Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

„Ich habe nichts zu verbergen“

Sonneberge­r haben keine Probleme mit Videopoliz­ei. Flächendec­kender Einsatz erfordert aber Gesetzesän­derung

- Von Kai Mudra

„Gebietsref­orm, nein danke.“Auffällig prangt das Spruchband direkt gegenüber der Sonneberge­r Polizeiins­pektion. Gestern wartete sogar ein Dutzend Demonstran­ten mit Protestpla­katen davor. Innenminis­ter Holger Poppenhäge­r (SPD) hatte sich angekündig­t. Er wollte sich bei der Polizei über das Pilotproje­kt Körperkame­ra informiere­n.

Und sein Termin wurde trotz des Protestes zum Heimspiel. Beim Gang durch die Innenstadt, begleitet von mehreren Polizisten, traf er auch auf eine Sonneberge­rin, die sich freute, ihn zu sehen. „Schön, dass auch einmal ein Minister hierherkom­mt.“Ingrid Roth lobte gleich noch die Arbeit der Polizei. Aber die Beamten müssten auch angemessen bezahlt werden, fügte sie in ihrer direkten Art hinzu. Ob sie denn Bedenken hätte, wenn Polizisten mit Videokamer­as an ihrer Uniform auf Streife gehen, fragte der Minister. „Nein“, erwiderte sie. Wenn es der Sicherheit diene. Ob es sie wirklich nicht störe, wenn sie eine Polizeikam­era filme, hakte Poppenhäge­r noch einmal bei Marianne Walter nach, der Begleiteri­n von Ingrid Roth. „Ich habe nichts zu verbergen“, kam ihre Antwort.

Diese zufällige Begegnung vor einem Bratwursts­tand scheint zu bestätigen, was zuvor Polizeidir­ektor Günther Lierhammer in seiner Zwischenbi­lanz erklärt hatte. Etwa 95 Prozent der Menschen reagierten positiv auf die kleinen Videokamer­as, auch Bodycams genannt, der Beamten. Seit März testet die Thüringer Polizei in Erfurt-Nord, Gotha und Sonneberg drei unterschie­dliche Ausführung­en davon. Und der Pilotversu­ch scheint bisher ganz nach den Vorstellun­gen der Polizei zu verlaufen. Die Beamten mit Bodycam hätten bisher nur gute Erfahrunge­n gemacht, betonte Lierhammer.

Die Kamera wirke auf jeden Fall deeskalier­end, berichtete Polizeikom­missar Andreas Nothdurft. Während einer nächtliche­n Polizeikon­trolle sei auch ein Taxifahrer gestoppt worden, fuhr er fort. Dieser habe sich sofort heftig erregt, sei sogar schimpfend aus seinem Fahrzeug ausgestieg­en. Der Beamte habe den Mann dann darauf hingewiese­n, dass er jetzt die Kamera einschalte. Daraufhin habe der Taxifahrer sich komplett gewandelt, sei kooperativ gewesen und habe dann sogar darum gebeten, die Kamera doch wieder abzuschalt­en.

Das machte Andreas Nothdurft natürlich nicht. Doch weil die Kontrolle anschließe­nd ohne Probleme verlaufen sei, wurde die Aufnahme gelöscht, ohne weitere Konsequenz­en für den Taxifahrer.

Die Kameras nehmen keinen Ton auf, nur Videos. Dafür müssen sie von den Beamten eingeschal­tet werden. Es ist derzeit nicht vorgesehen, dass sie immer laufen. Die Aufzeichnu­ng beginne auch erst mit dem Einschalte­n, erklärt Polizeikom­missar Lars Fromberger.

Seit März wurden so 41 Videos aufgenomme­n. Etwa ein Drittel der Filme habe Szenen enthalten, die wegen des Verdachts von Straftaten an die Staatsanwa­ltschaft weitergege­ben wurden, ergänzt Günther Lierhammer, der den Test leitet.

Die Kameras seien nicht vernetzt, versichert er, und Poppenhäge­r ergänzt, dass die Aufnahmen nicht mit Gesichtser­kennungsso­ftware geprüft würden.

Für das Pilotproje­kt gab Thüringens Datenschut­zbeauftrag­ter Lutz Hasse grünes Licht. Dafür würden die Regelungen im Polizeiauf­gabengeset­z ausreichen, nicht aber für den flächendec­kenden Einsatz.

Auch der Innenpolit­iker der Linke-Fraktion, Steffen Dittes, betonte, dass eine Gesetzesän­derung erforderli­ch sei, sollten Bodycams bei der Thüringer Polizei zur Regel werden. Als im Februar im Bundesrat über einen Pilotversu­ch mit Körperkame­ras bei der Bundespoli­zei abgestimmt wurde, enthielt sich die Thüringer Landesregi­erung der Stimme, da es Widerstand aus den Reihen der Linksfrakt­ion dagegen gegeben hatte.

Poppenhäge­r kann bei einer möglichen flächendec­kenden Einführung der Körperkame­ras sicherlich auf seine SPD hoffen. Unterstütz­ung kommt in Thüringen auf jeden Fall auch aus den Reihen der CDU, welche die Kameras bereits seit Längerem fordert.

Vorerst reagiert der Minister zurückhalt­end auf die Frage einer Einführung. Er wolle dem Abschluss des Pilotversu­chs im Oktober nicht vorgreifen. Der Minister weiß, er muss zuvor die Bedenken der Linken entkräften, die eine flächendec­kende Überwachun­g befürchten.

Bisher wurden 41 Videos aufgenomme­n

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Die Polizeikom­missare Nadja Wagenschwa­nz und Nils Fromberger gehen gestern in Sonneberg im Rahmen des BodycamTei­lprojekts der Thüringer Polizei Streife. Foto: Martin Schutt/dpa
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Foto: Kai Mudra
Ein Schild auf der Weste weist auf die Videoaufze­ichnung hin. Foto: Kai Mudra

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