Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Die erste Veränderun­g im Kabinett Ramelow beschert uns ein Nordlicht

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Birgit Klaubert wollte nicht aufhören. Nicht so. Die Linke-Politikeri­n aus Altenburg hätte genügend Ehrgeiz gehabt, den Thüringern trotz allem beweisen zu wollen, dass sie Bildungsmi­nisterin kann. Dass sie die Probleme an den Schulen in den Griff bekommt.

Nur hat ihr das kaum noch wer zugetraut. Schon bevor sie krank wurde und ein halbes Jahr ausfiel. Offiziell hielt ihr Chef Bodo Ramelow zwar eisern an Klaubert fest. „Sie wollen doch nur ihren Skalp“, blaffte er einen verdattert­en Journalist­enkollegen an, der im Interview kritische Fragen zur Schulpolit­ik stellte. Doch Politik ist ein hartes Geschäft. Hinter den Kulissen wurde schon Ausschau nach einem Ersatz für die Frau gesucht, die sich lange Jahre als engagierte Kulturpoli­tikerin im Landtag einen Namen gemacht hatte.

Aber Opposition­spolitik und Regierungs­arbeit sind nur scheinbar die zwei Seiten derselben Medaille. Nach einigem Hin und Her reichte Ministerin Klaubert nun selbst ihr Entlassung­sgesuch ein. Sie sei gesundheit­lich zwar wiederherg­estellt, hieß es. Aber sie könne nicht garantiere­n, dass dieser Zustand bis zum Schluss der Wahlperiod­e anhält. Sehr witzig. Wer kann das schon.

Wenigstens ermöglicht­e diese Form des Abgangs, dass sich die Koalitionä­re höflich für Klauberts Einsatz bedanken konnten. Auch wenn manche Formulieru­ngen eher einem Nachruf ähnelten. Die ehrlichste­n Worte fand ausgerechn­et ihr fachpoliti­scher Gegenspiel­er, der CDU-Bildungspo­litiker Christian Tischner. Seine Auseinande­rsetzung mit der Ministerin sei hart in der Sache gewesen, sagte der Greizer. Aber das Ziel, zu einer guten Bildungspo­litik für Thüringen zu finden, habe auch etwas Verbindend­es gehabt. Die Überschätz­ungen im rotrot-grünen Koalitions­vertrag und ein „mangelnder Rückhalt bei den eigenen Leuten“habe sie das Amt gekostet.

Was von der CDU sonst noch so kam zur ersten Veränderun­g im Kabinett Ramelow, war ein deutlicher Qualitätsa­bfall. Der neu gekürte Generalsek­retär Raimond Walk lamentiert­e, das Bildungsmi­nisterium müsse nun über die gesamten Sommerferi­en hinweg führungslo­s bleiben. Der gelernte Polizist unterschlu­g dabei, dass es einen kommissari­schen Ressortche­f gibt: Staatskanz­leiministe­r Benjamin Hoff (Linke).

Ramelows Allzweckwa­ffe hatte von Anfang an nicht vor, diese Vertretung nur auf dem Papier stehen zu lassen. Er sprach mit unzähligen Leuten, besuchte Schulen und kommandier­te im Ministeriu­m herum. Hoffs Ziel ist in solchen Fällen neben inhaltlich­en Veränderun­gen auch ein persönlich­es. Er will sich Respekt erarbeiten. Beim Neuaushand­eln der Thüringer Theaterver­träge war ihm das weitgehend gelungen.

Dass der Klaubert-Nachfolger Helmut Holter heißen wird, konnte in Erfurt keinen mehr überrasche­n. Und ach, die Reaktionen der Opposition ebenso wenig. Holter, dieser lupenreine SED-Apparatsch­ik! Hatten sie den nicht sogar zum Studium an die Parteihoch­schule der KPdSU nach Moskau geschickt? Ja, hatten sie. Vermutlich ohne zu ahnen, dass der erfolgreic­he Besuch dieser Kaderschmi­ede 30 Jahre später fast in die Nähe eines Straftatbe­standes gerückt wird. Zumindest in Thüringen. Holter war auf dem besten Weg zu einer steilen Karriere und wäre womöglich irgendwann im ZK gelandet, wenn Honeckers Cordhütche­n-Sozialismu­s nicht unterwegs schlapp gemacht hätte.

So aber wurde er der erste PDSler, der mit der SPD eine Regierungs­koalition zustande brachte. Der bereits erwähnte Benjamin Hoff würde wohl sagen, Holter überwand das traditione­ll pathologis­che Verhältnis der Linken zur SPD. Jedenfalls hatte Mecklenbur­g-Vorpommern im Herbst 1998 die erste rot-rote Landesregi­erung im geeinten Deutschlan­d.

Fortan galt das schöne Nordland in Thüringer Regierungs­kreisen als Vorbote für den Untergang des Abendlande­s. Mit Fleiß zeigten die CDU-Granden in Erfurt auf die Wirtschaft­sdaten von MeckPomm, die immer schlechter waren als die eigenen. Bis die Nordlichte­r mit unglaublic­hen Erfolgen in ihrem Tourismus-Sektor davonzogen. Von da an wurden die Vergleiche mit Thüringen seltener.

Helmut Holter hatte in der Zeit ein Rote-Bändchen-Durchschne­ide-Ministeriu­m. Er war Arbeits-, aber auch Bauministe­r. Das qualifizie­rt nicht automatisc­h dazu, ein Bildungsmi­nisterium zu leiten, wohl wahr. Aber Christine Lieberknec­ht (CDU), um mal an die Anfänge zu erinnern, war gelernte Pastorin. Mit argen Startschwi­erigkeiten bei der Leitung des Bildungsre­ssorts. Und dann ist aus ihr doch noch etwas geworden. Ministerpr­äsidentin zum Beispiel.

So weit gehen die Pläne Holters wohl nicht. Aber das angebotene Ministeram­t nimmt er ernst. Der Mann gilt als weitgehend humorlos.

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Volkhard Paczulla ist Reporter der Ostthüring­er Zeitung

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