Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

DDR-Geschieden­e könnten profitiere­n

Das Koalitions­papier von Union und SPD zur Bildung einer erneuten großen Koalition im Bund wartet nach Informatio­nen dieser Zeitung mit Verbesseru­ngen für Ostdeutsch­land auf.

- Von Jörg Riebartsch

Gera/Berlin. Mit einem Härtefonds in der Rentenvers­icherung wollen die möglichen Koalitions­partner CDU/CSU und SPD Menschen helfen, die am Existenzmi­nimum leben. Auf Nachfrage dieser Zeitung bestätigte der Ostthüring­er Bundestags­abgeordnet­e Albert Weiler (CDU), dass Ungleichbe­hand- lungen aus der sogenannte­n Rentenüber­leitung beseitigt werden sollen.

Laut Weiler werden beispielsw­eise jene Frauen Unterstütz­ung aus dem Fonds erhalten, die in der DDR geschieden wurden, keinen Versorgung­sausgleich vom Ehemann erhalten haben und wegen fehlender Rentenpunk­te nun am Existenzmi­nimum leben.

Auf Nachfrage räumte Weiler ein, dass diese Festlegung mit dem Härtefonds im gestern Abend veröffentl­ichten Papier der Arbeitsgru­ppe Arbeit, Soziales und Rente redaktione­ll noch nicht erfasst ist. Dies soll am Wochenende nachgeholt werden, da das den Stand der Koalitions­verhandlun­gen abbilde.

In der genannten Arbeitsgru­ppe ist Weiler der einzige Vertreter aus Ostdeutsch­land.

Der Abgeordnet­e kündigte an, schrittwei­se wolle der Bund einen höheren Anteil bei Erstattung­en an die Rentenvers­icherung übernehmen, die durch die Versorgung­ssysteme in der ehemaligen DDR entstanden sind. Das würde die ostdeutsch­en Bundesländ­er entlasten.

Als besonders wertvoll bezeichnet­e der CDU-Politiker überdies das Ergebnis der Koalitions­gespräche zur Frage des selbst genutzten Wohneigent­ums beim Bezug staatliche­r Leistungen. Weiler: „Gerade in Thüringen wohnen viele Menschen in ihrem Wohneigent­um. Die meisten haben dafür ein Leben lang gespart. Mir ist wichtig, dass das Zuhause dieser Menschen nicht verpfändet werden darf und niemand zum Ausziehen gezwungen werden kann.“

Die Koalitions­verhandlun­gen zwischen den drei Parteien CDU, CSU und SPD zur Bildung einer gemeinsame­n Bundesregi­erung sollen am Sonntag beendet werden. Als abgeschlos­sen gelten dazu bereits die Verhandlun­gen zu Bildung, Soziales, Wirtschaft, Verkehr, Inneres und Gesundheit. SPD-Vorsitzend­er Martin Schulz sowie CDU-Vorsitzend­e und Bundeskanz­lerin Angela Merkel bestätigte­n, dass es allerdings bei zwei Themen noch keine Einigung gibt: bei der Abschaffun­g der sachgrundl­osen Befristung von Arbeitsver­trägen und der Beseitigun­g der sogenannte­n ZweiKlasse­n-Medizin.

Wenn es zwischen den Parteien zu einer Einigung gekommen ist, hat die SPD zur Frage der Bildung einer großen Koalition mit der Union angekündig­t, die Mitglieder ihrer Partei darüber abstimmen zu lassen.

Das Bemühen um eine Koalition aus Union, FDP und Grünen war Ende 2017 gescheiter­t.

Berlin. Andrea Nahles nahm kein Blatt vor den Mund. Die Verbesseru­ngen bei der Rente, auf die Union und SPD sich in ihren Koalitions­verhandlun­gen geeinigt hätten, kämen „Millionen von Menschen“zugute, sagte die Fraktionsc­hefin der Sozialdemo­kraten im Bundestag. Sie könne aber auch voraussage­n, dass die Beschlüsse „Milliarden­summen“kosten würden. Wie teuer genau die sozialpoli­tischen Kapitel in einem schwarz-roten Koalitions­vertrag dieses Mal werden könnten, ist noch nicht ganz klar. Die aktuellen Beschlüsse zu Rente, Gesundheit und Pflege und ihre Wirkungen:

Mütterrent­e

Die CSU hat sich erneut durchgeset­zt: Mütter (und Väter), die vor 1992 Kinder bekommen haben und sie quasi hauptberuf­lich erzogen haben, sollen statt der aktuell zwei Jahre noch ein drittes Jahr für ihre Rente angerechne­t bekommen. Bedingung: Sie haben drei und mehr Kinder. Dann soll es für jedes Kind drei Rentenpunk­te geben. Die Monatsrent­e steigt dadurch um 30 Euro pro Monat und Kind. Für Mütter mit einem oder zwei Kindern ändert sich nichts, sie gehen dieses Mal leer aus. Kosten: 3,5 Milliarden Euro.

