Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Der lange Marsch gegen Präsident Erdogan
Die türkische Opposition macht mobil gegen den Staatschef
Mit einem Fußmarsch von Ankara nach Istanbul demonstrieren türkische Oppositionelle gegen den Demokratie-Abbau unter dem „Diktator“Erdogan. Der reagiert zunehmend gereizt auf den Massenprotest und verteufelt die Demonstranten als „Terroristen“. Drei Wochen ist er auf den Beinen, über 350 Kilometer hat er zurückgelegt, aber Kemal Kilicdaroglu zeigt keine Anzeichen von Müdigkeit. Der fast 69jährige türkische Oppositionsführer scheint mit jedem Kilometer über sich hinauszuwachsen. Am 15. Juni brach der Vorsitzende der Republikanischen Volkspartei (CHP) in der Hauptstadt Ankara auf zu seinem „Adalat Yürüyüsü“, dem „Marsch für die Gerechtigkeit“. Er soll ins 450 Kilometer entfernte Istanbul führen. Inzwischen marschieren Zehntausende mit. Am Mittwoch war der Bosporus nur noch 80 Kilometer entfernt. Am Sonntag soll der Marsch sein Ziel erreichen: das Gefängnis im Istanbuler Stadtteil Maltepe.
Hier sitzt Enis Berberoglu in Haft. Ein Gericht hat den CHPAbgeordneten wegen Geheimnisverrats zu 25 Jahren Haft verurteilt. Mit Berberoglu wurde erstmals ein Parlamentarier der größten Oppositionspartei CHP inhaftiert. Anfangs erntete Kilicdaroglu Spott von der Regierung. Doch nun ist sein Marsch zur größten Bewegung seit den Massenprotesten gegen Erdogan herangewachsen. Und Erdogan wird nervös. Was ihn zu irritieren scheint: Kilicdaroglu stellt seine Rolle als CHP-Vorsitzender zurück. Parteisymbole sind bei dem Marsch nicht zu sehen. Das Motto besteht aus einem Wort: „adalet“, Gerechtigkeit. Zu der Abschlusskundgebung erwarten die Veranstalter mehr als eine Million Teilnehmer. Aber so weit ist es noch nicht. Kilicdaroglu weiß, dass Erdogan nach einem Vorwand sucht, den Marsch noch zu stoppen. Unter dem Ausnahmezustand braucht Erdogan nur einen geringfügigen Anlass, um die Aktion zu verbieten. (GH)