Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Flut am Ural: Massenevakuierungen in Russland
Russland wird an der Grenze zwischen Europa und Asien von den schlimmsten Überschwemmungen seit Jahrzehnten heimgesucht. Im Gebiet Orenburg an den südlichen Ausläufern des Ural-Gebirges wurde für Freitag und Samstag der Höhepunkt der Flutwelle des Flusses Ural erwartet. In der dortigen Gebietshauptstadt Orenburg, die über eine halbe Million Einwohner zählt, wurde eine Massenevakuierung ausgerufen. Zehntausende Menschen haben bereits ihr Hab und Gut verloren.
Nach einem schneereichen Winter führt der Fluss Ural so viel Wasser wie noch nie seit Beginn der Aufzeichnungen. Vor mehr als 80 Jahren, im Jahr 1942, gab es eine große Flut mit einem Pegelstand von 9,4 Metern, wie der Orenburger Gouverneur Denis Pasler am Donnerstag bei einer Videoschalte mit Präsident Wladimir Putin sagte. Am Freitagmittag betrug der Pegelstand in Orenburg fast 11,5 Meter, wie die Nachrichtenagentur Tass meldete. Bürgermeister Sergej Salmin rief die Bewohner mehrerer Stadtteile dazu auf, ihre Häuser zu verlassen. „Das ist kein Übungsalarm“, schrieb er auf Telegram. „Diese Wasserstände sind gefährlich.“Experten erwarteten, dass der Pegel noch auf 11,6 Meter steigen wird.
Der im März mit einem angeblichen Rekordergebnis wiedergewählte Putin hat das Flutgebiet bislang nicht besucht. Putin werde auf dem Laufenden gehalten, er gebe Anweisungen, versichert sein Sprecher Dmitri Peskow seit Tagen.
Dabei gibt es vor Ort viele Klagen über das schleppende Krisenmanagement. Medien spekulieren, ob der Katastrophenschutz ausgedünnt sei, weil Russland Männer für den Angriffskrieg gegen die Ukraine brauche. Gouverneur Pasler machte sich unbeliebt bei Betroffenen in Orsk. Auf die Frage, welche Verantwortung er trage, fragte er angeblich zurück, ob nicht alle gemeinsam Verantwortung für die Flut trügen.
Auch Putins Katastrophenschutzminister Alexander Kurenkow rief Empörung hervor, als er erklärte, die Bewohner seien rechtzeitig – eine Woche vor Beginn des Hochwassers – zur Evakuierung gedrängt worden. Eine klare Falschaussage, denn wenige Tage vor der Flut hatten die örtlichen Behörden noch abgewiegelt.