Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Gespräche mit Türkei einfrieren
Straßburg. Das EU-Parlament dringt auf eine formale Aussetzung der Beitrittsgespräche mit der Türkei. Die Abgeordneten stimmten in Straßburg parteiübergreifend für eine Aufforderung an die EU-Kommission, die aber rechtlich nicht bindend ist. Die Brüsseler Behörde führt die Verhandlungen mit Ankara. Zu einer Suspendierung der Gespräche soll es nach dem Willen der Parlamentarier aber nur kommen, wenn die Türkei die umstrittene Verfassungsreform ohne Änderungen umsetzt. Diese Reform könnte nach Einschätzung von Experten die Gewaltenteilung einschränken. Bei einer Aussetzung der Gespräche würde die Türkei Geld, das sie für Reformen bekommt, nicht mehr erhalten. (dpa)
Kurz nach 18 Uhr am Donnerstagabend fährt eine Kolonne mit schwarzen Limousinen vor das Hamburger Hotel „Atlantic“. US-Präsident Donald Trump, dunkelblauer Anzug und rote Krawatte, steigt aus. Bundeskanzlerin Angela Merkel, die ein marineblaues Jackett trägt, streckt ihm die Hand entgegen.
Kurze Begrüßung, immerhin mit einem Handschlag, dann verschwinden die beiden in der Lobby der Nobel-Herberge. Auch Präsidententochter Ivanka Trump und ihr Ehemann Jared Kushner, einer der wichtigsten Berater Trumps, sowie Außenminister Rex Tillerson sind dabei. Alle nehmen an dem darauf folgenden, gut einstündigen Spitzengespräch teil. Auch der deutsche Chefdiplomat Sigmar Gabriel sitzt mit am Tisch.
Große Herzlichkeit kommt anfangs beim Händeschütteln nicht auf, die Stimmung ist eher geschäftsmäßig. Ein Arbeitsbesuch zum Auftakt des G20-Gipfels der Industrie- und Schwellenländer am Freitag und Samstag in Hamburg. Aber der Präsident sei in der Runde sehr konstruktiv gewesen, heißt es später. Er wolle helfen, dass der Gipfel zu einem guten Ergebnis komme. Das hat er der Kanzlerin schon am Montag am Telefon versichert. In der Unterredung zwischen Merkel und Trump seien einige der mehr als 20 Gipfelthemen zur Sprache gekommen, aber auch außenpolitische Krisenzonen wie Nordkorea, der Mittlere Osten und die Ostukraine, teilt ein Regierungssprecher mit.
Die Amerikaner arbeiten gut mit, heißt es in Delegationskreisen. Bei der Regulierung der Finanzmärkte, bei Maßnahmen zur Austrocknung der Terror-Finanzierung oder bei der Unterstützung von Unternehmerinnen in Afrika gebe es große Übereinstimmung. Merkel versucht noch vor Beginn der G20Konferenz, Dampf aus den Kontroversen zu nehmen. Die USA hatten zuletzt die internationalen Spannungen angeheizt. Sie hatten ihren Ausstieg aus dem Pariser Klimavertrag, der eine deutliche Reduzierung der Treibhausgase vorsieht, angekündigt und mit Einfuhrzöllen auf Stahlimporte gedroht.
Merkel verfolgt eine pragmatische Linie. Sie will den Präsidenten nicht kompromittieren, sondern ihm eine gesichtswahrende Lösung anbieten – ohne Abstriche am Pariser Vertrag zu machen. Wie das genau aussehen soll, ist offen. Aber klar ist:
Die Kanzlerin hat sich vorgenommen, Trump nicht zu isolieren, eine Frontstellung „19 gegen eins“zu vermeiden.
In der Delegation eines europäischen G20-Landes wird der Vorschlag ventiliert, man könne in Hamburg eine allgemeine Erklärung zum Klima verabschieden und gleichzeitig eine neue Initiative der Länder starten, die das Pariser Abkommen unterzeichnet haben. Ein professionelles Klima also. Das war nicht immer so.
