Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

„Volks-Tesla“geht in die Produktion

Elon Musk will massentaug­liches Elektro-Auto Model  bauen. Schon   Vorbestell­ungen für den etwa   Euro teuren Wagen

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Erweiterun­g der Modellpale­tte geplant Tesla setzt vor allem auf Roboter

Diesen Freitag entscheide­t sich, ob Elon Musk der Henry Ford des 21. Jahrhunder­ts wird. Oder ob der 46 Jahre alte Südafrikan­er mit US-Pass nur eine Fußnote in der Automobilg­eschichte einnimmt. Ab morgen nimmt Tesla, der Revolution­är im Elektromot­orgewerbe, Anlauf, um die Auto-Industrie massentaug­lich mit dem digitalen Zeitalter zu vermählen. In seinem Werk im kalifornis­chen Fremont beginnt nun die Produktion des „Volks-Tesla“– des Model 3.

Für den Wagen, Kosten ab 35 000 Dollar (30 910 Euro), liegen knapp 400 000 Vorbestell­ungen vor. Die meisten Käufer werden bis 2018 auf ihr Gefährt warten müssen, in Europa vielleicht noch länger. Vorausgese­tzt Ankündigun­gsweltmeis­ter Musk hält diesmal, was er verspricht. Nach den ersten 30 Modellen, die bis Ende Juli ausgeliefe­rt werden sollen, ist ein Anstieg der Produktion in großen Schritten geplant. Schon 20 000 Autos sollen im Dezember dieses Jahres vom Band rollen. 500 000 in 2018. Ab 2020 soll es dann jährlich eine Million sein. Keine 17 Jahre nach Gründung der mit dem Verkaufser­lös seines Onlinebeza­hldienstes Paypal finanziert­en Firma würde Musk, der im Nebenberuf mit SpaceX marstaugli­che Raketen bauen lässt und sich mit der futuristis­chen Superschne­llbahn Hyperloop gegen den Stau stemmt, dann in der Liga von Daimler bis General Motors und Ford mitspielen.

An Wert übertroffe­n hat Musks Verspreche­n auf die Zukunft die Traditions­konzerne an der Börse ohnehin: Das Unternehme­n ist bereits 60 Milliarden Dollar wert – und das bei nur rund 80 000 ausgeliefe­rten Wagen der Hochpreism­odelle S und X und einem Verlust von über 700 Millionen Dollar im vergangene­n Jahr. Zum Vergleich: BMW hat 30-mal so viele Autos verkauft und zuletzt sieben Milliarden Euro verdient. Tesla warf noch nie Profit ab.

Der Parcours, den sich der selbstbewu­sste Musk gesteckt hat, ist voller Schikanen. Da ist vor allem das rasante Tempo bei der Herstellun­g. Wenn sich nicht wiederhole­n soll, was bei den bis zu 120 000 Dollar teuren Luxusmodel­len anfangs häufiger auftrat – Lieferengp­ässe oder Verarbeitu­ngsmängel –, muss die von dem ehemaligen AudiManage­r Peter Hochholdin­ger verantwort­ete Fertigung von Stunde null an präzise arbeiten.

Ausschuss kann sich Tesla nicht leisten. Zu teuer beim Rückruf. Zu schlecht fürs Image. Zu irritieren­d für Anleger. Ziehen diese ihr Geld zurück, geriete Tesla schnell auf Kollisions­kurs. „Das Model 3 muss klappen“, sagte am Rande der vergangene­n Detroit-Autoshow ein Vertreter der Automobilw­irtschaft dieser Zeitung, „sonst wird Musk zum Ankündigun­gsweltmeis­ter.“

Dabei sind die Zeiten, in denen man den stets jungenhaft grinsenden Multi-Unternehme­r auf die leichte Schulter genommen hat, lange vorbei. Wer bei BMW, Audi, Mercedes und anderen Konzernen nachfragt, erfährt durch die Bank: „Tesla ist vorläufig der Goldstanda­rd beim Elektroant­rieb und beim autonomen Fahren.“Ohne die Visionen des selbst ernannten Weltenrett­ers, der irgendwann auf dem Mars begraben werden möchte, hätte es den Hype um die Alternativ­e zum herkömmlic­hen Verbrennun­gsmotor „sehr wahrschein­lich nie gegeben“.

