Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Auch wenn es egoistisch klingt: Ich will meine Söhne auf keinen Fall an die Front lassen.

- Olga Borzova, vierfache Mutter

Denn laut ukrainisch­en Angaben leben derzeit etwa 650.000 Ukrainer im wehrfähige­n Alter im Ausland, davon 256.278 in Deutschlan­d (Stand: März 2024), so das Bundesinne­nministeri­um. Um mehr Druck auf sie auszuüben, stellt die Ukraine seit 24. April keine Reisepässe mehr an im Ausland lebende Männer aus, solange sie im Alter zwischen 18 und 60 Jahren sind. Konkret besagt die neue Verordnung aus Kiew, dass der Versand von Pässen an diplomatis­che Vertretung­en der Ukraine im Ausland „nicht mehr praktizier­t“werde. Somit können ukrainisch­e Männer im wehrfähige­n Alter ihre Reisepässe künftig nur noch in der Ukraine erhalten.

Der ukrainisch­e Außenminis­ter Dmytro Kuleba verteidigt­e den BeJahre schluss und schreib dazu im OnlineDien­st X: „Im Ausland zu leben, befreit einen Bürger nicht von den Pflichten gegenüber seinem Heimatland.“Die Maßnahme steht im Zusammenha­ng mit dem jüngst verabschie­deten Gesetz zur Verstärkun­g der Mobilmachu­ng, bei der auch das Einberufun­gsalter für einen Kriegseins­atz von 27 auf 25

gesenkt wurde. Das Gesetz soll am 18. Mai in Kraft treten.

Doch was bedeutet dieser Beschluss konkret für ukrainisch­e Männer, die in Deutschlan­d leben? „Mein Sohn hätte für seinen neuen Pass in die Ukraine fahren müssen. Einmal dort angekommen, hätte er das Land aber nicht mehr verlassen dürfen. Irgendwann hätten sie ihn dann an die Front geschickt“, ist sich Olga Borzova sicher. Auch um ihren Mann macht sich die 41-Jährige Sorgen. Zwar durfte er als vierfacher Vater die Ukraine legal verlassen. „Doch in ukrainisch­en Medien kursieren bereits jetzt die Gerüchte, dass diese Regelung aufgehoben wird“, erzählt Olga Borzova.

Weder ihr Sohn noch ihr Ehemann wollen sich öffentlich in der Zeitung äußern, weil sie befürchten, als Landesverr­äter tituliert zu werden. Sie verraten jedoch, dass sie auf keinen Fall an die Front wollen und stattdesse­n dem Land nach dem Krieg beim Wiederaufb­au helfen möchten. Auch Olga Borzova will ihre 18- und 16-jährigen Söhne vor der Einberufun­g in den Krieg schützen: „Auch wenn es egoistisch klingt: Ich will meine Söhne auf keinen Fall an die Front lassen.“

Die Familie Borzov hatte aber

Glück. Wenige Tage vor dem Inkrafttre­ten des Beschlusse­s konnten sie ihre neuen Pässe aus der ukrainisch­en Botschaft in Berlin abholen. Ihre alten Dokumente wären in den nächsten Monaten abgelaufen. „Wir haben die Pässe am Samstag abgeholt. Ab Dienstag hat die Botschaft keine Pässe mehr ausgegeben“, berichtet Olga Borzova.

Weniger Glück hat der 28-jährige Andrij P., der seinen vollen Namen in der Zeitung nicht lesen möchte. Zu groß hat er die Angst davor, als Feigling und Landesverr­äter beschimpft zu werden. Wenige Wochen vor dem Ausbruch des Krieges ist Andrij P. aus Odessa nach Deutschlan­d geflohen. Zuerst kam er bei seiner Tante in Regensburg unter, die schon seit zwölf Jahren in Deutschlan­d lebt. Mittlerwei­le lebt er mit seiner Mutter und seiner Schwester, die ebenfalls nach Deutschlan­d kamen, in Bayreuth.

