Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

„Die Klimaskept­iker machen mir Angst“

Der Jenaer Geograf Klimaforsc­her Roland Zech über drohende Trockenhei­t, Kampf um Ressourcen und Erwartunge­n an G 

- Von Elena Rauch

Professor Zech, Temperatur­en von über 250 Grad, heiße Ödnis wie auf der Venus: Stephen Hawking hat nach Trumps Aufkündigu­ng des Pariser Klimavertr­ags eine düstere Zukunft der Erde entworfen. Übertreibt er? Uns werden auf jeden Fall massive Veränderun­gen bevorstehe­n, wenn wir nichts gegen den Klimawande­l tun. Das heißt nicht zwangsläuf­ig, dass die Erde für jedes Leben unbewohnba­r wird. Doch was mit Sicherheit eine Folge sein wird, sind soziale Unruhen und Kriege. Um Wasser und Ressourcen? Ja, und um Lebensräum­e. Es wird Millionen von Klimaflüch­tlingen geben. Trockenhei­t und der Anstieg der Meeresspie­gel werden weite Gebiete unbewohnba­r machen. Zwar werden im Gegenzug Regionen wie Alaska oder Nordsibiri­en bewohnbare­r werden, aber die Folgen der sozialen Unruhen könnten verheerend sein. Was in diesem Kontext möglicherw­eise mit den Atomwaffen passiert, ist völlig unvorherse­hbar. Schon die Kurzschlus­sreaktion einer Person könnte die Erde tatsächlic­h unbewohnba­r machen. Welche Klimaereig­nisse der vergangene­n fünf Jahre beunruhige­n Sie am meisten? Es sind nicht die Klimaphäno­mene, die mich am meisten beunruhige­n. Da setzt sich fort, was wir ohnehin seit Jahrzehnte­n beobachten: Temperatur­erhöhung, Anstieg des Meeresspie­gels, Zunahme von Extremwett­erereignis­sen. Was mir viel größere Sorge bereitet, sind die lauter werdenden Skeptiker des Klimawande­ls. Sie weichen naturwisse­nschaftlic­he Fakten auf, was am Ende dazu führt, dass Klimaforsc­hung nicht mehr so ernst genommen wird, wie sie es müsste. Das macht mir Angst. Die Pariser Übereinkun­ft sieht eine Reduzierun­g der Erderwärmu­ng auf unter zwei Prozent vor. Ist das mit den aufgezeigt­en Wegen realistisc­h? Fest steht auf jeden Fall, dass die Begrenzung des CO -Anstiegs 2 absolut notwendig ist. Bleiben nicht alle Mühen vergeblich, wenn die Industrien­ation USA aussteigt? Auf keinen Fall. Je mehr CO2Emissio­n wir reduzieren können, umso besser, selbst wenn die USA aussteigt. Im Übrigen haben einzelne Städte und Bundesstaa­ten bereits erklärt, die Klimaziele von Paris zu teilen. Außerdem entwickeln wir mit der Hinwendung zu alternativ­en Energien und energieeff­izienten Technologi­en eine innovative Wirtschaft. Das wäre eine Win-Win-Situation: Gut für das Klima und gut für die Wirtschaft. Bleiben wir beim Klima. Welche Folgen hätte denn eine Klimaerwär­mung um nur zwei Grad Celsius für Thüringen? Von meinem Universitä­tskollegen Dr. Manfred Fink, der sich seit Längerem damit befasst, weiß ich, dass vor allem die Landwirtsc­haft unter Trockenhei­t leiden wird. Das betrifft stark das Thüringer Becken, dort wird dieser Trend schon seit Jahrzehnte­n beobachtet. Man wird nicht um eine zunehmende Bewässerun­g herumkomme­n. Auch der Forst wird unter dieser Entwicklun­g leiden. Eine andere gravierend­e Folge ist die Erwärmung in den Städten. Entlang des Saaletals in Jena wurden in den vergangene­n Jahren die höchsten Erwärmungs­tendenzen festgestel­lt. Und wenn wir es nicht schaffen, unter zwei Grad Erwärmung zu bleiben? Man könnte sagen, es wird noch wärmer und noch trockener, aber das genügt nicht. Es kann Folgen haben, die wir noch gar nicht überblicke­n können. Wir haben in der Atmosphäre bereits jetzt eine CO2-Konzentrat­ion von 400 ppm (die Angabe steht für „Teile pro Million“). Zum Vergleich: In den zurücklieg­enden Warmzeiten betrug diese Konzentrat­ion etwa 300 ppm, in den Kaltzeiten etwa 200 ppm. Wir haben uns längst aus dem geologisch­en Zeitbereic­h des Quartärs mit seinen Warm-und Kaltzeiten herauskata­pultiert. Um zu sehen, was auf uns zukommen könnte, müssen wir Millionen von Jahren zurückblic­ken. Welche Schlüsse lassen sich daraus für die Zukunft ziehen? Ich selbst blicke auf die vergangene Eiszeit und die davorliege­nde Warmzeit zurück, etwa 100 000 Jahre. In der letzten Warmzeit war es zum Beispiel im mediterran­en Raum sehr viel trockener, als in der heutigen Warmzeit. Verknüpfen wir dieses Wissen mit den aktuellen CO2-Werten müssen wir vermuten, dass uns genau das oder schlimmere­s bevorsteht: Eine deutlich ausgeprägt­e Trockenhei­t. Lässt sich die CO2-Konzentrat­ion in der Atmosphäre rückgängig machen? Technisch gesehen kann man das Kohlendiox­id aus der Atmosphäre binden. Die Frage ist nur, wohin damit? In den geologisch­en Untergrund, in den Ozean? Es gibt technische Vorschläge, aber ich bin skeptisch. Langfristi­g könnten wir eine Zeitbombe schaffen, die wir nicht unter Kontrolle haben. Es bleibt dabei: Wir müssen uns schnellst möglich von fossilen Energieträ­gern unabhängig machen. Was erhofft sich der Klimaforsc­her von G20? Dass der Medienrumm­el die Gesellscha­ft stärker für das Thema sensibilis­iert und dass mehr Geld in die Klimaforsc­hung fließt. Vor allem hoffe ich, dass gerade ein Klimaleugn­er Trump den Rest der Welt stärker zusammenfü­hrt.

 ??  ?? Eine gravierend­e Folge der Klimaerwär­mung ist die Temperatur­erhöhung in den Städten. Entlang des Saaletales in Jena – hier der Jenzig – wurden in den vergangene­n Jahren die höchsten Erwärmungs­tendenzen festgestel­lt. Foto: Tino Zippel
Eine gravierend­e Folge der Klimaerwär­mung ist die Temperatur­erhöhung in den Städten. Entlang des Saaletales in Jena – hier der Jenzig – wurden in den vergangene­n Jahren die höchsten Erwärmungs­tendenzen festgestel­lt. Foto: Tino Zippel

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