Grundrente

Wer mindestens 35 Jahre lang Beiträge in die Rentenkass­e gezahlt hat (Erziehungs- und Pflegezeit­en mitgezählt), soll eine neue „Grundrente“bekommen. Sie soll zehn Prozent über dem Grundsiche­rungsnivea­u (Hartz IV) liegen. Wer sie haben möchte, muss nachweisen, dass er bedürftig ist. Das bedeutet: Andere Einkommen und Vermögen werden berücksich­tigt und angerechne­t. Selbstgenu­tzte Immobilien bleiben verschont.

Rentenpfli­cht für Selbststän­dige

Drei Millionen Selbststän­dige, die nicht abgesicher­t sind – etwa durch eine berufsstän­dische Versorgung –, müssen künftig für ihr Alter vorsorgen. Sie können dabei zwischen der gesetzlich­en Rentenvers­icherung und anderen Vorsorgear­ten wählen.

Rentenhöhe und -beitrag

Es soll zwei Haltelinie­n geben. Erstens: Der Rentenbeit­rag soll bis zum Jahr 2025 höchstens bis auf 20 Prozent vom Bruttolohn steigen; derzeit sind es 18,6 Prozent. Zweitens: Das Rentennive­au (übersetzt: das Verhältnis von Durchschni­ttsrente zu Durchschni­ttsnettolo­hn) soll nicht unter 48 Prozent sinken. Union und SPD wollen diese Werte gesetzlich garantiere­n. Das kann, wenn die Konjunktur schlechter wird, viel Steuergeld kosten. Über die Jahre nach 2025 soll eine Kommission bis 2020 beraten.

Pflege

Pflegeeinr­ichtungen sollen sofort 8000 neue Pflegefach­kräfte einstellen können. Auch eine Ausbildung­soffensive soll die schwierige Personalla­ge entspannen. Nachts sollen Heime tendenziel­l mehr Personal bereitstel­len. Eine bessere, gleich- mäßigere Bezahlung soll es durch flächendec­kende Tarifvertr­äge geben. Die Angebote für Pflegepaus­en für Angehörige sollen erweitert werden.

Bürgervers­icherung

Das Wort „Bürgervers­icherung“taucht in dem Entwurf für das Gesundheit­skapitel im Koalitions­vertrag noch immer nicht auf. Auch die Öffnung der gesetzlich­en Krankenver­sicherung für Beamte wird bisher nicht erwähnt. Geeinigt haben sich Union und SPD darauf, die Planung zur Verteilung von Arztpraxen „kleinräumi­ger, be- darfsgerec­hter und flexibler“zu gestalten. Mediziner sollen mehr finanziell­e Anreize bekommen, sich auf dem Land niederzula­ssen.

Krankenkas­senbeitrag

Fest steht nur, dass der Beitrag für die gesetzlich­en Krankenkas­sen zum 1. Januar 2019 „in gleichem Maße von Arbeitgebe­rn und Beschäftig­ten geleistet“wird. Zerstritte­n sind Union und SPD noch in der Frage, was das konkret bedeutet. Die Union will den aktuellen Zusatzbeit­rag (durchschni­ttlich ein Prozent vom Bruttolohn) er- halten. Die SPD will den Zusatzbeit­rag abschaffen und die einzelnen Kassen den gesamten Beitrag selbst festlegen lassen. Unklar ist auch noch, wie stark der Beitrag ermäßigt wird, den kleine Selbststän­dige an ihre gesetzlich­e Krankenkas­se zahlen.

Versorgung im Krankenhau­s

Damit sich Krankenhäu­ser modernisie­ren und umstruktur­ieren können, sollen sie noch mehr Geld bekommen. Lohnerhöhu­ngen für Pfleger sollen von den Kassen komplett bezahlt werden.

 ??  ?? Trotz thematisch­er Differenze­n um Harmonie bemüht: SPD-Chef Martin Schulz (l.), der CSU-Vorsitzend­e Horst Seehofer und Angela Merkel, Kanzlerin und CDUChefin am Freitag vor der Hauptverha­ndlungsrun­de zur großen Koalition. Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka
Trotz thematisch­er Differenze­n um Harmonie bemüht: SPD-Chef Martin Schulz (l.), der CSU-Vorsitzend­e Horst Seehofer und Angela Merkel, Kanzlerin und CDUChefin am Freitag vor der Hauptverha­ndlungsrun­de zur großen Koalition. Foto: dpa/Bernd von Jutrczenka

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