Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Ob aus ökologischen oder ökonomischen Gründen: Balkonkraftwerke sind gerade total angesagt. IMTEST hat 10 Modelle unter die Lupe genommen
Eine Mini-PV-Anlage besteht im Wesentlichen aus zwei Bestandteilen: Solarpanel und Wechselrichter. Meist kommt es infrage, ein oder zwei Solarmodule aufzustellen beziehungsweise am Balkongitter zu befestigen. Denn immerhin hat ein typisches, starres Panel Abmessungen von ca. 1,7 mal 1,1 Metern und somit eine Fläche von knapp 2 Quadratmetern. Außerdem wiegt es zwischen 20 und 25 Kilogramm. Einige Balkonkraftwerke im Test warteten sogar mit vier großflächigen Modulen aus Glas auf, darunter beispielsweise das Bluetti Balkonkraftwerk System. Hier sollte das Balkongitter also nicht nur ausreichend Platz bieten, sondern auch standfest genug für insgesamt 84 Kilogramm Extra-Gewicht sein. Um die entsprechenden baulichen Voraussetzungen abzuklären, empfiehlt es sich vor allem bei Mietwohnungen, zuvor die vermietende Partei zu befragen. Diese muss darüber hinaus auch mit der Installation einverstanden sein, eventuell muss sogar die Eigentümerversammlung des Wohnhauses zustimmen. Wer eine Mini-PV-Anlage ohne die notwendige Erlaubnis aufbaut, kann im Nachhinein ein Verbot bekommen und muss dann alles wieder abbauen. In einigen Fällen kam es sogar schon zu Kündigungen des Mietverhältnisses.
Ein weiterer wichtiger Planungspunkt beim Kauf ist darüber hinaus die Verkabelung. Je nach Bauart des Balkons kann es notwendig sein, ein längeres oder kürzeres Kabel für die Anlage zu besorgen. Einige Anbieter ermöglichen bei der Bestellung des Steckersolargeräts sowohl eine Wahl der Kabellänge als auch des Steckers. Im Testfeld gibt es im Yuma-Webshop die größte Auswahl. So können Kabel zwischen 3, 5, 10, 15 und 20 Metern Länge ausgesucht werden. Zudem gibt es die Möglichkeit zwischen haushaltsübduzieren lichem Schuko- und dem als noch sicherer eingestuftem Wieland-Stecker auszuwählen. Wer noch keine Außensteckdose besitzt, für den kann sich die Installation einer Wieland-Steckdose lohnen. Diese ist noch stärker gegen Regen geschützt als eine normale Schuko-Steckdose. Wer allerdings bereits eine normale Außensteckdose besitzt, für den ist es wesentlich einfacher, den Schukostecker zu benutzen. Eine kleinere Auswahl findet sich bei Solakon und Priwatt, bei allen anderen Herstellern sind die Kabellängen dementgegen vorgegeben. Besonders kurz war das Kabel mit circa 1,5 Metern bei Bluetti, was für die Installation eine Herausforderung sein kann. Eine andere Auffälligkeit zeigte sich hingegen beim Modell von Solago, bei dem der Stecker echten DIY-Charakter hat und erst von den Nutzenden selbst zusammengebaut werden muss. Gut, wenn da das Nachschlagewerk oder Google nicht weit sind, damit alle drei Phasen am richtigen Anschluss landen. Apropos Sicherheit: In allen Fällen lohnt es sich, bei der Haftpflichtversicherung nachzufragen, ob das geplante Balkonkraftwerk
im bestehenden Vertrag mitversichert ist oder ob dieser angepasst werden muss. Eine gesonderte Versicherung extra für die Mini-PV-Anlage, wie sie im Internet zum Teil angeboten wird, lohnt sich hingegen meistens nicht.
Sollte das Balkongitter nicht für die zusätzliche Belastung ausgelegt sein, kann man entweder auf einen anderen Standort oder auf andere Panels setzen. Die meisten Balkonkraftwerke lassen sich nämlich mit einer umgebauten Halterung auch an der Hauswand, im Garten oder auf einem Flachdach aufstellen – sofern das vorteilhafter ist. Im Testfeld bieten fünf Hersteller Halterungen an, die für verschiedene Einsatz-Orte anzupassen sind, darunter Yuma, GreenAkku und Anker. Bei Solakon und Priwatt muss hingegen bereits beim Kauf auf die richtige Art der Halterung geachtet werden.
Eine gänzlich andere Bauweise bieten hingegen die Modelle von EcoFlow, Solago und Zendure. Sie verwenden flexible Solarpanels, die gar keinen Unterbau benötigen und einfach mit Kabelbindern oder Zugbändern am gewünschten Ort fixiert werden können. Sie sind zudem deutlich leichter als die Exemplare aus Glas da sie überwiegend aus Kunststoff bestehen. Die Montage fiel im Test dementsprechend deutlich leichter – die meisten flexiblen Module bieten aber eine geringere Leistung pro Fläche als starre Solarpanels.
