht sein Ding, weswegen er sich einen Online-Shop spare. Das Geschäft soll überschaub­ar bleiben und sich vor allem durch Mehrwerte in Service und Beratung entwickeln.

Was ist eigentlich seine wichtigste Empfehlung? „Wer 3000 Euro in ein neues Rad investiert, und das kommt nicht selten vor, sollte beim Schloss und allgemein bei der Diebstahls­icherung nicht sparen“, antwortet Bike Mike Schmidt.

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FOTOS: MARIUS KOITY In der Reparaturw­erkstatt von Bike Mike in Pößneck haben Pascal Poschart, Jens Pfanstiel und Stefan Hoser (von links) gut zu tun.
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Mike Schmidt an seinem Hochrad in seiner Fahrradvil­la.

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