Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Übernachtung in der Kirche alsbald über booking.com?
Diskussionsabend in Nöbdenitz darüber, ob Gotteshäuser künftig leerstehen sollen oder sich als sakraler Ort für andere Aufgaben öffnen. Neue Nutzungskonzepte nötig, sonst droht der Verfall
Wie man die Kirchen und Pfarrhäuser künftig in den Dörfern nutzen kann, war am Dienstagabend Gegenstand einer Diskussion im Kultur- und Bildungszentrum Nöbdenitz. Veranstalter waren die Ökumenische Akademie Gera/ Altenburg und die Kultur- & Bildungswerkstatt „Hans Wilhelm von Thümmel“Nöbdenitz. Moderiert von Pfarrer Frank Hiddemann, sprachen Referatsleiterin Bau, Elke Bergt, Landeskirchenamt, Wilhelm Klauser, der ländliche Microzentren initiierte, Marcus Nitschke von D:4 und der Nöbdenitzer Wolfgang Göthe, wie und ob man Kirche anderweitig nutzen kann. Mit dabei als Rechercheur der Superintendent des Kirchenkreises Gera, Hendrik Mattenklodt, der Kirche auf dem Dorf lebendig erhalten will.
Es gibt zu viele Kirchen sagen die Haushalter. Unsere Kirche bleibt im Dorf sagen die einen. Unsere Kirche steht leer, was nun, die anderen. Die Meinungen gehen weit auseinander, in einem Dorf und von Ort zu Ort. Schwierig auch für Gemeindeglieder, sich durchzuringen, eine Mischnutzung für die Kirche oder ein leerstehendes Pfarrhaus zu befürworten.
Dass das ein sehr langer und schwieriger Prozess sein kann, das verdeutlichte Wolfgang Göthe, dem es mit vielen Ehrenamtlichen gelungen ist, in dem alten Nöbdenitzer Pfarrhof eine Kultur- und Bildungsstätte zu etablieren. Zwei Dinge sind besonders wichtig, arbeiteten auch die Gäste heraus. Zuerst müssen die Menschen von der Idee überzeugt sein und es müssen sich Personen finden, die diese Idee weitertragen, auch weiterentwickeln und umsetzen.
Widerstand gegen Neues ist zu überwinden
Zu Beginn aber ist der Widerstand gegen etwas Neues im Gemeindekirchenrat zu überwinden. Keine leichte Aufgabe. Und es braucht Zeit und sehr viel Geduld, bis sich Mehrheiten für das Neue finden. Das war von allen Gesprächspartnern unisono zu hören.
Zweitens muss man die Kommune mit ins Boot kriegen. Ebenfalls nicht ganz einfach, jedoch von Ort zu Ort auch unterschiedlich. Manchmal helfen auch kommunale
Neuwahlen. Oftmals ist es ebenso vom Raumbedarf einer Kommune abhängig, ob schneller oder eher langsamer zugestimmt wird, solche Projekte zu unterstützen. Vereine und engagierte Personen gehören dazu. Manchmal bringen sich auch Unternehmen ein, die neue Nutzungsarten erlebbar zu machen.
Dass das geht, verdeutlichte Wolfgang Göthe anhand der Bildungswerkstatt, die mittlerweile zum kulturellen und dörflichen Zentrum des Schmöllner Ortsteiles wurde und an diesem Abend mal wieder brechend voll war. Kirchliche Veranstaltungen wie die Fastengespräche, aber auch Konzerte, Rentnertreff und Ausstellungen werden durchgeführt und locken Besucher aus nah und fern an. Selbst Schule und Kindergarten sind in Veranstaltungen integriert. Auch mit den offenen Kirchen, besonders in Lohma hat man gute Erfahrungen gemacht, berichtet der Hausherr.
Natürlich gibt es auch heute im Ort noch unterschiedliche Meinungen, aber die mittlerweile große Anzahl der Ehrenamtlichen nicht nur aus Kirchengliedern bestehend, zeigt, dass solche Konzepte möglich sind und vor allem auch sehr gut funktionieren.
Immer wieder stand an diesem Abend die Frage der Fremdnutzung der Gotteshäuser im Raum. Wie heilig ist Kirche? Was darf man dort und was nicht? Hier gingen die Meinungen
durchaus auseinander. McDonalds oder Beate Uhse, fragte Marcus Nitschke die Redner provokant und konnte beruhigen.
Kochen auf dem Altar, Kirche als Unterkunft
Seine Recherchen hatten ergeben, dass von beiden kein Interesse vorliegen würde, in Kirchen mit ihren Filialen einzuziehen. Weltliche Beerdigung gehen schon, standesamtliche Trauungen oder Jugendweihen eher nicht, meinte Elke Bergt. Aber Kochen auf dem Altar, eine Kunstgalerie zu installieren oder ein Gotteshaus als Herbergskirche, das ist möglich, veranschaulichte sie an Beispielen in Thüringen. Natürlich müsse vorher immer der Gemeindekirchenrat grünes Licht geben, betonte sie.
Aber wie will man künftig hierzulande mit den über 3900 Kirchen bei sinkender Anzahl Pfarrstellen und sinkender Mitgliederzahl verfahren? Zudem wird es auch eine Kostenfrage in puncto Erhaltung und Sanierung. Eine Mischnutzung, und dabei noch Gelder einzunehmen, das werde eine der nächsten Aufgaben sein, die noch näherer Betrachtungen bedürfen, hieß es. Also warum nicht eine Herbergskirche künftig eventuell über die Plattform booking.com für Touristen anzubieten.
Mit Ehrenamtlichen allein, wird eine Hybridnutzung der Gotteshäuser
künftig auch kaum zu stemmen sein. Wie Elke Bergt sagte, sei jedoch kaum jemand dafür, eine Kirche gänzlich umzunutzen. Das habe das Projekt Ideenfindung für 500 Kirchen im Rahmen der IBA gezeigt. Aber hin und wieder geschehe auch das. Ob es überhaupt einen Markt für Kirchen gebe? Wohl schon, aber eher sporadisch, so die Einschätzung. Eine Öffnung der Kirchengebäude für weltliche Veranstaltungen wie Theater, Lesungen, als Herberge, Kochstudio, Kunstgalerie, soziale Belange, all das sei ein Prozess, bei dem die Kirche und vor allem die Kirchenglieder am Anfang stehen.
Vor allem junge Leute sollten bei der Ideenfindung mit einbezogen werden, ob Christen oder nicht. Das alles ist ein temporärer Prozess, der weiteren Veränderungen im Laufe der Zeit sicher auch Tribut zollen muss. Aber Leben in einer Kirche sollte möglich sein, über die nächsten Jahrzehnte, Jahrhunderte hinaus. Mit Gottesdiensten allein, wird das sicher nicht mehr zu realisieren sein. Das weiß man auch in Kirchenkreisen.
Ideen für die Nutzung der Gotteshäuser und damit ihren Erhalt müssen gefunden werden. Denn jahrhundertealte Bauten und Kultur sollten schon hierzulande weiterhin zum Stadt- und Dorfbild gehören. Auch wenn man dabei als Kirche unorthodoxe Wege gehen muss.