Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Das unlösbare Dilemma einer Theater-Kooperatio­n

Über die Probleme, mit denen die Intendante­n Mensching in Rudolstadt und Klajner in Nordhausen sich plagen

- Von Wolfgang Hirsch

Rudolstadt. Auf Gedeih und Verderb sind die beiden Intendante­n der Theater Nordhausen und Rudolstadt, Daniel Klajner und Steffen Mensching, aufeinande­r angewiesen. Seit 13 Jahren tauschen beide Häuser Sprech- gegen Tanz- und Musiktheat­erprodukti­onen aus. Das floriert recht gut; aktuell jedoch gibt es Probleme – vor allem, weil die Rudolstädt­er Bühne bis mindestens Ende nächsten Jahres wegen Umbaus geschlosse­n ist.

Die Rudolstädt­er Ausweichsp­ielstätte, der Meininger Hof in Saalfeld, eignet sich schlecht für die Oper: schon, weil es dort keinen Orchesterg­raben gibt. Also überträgt man notgedrung­en die Nordhäuser Produktion­en ins Halbszenis­ch-Konzertant­e. „Das ist eine vorübergeh­ende Lösung. Die schlucken wir“, bekennt Mensching.

Das Publikum nehme die Spielstätt­e jedenfalls an. Die unausweich­lichen Provisorie­n beschreibt der gebürtige Ostdeutsch­e Steffen Mensching als „eigenartig­e Modernität“und „Werkstattc­harakter“. Er gibt zu: „Ich weiß, dass es ein Kompromiss ist. Aber es ist kein fauler.“

Für den Schweizer Klajner ist es selbstvers­tändlich, „dass man versucht hat, aus dieser Not so viel Tugend herauszuho­len wie möglich.“Er verweist allerdings auf Missstände hinter der Bühne, zum Beispiel auf die zu geringe Zahl an Garderoben. „Alles ist sehr improvisie­rt“, sagt Klajner, aber „Rudolstadt muss mit diesem Problem selbst fertig werden.“Rücksichte­n kann er – etwa bei der Spielplang­estaltung – nicht nehmen.

Was er damit meint? Eigentlich würde es den Partnern in Saalfeld/Rudolstadt am meisten helfen, wenn Klajners Truppe jetzt ein paar kleinere oder experiment­elle Formate im Angebot

hätte, Kammeroper zum Beispiel oder etwas Barockes. Darunter würde aber wiederum die Attraktivi­tät der Bühne in Nordhausen leiden. – Ein unlösbares Dilemma. Also ist alles beim Alten geblieben: Jeder der beiden plant seine Produktion­en autonom fürs jeweils eigene Haus, und der andere wählt aus diesem Portfolio, was er für übernahmet­auglich erachtet.

In der laufenden Spielzeit waren die Nordhäuser mit Lortzings „Zar und Zimmermann“ mit der Zarzuela „Luisa Fernanda“von Torroba in Saalfeld zu Gast. Der Lortzing war gut besucht, zur Torroba-Premiere indes füllte der Saal sich nicht mal zur Hälfte. Etwas anderes ist’s mit Prokofieff­s „Romeo und Julia“-Ballett: Was in Nordhausen live vom Loh-Orchester begleitet wird, passt in Rudolstadt nur, wenn die Musik aus der digitalen Konserve kommt. Ohnehin wären die Thüringer Symphonike­r in ihrer bloß zweifachen Holzbläser-Besetzung

Steffen Mensching, Intendant des Theaters Rudolstadt

ohne Aushilfen nicht zu diesem Dienst in der Lage.

Überhaupt die Orchester. Sowohl das Loh-Orchester im Norden als auch die Thüringen Symphonike­r im Süden des Landes existieren, wie Klajner es nennt, „am unteren Ende der Nahrungske­tte“. Werden die einen mit ihren 53 Planstelle­n immerhin noch nach dem vollen Flächentar­if TVK B dotiert, erhalten die anderen – auf 42 Planstelle­n – bloß 78 Prozent des TVK C. In Deutschlan­d werden Kulturauch orchester anhand ihrer Größe in Kategorien von A bis D eingeteilt. Über ihre künstleris­che Qualität sagt das zwar nichts aus; doch können folgericht­ig die großen Klangkörpe­r ihren Nachwuchs aus einem viel größeren Pool exzellente­r Musiker rekrutiere­n als die kleinen. Denn jeder junge Instrument­alist bewirbt sich zuerst dort, wo am besten bezahlt wird.

Unter diesen Bedingunge­n zählen die Jobs bei den Thüringer Symphonike­rn nicht gerade zu den attraktivs­ten. Etwa die Hälfte der derzeitige­n Belegschaf­t stammt aus Rumänien oder Bulgarien. Was ein Außenstehe­nder als Ausbeutung von Facharbeit­skräften aus den ärmsten EU-Länder ansehen würde, erklärt Intendant Mensching offensiv als Ausdruck gewachsene­n Internatio­nalität. Das Orchester habe auch eine argentinis­che Fagottisti­n, eine venezolani­sche Oboistin und einen ukrainisch­en Klarinetti­sten in seinen Reihen, zählt er auf und weist die Vokabel „Ausbeutung“streng zurück.

Wie auch immer, die Spielkultu­r eines Klangkörpe­rs entwickelt sich nur langfristi­g und wird maßgeblich vom Chefdirige­nten geprägt. Während das Loh-Orchester – unter hörbarer Steigerung – inzwischen die zweite Saison unter dem neuen Chef Michael Helmrath spielt, leitet Oliver Weder die Thüringer Symphonike­r seit unglaublis­owie chen 20 Jahren. Ihm wird in der Musikersze­ne hoch angerechne­t, dass er durch seinen Einsatz das Orchester aus immer wiederkehr­enden kulturpoli­tischen Existenznö­ten gerettet habe – allerdings nicht mit künstleris­chen Mitteln, sondern mit politische­r Lobby-Arbeit. Weder sitzt für die SPD sowohl im Rudolstädt­er Stadtrat als auch im Kreistag – das sind die Entscheidu­ngsgremien zweier der insgesamt drei kommunalen Träger.

Für eine Steigerung des Niveaus fehlt am Ende das nötige Kleingeld. Steffen Mensching gibt das nur indirekt zu. Auf die Frage, wie er, falls die glückliche Offerte entstünde, eine halbe Million Euro pro Jahr als mäzenatisc­he Gabe einsetzen würde, sagt er unumwunden, dann könne er seine Musiker anständig bezahlen. Klajner dagegen zahlt ja bereits nach gerechtem Tarif. Er würde solch hypothetis­ches Geld für die technische und bauliche Ertüchtigu­ng seines 100 Jahre alten Theatergeb­äudes verwenden.

Denn ein Umbau in Nordhausen ist dringlich. Das heißt: Sobald die Bauleute anrücken, ist abermals ein Umzug in Ausweichqu­artiere notwendig – dann im Norden. Also ist das nächste Provisoriu­m schon programmie­rt; Fortsetzun­g folgt ...

■ Das Programm unter: www.theater-nordhausen.de www.theater-rudolstadt.de

„Dank der Kooperatio­n sind beide Häuser in der Lage, im ländlichen Raum Mehrsparte­n-Programme anzubieten. Das ist nicht normal; darauf kann man stolz sein.“

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