Wo die Entfremdung ihren Anfang nahm, ist schwer zu sagen. Aber vielleicht haben die atmosphärischen Störungen zwischen den beiden vor allem mit den unterschiedlichen politischen Temperamenten zu tun. Hier die kühle Analytikerin, dort der Impulsive, der im Reizzustand zu emotionalen Vulkanausbrüchen fähig ist.
Die Kanzlerin und CDU-Chefin weiß natürlich, dass ihr harte Töne gegen den hierzulande äußerst unpopulären US-Präsidenten im Bundestagswahlkampf nutzen. Doch Merkel ist sich auch bewusst, dass sie mit reiner Konfrontation beim G20-Gipfel an diesem Freitag und Samstag in Hamburg keine Ergebnisse erzielen kann. Es würde an ihrem Image als versierte Krisenmanagerin auf dem internationalen Parkett kratzen.
Merkel hat Verbündete um sich geschart
Als überzeugte Multilateralistin hat die Kanzlerin in den vergangenen Wochen immer wieder Verbündete um sich geschart. Für Freihandel und Klimavertrag, lautet die Devise in Argentinien, Mexiko oder Japan. Dass sich plötzlich auch autokratisch strukturierte Staaten wie China und Russland als Bannerträger für unreglementierten Warenaustausch und die Verminderung von CO -Emissionen starkmachen, sieht Merkel kühl. Einerseits will sie eine möglichst breite internationale Koalition. Andererseits macht sie sich keine Illusionen, dass auch die Regierungen in Peking und in Moskau mit harten Bandagen kämpfen, wenn es um den Schutz ihrer Märkte geht.
Klartext-Rednerin und Brückenbauerin: Merkel wandelt in Hamburg auf einem schmalen Grat. Am späten Abend trifft sie noch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan zu einem einstündigen Gespräch. Dabei geht es unter anderem um das EU-Flüchtlingsabkommen mit der Türkei.
Erdogan hatte Merkel als Gastgeschenk zuvor eine Verbalkeule mitgebracht: Deutschland begehe „Selbstmord“, weil der Staatschef aus Ankara bei seinem Besuch in Deutschland nicht öffentlich auftreten dürfe, wettert er im Interview. Für Merkel ist es ein Kanzler- und GipfelTest der ganz besonderen Art. Warschau. US-Präsident Donald Trump hat sich in Polen in einer Grundsatzrede zur Außenpolitik noch einmal ausdrücklich zur Beistandspflicht der Nato bekannt, dies aber mit einer Forderung an die europäischen Mitgliedsstaaten verbunden. Die USA stünden fest hinter dem Artikel 5 des Nordatlantikvertrags, sagte Trump am Donnerstag in Warschau. Er fügte hinzu: „Worte sind einfach, aber es sind die Taten, die zählen. Und für seinen eigenen Schutz muss Europa – und ihr wisst das, jeder weiß das, jeder muss es wissen –, muss Europa mehr tun.“
Europa müsse beweisen, „dass es an seine Zukunft glaubt, indem es sein Geld darin investiert, diese Zukunft zu schützen“, erklärte der Präsident. Im Artikel 5 haben die Mitgliedstaaten der Nato vereinbart, dass ein bewaffneter Angriff gegen einen oder mehrere von ihnen als ein Angriff gegen alle angesehen werden wird und sie sich gegenseitig unterstützen. Trump lobte zugleich die polnische Regierung für ihre Entscheidung, USRaketen des Typs Patriot zu kaufen. Zudem rief Trump Russland auf, das „destabilisierende Verhalten“in der Ukraine und anderswo wie in Syrien oder dem Iran einzustellen.
Im Streit über die nordkoreanischen Raketentests drohen die USA im äußersten Fall mit einem militärischen Eingreifen. Trump sagte, die internationale Gemeinschaft müsse nun demonstrieren, dass Nordkoreas „sehr, sehr schlechtes Benehmen“Konsequenzen haben werde. (dpa)