Ostthüringer Zeitung (Schmölln)
Drei burleske Todesfälle
Puccinis „Trittico“-Premiere am DNT in letzter Minute gerettet. Langer Applaus für vergnüglichen vierstündigen Abend
Heiko Trinsinger heißt der wahre Held der „Trittico“-Premiere am Sonnabend im DNT. Erst mittags ereilte ihn in Essen der dringliche Hilferuf, für den plötzlich erkrankten Weimarer Kollegen Uwe Schenker-Primus als Gianni Schicchi einzuspringen. Spontan sagte er zu, düste in die Klassikstadt – und rettete die Aufführung in letzter Minute. Chapeau!
DNT-Operndirektorin Andrea Moses schilderte dem Publikum die atemberaubende Aktion in kurzen, sympathischen Worten. Noch am Vormittag habe der Heldenbariton, der am Aalto-Theater große Partien wie Amfortas, Scarpia und Faninal singt, dort Alban Bergs „Wozzeck“geprobt; Trinsinger obliegt die schwierige Titelpartie. Doch von der immensen Strapaze war ihm am Abend fast nichts abzuspüren.
Brutaler Eifersuchtsmord auf einem Lastkahn an der Seine
Im Gegenteil hatte er als Essener Schicchi den nasalen Witz des gerissenen Erbschleichers perfekt parat und fügte sich stimmlich, obschon ungeprobt, prima in Weimar ein – freilich nur von der Seite her einsingend, weil er die Inszenierung Dirk Schmedings unmöglich kennen konnte. Statt seiner agierte als stummes, gestisch beredtes Double der kühne Regisseur höchstselbst.
Relativ selten wird Puccinis Drilling, der aus drei kurzen, personalintensiven, im Gestus sehr unterschiedlichen
Opern besteht, vollständig gegeben. Schmeding entschied sich für einen burlesken Zugriff, und Bühnenbildner Ralf Käselau schuf nahezu abstrakte Räume mit einem breiten, rückwärtigen Glaskasten als verbindendem Element.
Das birgt das Handicap, dass nicht alle Schauplätze eindeutig zu identifizieren sind. Dass das Schauerdrama „Il tabarro“(Der Mantel) auf einem Lastkahn am Ufer der Seine spielt, mag man höchstens der Projektion eines romantischen Gemäldes vom Quai du Louvre entbrutal. nehmen. Während Hafenarbeiter einigen Krempel – darunter eine Marienstatue und Möbel, die später gebraucht werden – von Bord schaffen, bandelt einer von ihnen, Luigi, heimlich mit Giorgetta, der Ehefrau des Kapitäns, an.
Die Handlung ist so simpel wie Der finstere Käpt‘n Michele (Alik Abdukayumov) kommt den beiden per nächtlichem Zufall auf die Schliche und finalisiert seine zerrüttete Ehe, indem er den Nebenbuhler absticht und seine Gattin (Camilla Ribero-Souza) im Stil eines krankhaft Perversen mit dem Anblick der Leiche traktiert. Sein Mantel, ehedem Dingsymbol ihrer Liebe, ist bloß ein wattierter Anorak. Im stimmlich properen Trio überragt Gabriele Mangione als Luigi.
Lyrisches Drama über die Untiefen des Klosterlebens
Eine Schar von Nonnen in hibiscusrotem Habit mit weißer Flügelhaube (Kostüme: Julia Rösler) bevölkert in „Schwester Angelica“einen neutral grauen Raum, der als Klosterhof kaum kenntlich ist. Statt des Brunnens – Ausgangspunkt einer güldenen Lichterscheinung – behilft Käselau sich bewusst mit einem ordinären Wasserspender; im Hintergrund prangt die Statue Mariens. Die adlige, gottesfürchtige Angelica wurde eines erotischen Fehltritts halber vor sieben Jahren ins Kloster verbannt; nur der Gedanke an ihren unehelichen Sohn hält sie aufrecht.
Als die Fürstin (Anna-Maria Dur) erscheint, um ihr alle Erbansprüche abzuhandeln, erfährt sie auf zynische Art vom Tod ihres ungekannt geliebten Kindes – und suizidiert sich mit Gift. Innig bittet sie um ein göttliches Zeichen, das ihr Seelenrettung gewähre. Doch der Regisseur
umgeht dieses krasse Kitschmoment im Libretto, indem er als Vision lauter tote Schwestern zeigt, offenbar allesamt „gefallene Mädchen“. In dieser lyrischen, tiefreligiösen Oper sammelt Heike Porstein mit ihrer anrührenden Interpretation der Titelpartie viele Pluspunkte.
Undankbare Verwandtschaft schändet lustvoll den Erblasser
Im zur schwarzen Komödie umgebürsteten „Gianni Schicchi“gönnt sich Dirk Schmeding den Jux, den reichen Buoso als Erhängten von der Decke baumeln zu lassen. Das zeitigt zwar dramaturgische Fallstricke, macht aber Eindruck, weil die böse Verwandtschaft die Leiche lustvoll perfide schändet, als sie das Testament entdeckt: Der Verblichene hat fast alles der Kirche vermacht. Nachbar Schicchi muss helfen. Als junges Paar finden Lauretta (Ylva Steinberg) und Rinucci (Taejun Sun) Gefallen beim Publikum.
Schmedings Regie trägt einige Mängel in der allzu steifen Personenführung, kommt jedoch ebenso gut an wie die durchweg hörenswerte Ensembleleistung. Dominik Beykirch leitet eine gediegen musizierende Staatskapelle souverän, ohne temperamentvolle Glut anzufachen oder der Partitur erdenkliche Plastizität abzugewinnen. Für einen insgesamt vergnüglichen, fast vierstündigen Abend gab‘s großen Applaus.