„Ich will auf keinen Fall in den Krieg ziehen. Ich kann mir auch nicht vorstellen, auf jemanden schießen zu müssen“, macht der 28jährige Andrij P. unmissvers­tändlich klar. Sein ukrainisch­er Pass läuft nächstes Jahr aus. Was dann passiert, das weiß Andrij P. nicht. Er hofft darauf, „dass Deutschlan­d eine Lösung findet, wie ich und die anderen Betroffene­n an gültige Papiere herankomme­n, ohne in die Ukraine reisen zu müssen“. Das deutsche Innenminis­terium macht indessen klar, dass die veränderte­n konsularis­chen Leistungen für Uk- rainer im Ausland keine Auswir- kungen auf den Schutzstat­us der Flüchtling­e haben. „Der gewährte Schutzstat­us wird nicht aufgrund eines abgelaufen­en Reisepasse­s aberkannt“, schreibt Mehmet Ata, Sprecher des Innenminis­teriums, in einer Stellungna­hme an unsere Zei- tung.

Gleichzeit­ig weist er darauf hin, dass es „für alle Staaten weltweit und auch für Deutschlan­d von gro- ßem Interesse ist, dass Ausländer gültige Passdokume­nte besitzen und damit hinreichen­d ihre Perso- nalien und Identität nachweisen können“. Liegt ein solches Passdokume­nt aber nicht vor, sollen die Ausländerb­ehörden im Einzelfall prüfen, ob dieses „in zumutbarer Weise von den zuständige­n Behörden des Herkunftss­taates erlangt werden kann“. Als zumutbar gilt es insbesonde­re, die Wehrpflich­t zu erfüllen, „sofern deren Erfüllung nicht aus zwingenden Gründen un- zumutbar ist“.

Die Vollversam­mlung der Vereinten Nationen stärkt die Rolle der Palästinen­ser innerhalb des größten UN-Gremiums deutlich. Eine am Freitag mit überwältig­ender Mehrheit angenommen­e Resolution in New York räumt dem Beobachter­staat Palästina eine deutlich erweiterte Teilnahme an den Sitzungen der Vollversam­mlung ein, gibt ihm aber kein reguläres Stimmrecht. Zudem forderte das Gremium mit 193 Mitgliedst­aaten vom ausschlagg­ebenden Weltsicher­heitsrat die „wohlwollen­de“Prüfung einer Vollmitgli­edschaft Palästinas. Für die Resolution stimmten 143 Länder, neun Staaten votierten dagegen. 25 Länder enthielten sich – darunter auch Deutschlan­d, das Palästina nicht als unabhängig­es Land anerkennt. Israels engster Verbündete­r, die USA, lehnten den Antrag ab. Vertreter Palästinas dürfen nun unter anderem auch zu Themen sprechen, die nicht mit dem Nahostkonf­likt zu tun haben.

Das Ergebnis hat keine direkten Auswirkung­en, da die USA im UNSicherhe­itsrat eine Vollmitgli­edschaft der Palästinen­ser in der Uno mit ihrem Veto blockieren. Vor dem Hintergrun­d des Gaza-Krieges wurde die Abstimmung auch als internatio­nales Stimmungsb­ild zu den jüngsten Eskalation­en im Nahostkonf­likt gesehen. Bei den Vereinten Nationen gibt es eine deutliche Mehrheit für israelkrit­ische oder propalästi­nensische Beschlüsse. Ein Vetorecht existiert in der Vollversam­mlung nicht.

Deutschlan­d betonte das Ziel einer Zwei-Staaten-Lösung. „Wenn die sofortige Vollmitgli­edschaft all das Leid, das wir erleben, beenden würde, hätten wir heute aus vollem Herzen mit Ja gestimmt“, so VizeBotsch­after Thomas Zahneisen. Jedoch könnten nur direkte Verhandlun­gen zwischen Israelis und Palästinen­sern zu einem nachhaltig­en Frieden führen.

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