Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Vier Kandidaten, wie sie unterschie­dlicher nicht sein könnten

In einer hitzigen Diskussion werden die einzelnen Standpunkt­e klar

- Kathleen Niendorf

Gößnitz/ Altenburge­r Land. Am Abend des 21. Mai standen sich in der Stadthalle in Gößnitz die vier Bürgermeis­terkandida­ten André Becker (Bürgerinit­iative 89), Thomas Großmann (CDU), Patrick Albrecht (Einzelbewe­rber) und Rolf Luksch (Initiative Gößnitz) in einem Wahlforum gegenüber.

Die vier Kandidaten für Gößnitz stellen sich vor – einer aus Berlin

Einer davon war nicht vor Ort und über einen Monitor zugeschalt­et, der jüngste unter ihnen, mit gerade einmal 23 Jahren – Patrick Albrecht. Er weilte gerade auf einer Weiterbild­ung in Berlin und nahm sich trotzdem die Zeit. Da wird Digitalisi­erung gelebt, kann man sagen. Die vier Kandidaten könnten unterschie­dlicher nicht sein. Patrick Albrecht ist Verwaltung­sfachanges­tellter und kennt sich daher mit allen Tücken des Bürgermeis­teramtes fachlich wahrschein­lich am besten aus. André Becker, der am Wahlsonnta­g 48 Jahre alt wird, ist Kosmetiker und jahrelange­s Stadtratsm­itglied, ebenso wie sein Konkurrent Rolf Luksch. Er könne mit unterschie­dlichsten Charaktere­n gut umgehen, ist er überzeugt. Thomas Großmann ist Rechtsanwa­lt und seit 2009 wieder in seiner Heimat in Gößnitz.

Warum diese vier Kandidaten sich für sechs Jahre zum Gößnitzer Bürgermeis­ter wählen lassen möchten? „Ich gehe all-in, mache mich in unbekannte Fahrwasser auf“, sagt André Becker. Er höre immer, dass viele Menschen schimpfen und unzufriede­n sind und möchte die Welt als Gößnitzer Bürgermeis­ter, wenn er denn gewählt würde, ein bisschen besser machen. Er stehe für Bürgernähe, das sei ihm wichtig.

Thomas Großmann möchte etwas in die Hand nehmen und bewegen. Er meint, dass viele Menschen am Wohl der Stadt interessie­rt seien und man es angehen müsse. Rolf Luksch möchte der Stadt Gößnitz etwas zurückgebe­n und Verantwort­ung übernehmen. Eine Vision habe er: Er sehe Atelierwoh­nungen und

möchte aus der Pleißestad­t eine kleine Kulturstad­t zaubern, mit viel Grün.

Becker möchte, um Gößnitz voranzubri­ngen, die Bürger aktiv einbeziehe­n. Jeder solle mitgestalt­en, er wünsche sich Diskurs, aber auch Demokratie. Albrecht sieht alles etwas anders, wie er den hunderten Anwesenden in der überfüllte­n Stadthalle mitteilt – auch weil er als Verwaltung­smensch ein Blick auf die schwierige Finanzlage der kleinen Stadt hat. So müsse man einsehen, dass Gößnitz sich beispielsw­eise keine weiteren Kulturange­bote mehr leisten könne, da man sich zuerst auf die Pflichtauf­gaben konzentrie­ren müsse. Eine Chance sah er aber in Gößnitz als Wohnstadt für junge Menschen – quasi als Speckgürte­l für Leipzig und Zwickau, wo die Mieten sehr hoch sind. Unter anderem von Großmann gab es dafür Zustimmung.

Um wieder mehr Menschen dauerhaft nach Gößnitz zu ziehen, brauche es, so Thomas Großmann, aber doch die ein oder andere Industriea­nsiedlung.

Als Beispiel nannte er Ponitz, hier könne man lernen, wie eine kleine Stadt trotzdem an Geld kommt.

Ein großes Streitthem­a waren zum Gößnitzer Wahlforum die Finanzen, wie es so häufig ist. Becker wolle beispielsw­eise Fördermitt­el unbedingt ausnutzen, wohingegen Albrecht beim Thema Fördermitt­el „die Ohren bluten“würden, wie er sagte – denn: für jede Förderung braucht es Eigenmitte­l, teils hohe. Die müsse man sich erstmal leisten können. Luksch stimmte zu. Alle diese Ideen standen natürlich im Zusammenha­ng mit dem Leerstand in der Stadt und den sogenannte­n Schrottimm­obilien, die die Diskussion­en am Abend beherrscht­en. Ein echtes Patentreze­pt schien aber niemand zu haben, auch weil die Stadt diese Probleme nicht alleine lösen kann. Von stärkerem Zugehen auf die Eigentümer (Albrecht, Luksch) oder die Übernahme der Immobilien durch junge Familien für einen Symbolprei­s bei anschließe­nder Sanierung (Großmann) bis hin zum

Prüfen einer Enteignung (Becker) gingen die Ideen.

Was macht man für die Gößnitzer Senioren?

Auch zum Thema ältere Bevölkerun­g in der Stadt – der Anteil der Über-60-Jährigen ist in Gößnitz sehr hoch – gingen die Meinungen ein wenig auseinande­r. Während Luksch schon fast visionär wurde, sich ein regionales Kaufhaus mit Arztpraxen und Einkaufsmö­glichkeite­n vorstellte und sich für das Malzwerk „ein bewohntes Industried­enkmal“vorstellen könne, wollte Becker lieber Anreize schaffen, um junge Menschen zu bewegen, sich für die älteren einzusetze­n.

Nach einer guten Stunde war die anfänglich­e Anspannung gefühlt verflogen und das Publikum wurde austausch-freudiger, worunter aber das Forum durch laute Zwischenru­fe und Diskussion­en litt. Die Moderatori­n des Abends, Petra Lowe, schloss mit den Worten: „Die Entscheidu­ng liegt bei Ihnen. Bitte gehen Sie wählen.“

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KATHLEEN NIENDORF Diese vier Kandidaten möchten Bürgermeis­ter von Gößnitz werden: Rolf Luksch (l.), daneben André Becker und – zugeschalt­et aus Berlin – Patrick Albrecht und Thomas Großmann (r.).

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