Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Für spezielle Fähigkeiten angestellt
Jenaer Forschungsprojekt zu hoch qualifizierten ausländischen Fachkräften: Offenheit der Firmen größer als erwartet
Die meisten Firmen erwarten Probleme
Jena. In Thüringens Firmen herrscht oft Mangel an Fachkräften mit Berufsabschlüssen. Doch auch Hochqualifizierte mit Hochschulabschluss sind nicht im Überfluss vorhanden. Damit die Lücke kleiner wird, beschäftigen etliche Firmen Menschen aus dem Ausland. Das Projekt „Hoch qualifiziert. International. Thüringen.“soll einerseits die Situation ausländischer Studierender an Thüringer Hochschulen hinsichtlich ihrer Bleibeabsichten untersuchen, andererseits aber auch klären warum Unternehmen Ausländer einstellen oder warum nicht, welche Fallstricke und Hindernisse es in kultureller, sprachlicher oder auch bürokratischer Hinsicht gibt. Finanziert wird es durch den Freistaat Thüringen aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF). Die Jenaer Forscher, in diesem Fall aus der Wirtschaftsgeografie, haben insgesamt 847 Thüringer Unternehmen befragen lassen, von denen immerhin 151 hoch qualifizierte Ausländer beschäftigen. Damit erfassten sie insgesamt 856 ausländische Beschäftigte. Herausgefunden haben die Jenaer unter anderem, dass lediglich 4 Prozent von ihnen einen Teil ihrer Hochschulausbildung in Thüringen absolviert haben. „Das ist wenig“, sagt Professor Sebastian Henn, Inhaber des Lehrstuhls für Wirtschaftsgeografie an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. Zehn Prozent der befragten Unternehmen können es sich bisher gar nicht vorstellen, hoch qualifizierte Ausländer anzustellen. Erste Erkenntnisse aus den Interviews sagten aus, dass diese Unternehmen vor allem den Grund anführten, keinen Bedarf zu haben.
Das könnte sich jedoch ändern: Mehr als 80 Prozent der befragten, vorwiegend kleinen und mittelgroßen Unternehmen – quer durch alle Branchen – erwarten in den kommenden fünf Jahren mehr oder weniger große Schwierigkeiten bei der Besetzung von Stellen, die einen Hochschulabschluss voraussetzen. Mit Blick auf die Vergangenheit hatte bisher lediglich die Hälfte Probleme dieser Art. Bisher, so lässt sich aus den bisherigen Ergebnissen lesen, hat die Hälfte der Firmen mit hoch qualifizierten Ausländern diese wegen Fremdsprachenkenntnissen oder interkulturellen Kompetenzen eingestellt – Fähigkeiten also, die Deutsche meist nicht haben. So soll zum Beispiel der Marktzugang im Ausland erleichtert werden. Die Offenheit, dass die überwiegende Mehrheit der Firmen sich die Einstellung von Ausländern für hoch qualifizierte Arbeitsstellen vorstellen kann, überrascht die Forscher: „Sie ist größer als erwartet – und das betrifft nicht nur Erfurt und Jena“, sagt Lehrstuhl-Mitarbeiterin Lea Kvarantan Huber.
Mehr als die Hälfte der befragten Firmen kann sich zudem vorstellen, ausländische Studenten als Praktikanten bei sich aufzunehmen. Aus Sicht der Forscher bleibt die Sprache die höchste Barriere – und kleine Unternehmen könnten auf eigene Faust meist keine Abhilfe in dieser Hinsicht leisten. Daher bleibt die zentrale Herausforderung bestehen, wie kleinere Unternehmen bei der interkulturellen Verständigung und Sprachbildung unterstützt werden können. Die Entwicklung von Handlungsempfehlungen wird in den kommenden Monaten ein wichtiges Thema im Forschungsprojekt sein. Handlungsoptionen werden bereits heute auf einem fachübergreifenden Workshop in Jena mit Experten aus Wissenschaft und Praxis diskutiert.