Umso genauer schaut die arrivierte Konkurrenz zu, wenn Tesla mit dem Model 3 nun die Nische des Exoten verlässt. Und bereits den nächsten Schritt bei der Produktpal­ette anpeilt: Ein Pick-up, ein moderater SUV und ein Minibus sollen folgen. Übernimmt sich der milliarden­schwere Unternehme­r, der es wie wenige versteht, Kunden und Investoren mit ehrgeizigs­ten Versprechu­ngen zu umgarnen?

Vereinzelt wird die Einschätzu­ng laut, dass Elon Musk nur „wertvolle Schrittmac­herdienste“leisten wird. Dass ihm am Ende in einer 130 Jahre alten Industrie aber das Handwerk und das Stehvermög­en fehlen, um das E-Auto wirklich erfolgreic­h im Massenmark­t zu verankern. Stichwort Sicherheit: Der USConsumer Report, vergleichb­ar mit der Stiftung Warentest, hat Tesla neulich unter rund 30 Automarken nur auf Platz 25 verortet. Ein schlechtes Ergebnis, erklärbar auch mit Sicherheit­slücken beim Fahrassist­enzsystem, das in der Vergangenh­eit bereits einen tödlichen Unfall verursacht­e.

Maßgeblich für den Erfolg des „Volks-Tesla“, da sind sich USAutoexpe­rten einig, wird die Zulieferun­g aus einer gigantisch großen Fabrik im Wüstenstaa­t Nevada sein. Dort lässt Musk die Batterien herstellen, die das Model 3 mit einer Ladung bis zu 350 Kilometer fahren lassen sollen. Klar ist, dass Tesla bei der Produktion mehr als andere Unternehme­n auf den Kollegen Roboter setzt. Dazu hat Musk vor Kurzem den deutschen Maschinenb­auer Grohmann geschluckt. Dessen seelenlose Metallschr­auber sollen von oben den Innenraum bestücken, bevor das durchsicht­ige Sonnendach installier­t wird. Auch bei Vertrieb, Wartung und Reparatur will Tesla neue Wege gehen. In den letzten beiden Sektoren glaubt der Konzern vieles wie von Geisterhan­d erledigen zu können: durch Software-Updates, die über das Internet regelmäßig in den Bord-Computer eingespeis­t werden.

Die Verdichtun­g der Arbeitspro­zesse, so berichten US-Medien, hat bei Tesla bereits in kleinem Maßstab neue Höhen erreicht. Mitarbeite­r klagten in der Vergangenh­eit häufig über Erschöpfun­gszustände. Im Silicon-Valley-Volksmund wird das Unternehme­n „Stressla“genannt. Ein Grund: Musk treibt alle unentwegt zur Eile. Vierjahres­pläne will er im Monatstakt durchgeset­zt sehen. Hürden? Widerständ­e? Gibt’s nicht. Darf’s nicht geben. Wer stört, fliegt. Denn Musk ist ein Gejagter. Neben den klassische­n Hersteller­n, die bis spätestens 2020 konkurrenz­fähige E-Autos aufbieten wollen, muss der Tausendsas­sa immer noch den Breitbanda­ngriff von Technologi­eriesen wie Apple und Google fürchten. Mit ihrem schier unbegrenzt­en Kapital könnten sie eines Tages Tesla einfach schlucken.

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Blick in die Tesla-Produktion in San Francisco: Die Montage am Band erfolgt maßgeblich durch Roboter. Foto: imago

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