Besonders viel Strom erzeugen Solarmodule immer dann, wenn sie schattenfrei und möglichst lange in der prallen Sonne stehen. Die Ausrichtung nach Süden ist demzufolge besonders ertragreich. Treffen die Strahlen dann noch in einem Winkel von 90 Grad auf das Modul, steigt die Stromausbeute weiter an.
Doch auch für nicht perfekte Bedingungen gibt es Lösungen: etwa Panels speziell für die Ausrichtung nach Osten und Westen sowie verschattungsresistente oder bifaziale Module. Letztere können auch Sonnenlicht von hinten aufnehmen und zu Energie umwandeln, da sie auch auf der Rückseite Solarzellen haben. Das macht die Panels im Alltag
effizienter. Im Testfeld gehören die drei Balkonkraftwerke von Solakon, Yuma und GreenAkku zu dieser Bauform. Baurechtlich ist zudem berücksichtigen, dass zum Teil keine Winkel an Balkongittern erlaubt sind, auch wenn die schräge Befestigung für die Ausbeute des Kraftwerks von Vorteil ist. An manchen Balkonen ist dennoch nur eine hängende Montage im 90Grad-Winkel erlaubt. Wer durch die Vielfalt an Möglichkeiten überfordert ist, kann sich eine individuelle Beratung einholen, zum Beispiel kostenlos durch die Verbraucherzentrale.
Nachdem der Standort klar und die Erlaubnis eingeholt ist, kann es an die konkrete Planung beziehungsweise Bestellung des Balkonkraftwerks gehen. Neben den Spezifikationen der Solarpanels und des Anschlusskabels ist ein weiteres wichtiges Bauteil einer Mini-PV-Anlage der mitgelieferte Wechselrichter. Jedes Steckersolargerät besteht im Prinzip nur aus Solarmodulen, Wechselrichter und Verkabelung. Da die Panels nur Gleichstrom prokönnen, im Haushalt aber 230-Volt-Wechselstrom benötigt wird, gibt es einen Wechselrichter. Dieser wandelt den Strom so um, dass elektrische Geräte, wie etwa Kühlschrank, Computer oder Spülmaschine, ihn nutzen können. Außerdem ist der Wechselrichter dafür zuständig, die Leistung zu begrenzen, die tatsächlich ins Hausnetzt eingespeist wird. Derzeit liegt die sogenannte Bagatellgrenze in Deutschland bei 600 Watt Maximalleistung. Wer sich schon einmal gewundert hat, wie das mit Solarpanel-Gesamtleistungen von über 1.000 Watt zusammenpasst, erhält mit dem Wechselrichter die Antwort. Eine höhere Leistung der verbauten Solarpanels ist nämlich sinnvoll, um auch bei suboptimalen Wetterbedingungen eine möglichst hohe Ausbeute zu erhalten. Bei gutem Wetter muss der Wechselrichter hingegen die eingespeiste Leistung begrenzen.
Die Anhebung der Bagatellgrenze auf 800 Watt, was dem EU-Standard entsprechen würde, wurde zwar Ende April vom Bundestag und Bundesrat endgültig beschlossen, aber bisher gilt sie trotzdem noch nicht, weil vorher noch eine entsprechende VDE-Norm entwickelt werden muss, da es sonst zu Haftungsproblemen kommen könnte. Wann die Norm vorliegen wird, ist noch unklar, es werden aber mit mindestens zwei weiteren Monaten gerechnet. Immerhin: Der Wegfall der
doppelten Anmeldepflicht beim Netzbetreiber und beim Marktstammdatenregister ist vom Tisch und sorgt zumindest für bürokratische Vereinfachung. Zudem bieten viele Hersteller jetzt schon Wechselrichter an, die problemlos von 600 Watt auf 800 Watt hochregeln können. So können Besitzerinnen und Besitzer die Leistung ihres Balkonkraftwerks voll ausnutzen, sobald die Norm vorliegt und in Kraft tritt. Praktisch: Die Modelle von Anker, EcoFlow, Bluetti und Priwatt können per Software-Update die Ausgabeleistung anheben.
Das Praktische an einem Balkonkraftwerk ist, dass sowohl die Montage als auch die Installation sehr viel einfacher sind als beispielsweise bei einer großen PhotovoltaikAnlage auf dem Hausdach. Während Letztere nur von Fachleuten angeschlossen werden darf, können Steckersolargeräte von Privatpersonen selbst in Betrieb genommen werden. Dazu muss man lediglich die beiliegende Halterung am Balkongitter anbringen und/oder die Solarmodule befestigen und mit dem Wechselrichter verkabeln. Nach der Verbindung mit dem Hausnetz kann die grüne Stromerzeugung beginnen.