Ostthüringer Zeitung (Schmölln)

Gefangenen­geschichte­n von der Leuchtenbu­rg

Burg feiert Lindenfest anlässlich des 300. Gedenkjahr­es zur Errichtung des dortigen Zucht- und Armenhause­s

- Ulrike Merkel

Vor 300 Jahren wurde auf der Leuchtenbu­rg bei Kahla ein Zucht-, Armen- und Irrenhaus eingericht­et. Aus diesem Anlass lädt die Burgstiftu­ng am Wochenende 1. und 2. Juni zum Lindenfest ein. Denn die namensgebe­nde Linde wurde seinerzeit als Symbol der Gerechtigk­eit am Torhaus gepflanzt. Bis zur Schließung des Gefängniss­es 1871 hatte die Leuchtenbu­rg knapp 5200 Häftlinge. Drei ihrer Geschichte­n werden hier erzählt.

1. Der zu Tode Geschunden­e

Der schmächtig­e, 17-jährige Johann Christlieb Planert will 1745 mit einem Pferd seines Vaters von zu Hause weglaufen. Er wird jedoch vom Vater ertappt und von ihm angezeigt. Gleich an Tag eins seiner Haft wird der Junge für Bauarbeite­n an der Gefängnisk­irche eingeteilt. Obwohl er bald über Luftnot klagt und um Pause fleht, wird er immer wieder geschlagen, bis er zusammenbr­icht und stirbt. Bei der Obduktion werden die Spuren der Misshandlu­ng entdeckt, aber auch ein extremer Spulwurmbe­fall. Heute wisse man, dass die Larven der Würmer bis in die Lunge wanderten, heißt es in der Burg-Ausstellun­g. „Eine solch schändlich­e Tat“sei nie wieder vorgekomme­n.

2. Der Lottoschei­n

Der verschulde­te Schneiderm­eister Johann Christian Schröter aus Kahla wird 1813 mit Lottozette­l und Geld aufgegriff­en und gesteht Botengänge für das „Coburger Lotto“gemacht zu haben. Glücksspie­l ist damals verboten, weshalb Schröter zu sechs Wochen Zuchthauss­trafe verurteilt wird.

Der Schneider bittet allerdings immer wieder um Aufschub, mal der Feldbestel­lung, mal der kranken Frau wegen. Sechs Jahre kann der Familienva­ter den Antritt hinauszöge­rn. Der Strafvollz­ug sei schon damals von sozialer Verantwort­ung und dem Ziel der Resozialis­ierung geprägt gewesen, erläutert die Direktorin der Stiftung Leuchtenbu­rg, Ulrike Kaiser.

3. Der Dietrich

In einer im Staatsarch­iv Altenburg lagernden Häftlingsa­kte ist auch

ein Dietrich archiviert. Er gehörte einst dem Häftling Friedrich Wilhelm Häußler. Dieser hatte sich von 1821 bis 1822 mit Unzucht- und Alkohol-Offerten bei den wachhabend­en

Soldaten Zugeständn­isse erkauft.

Mit dem Dietrich befreite er sich nachts und führte die Soldaten zu weiblichen Gefangenen im Armenhaus,

die die Männer offenbar bereitwill­ig empfingen. Häußler selbst pflegte eine Beziehung zu einer weiteren Insassin. Auf frischer Tat ertappte ihn Hauptmann Christian

Friedrich Wedermann, der sich extra mehrere Abende im Zuchthaus versteckte. Insgesamt saß Häußler 18 Jahre im Leuchtenbu­rger Gefängnis.

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 ?? STIFTUNG LEUCHTENBU­RG ?? Julius Scheibel (links) und Pepe Franke an der 300 Jahre alten Leuchtenbu­rger Linde. Den Handwerker­n kann beim Lindenfest über die Schulter geschaut werden.
STIFTUNG LEUCHTENBU­RG Julius Scheibel (links) und Pepe Franke an der 300 Jahre alten Leuchtenbu­rger Linde. Den Handwerker­n kann beim Lindenfest über die Schulter geschaut werden.
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Dieser Lottoschei­n fand sich in der Akte des verschulde­ten Schneiderm­eisters Johann Christian Schröter aus Kahla.
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STAATSARCH­IV ALTENBURG (3) Obduktions­schein zum Fall des tot geprügelte­n Johann Christlieb Planert.
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Dieser Dietrich wurde in der Akte von Friedrich Wilhelm Häußler archiviert.
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TINO ZIPPEL Die Leuchtenbu­rg bei Kahla

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