Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
DDR-Geschiedene könnten profitieren
Das Koalitionspapier von Union und SPD zur Bildung einer erneuten großen Koalition im Bund wartet nach Informationen dieser Zeitung mit Verbesserungen für Ostdeutschland auf.
Gera/Berlin. Mit einem Härtefonds in der Rentenversicherung wollen die möglichen Koalitionspartner CDU/CSU und SPD Menschen helfen, die am Existenzminimum leben. Auf Nachfrage dieser Zeitung bestätigte der Ostthüringer Bundestagsabgeordnete Albert Weiler (CDU), dass Ungleichbehand- lungen aus der sogenannten Rentenüberleitung beseitigt werden sollen.
Laut Weiler werden beispielsweise jene Frauen Unterstützung aus dem Fonds erhalten, die in der DDR geschieden wurden, keinen Versorgungsausgleich vom Ehemann erhalten haben und wegen fehlender Rentenpunkte nun am Existenzminimum leben.
Auf Nachfrage räumte Weiler ein, dass diese Festlegung mit dem Härtefonds im gestern Abend veröffentlichten Papier der Arbeitsgruppe Arbeit, Soziales und Rente redaktionell noch nicht erfasst ist. Dies soll am Wochenende nachgeholt werden, da das den Stand der Koalitionsverhandlungen abbilde.
In der genannten Arbeitsgruppe ist Weiler der einzige Vertreter aus Ostdeutschland.
Der Abgeordnete kündigte an, schrittweise wolle der Bund einen höheren Anteil bei Erstattungen an die Rentenversicherung übernehmen, die durch die Versorgungssysteme in der ehemaligen DDR entstanden sind. Das würde die ostdeutschen Bundesländer entlasten.
Als besonders wertvoll bezeichnete der CDU-Politiker überdies das Ergebnis der Koalitionsgespräche zur Frage des selbst genutzten Wohneigentums beim Bezug staatlicher Leistungen. Weiler: „Gerade in Thüringen wohnen viele Menschen in ihrem Wohneigentum. Die meisten haben dafür ein Leben lang gespart. Mir ist wichtig, dass das Zuhause dieser Menschen nicht verpfändet werden darf und niemand zum Ausziehen gezwungen werden kann.“
Die Koalitionsverhandlungen zwischen den drei Parteien CDU, CSU und SPD zur Bildung einer gemeinsamen Bundesregierung sollen am Sonntag beendet werden. Als abgeschlossen gelten dazu bereits die Verhandlungen zu Bildung, Soziales, Wirtschaft, Verkehr, Inneres und Gesundheit. SPD-Vorsitzender Martin Schulz sowie CDU-Vorsitzende und Bundeskanzlerin Angela Merkel bestätigten, dass es allerdings bei zwei Themen noch keine Einigung gibt: bei der Abschaffung der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen und der Beseitigung der sogenannten ZweiKlassen-Medizin.
Wenn es zwischen den Parteien zu einer Einigung gekommen ist, hat die SPD zur Frage der Bildung einer großen Koalition mit der Union angekündigt, die Mitglieder ihrer Partei darüber abstimmen zu lassen.
Das Bemühen um eine Koalition aus Union, FDP und Grünen war Ende 2017 gescheitert.
Berlin. Andrea Nahles nahm kein Blatt vor den Mund. Die Verbesserungen bei der Rente, auf die Union und SPD sich in ihren Koalitionsverhandlungen geeinigt hätten, kämen „Millionen von Menschen“zugute, sagte die Fraktionschefin der Sozialdemokraten im Bundestag. Sie könne aber auch voraussagen, dass die Beschlüsse „Milliardensummen“kosten würden. Wie teuer genau die sozialpolitischen Kapitel in einem schwarz-roten Koalitionsvertrag dieses Mal werden könnten, ist noch nicht ganz klar. Die aktuellen Beschlüsse zu Rente, Gesundheit und Pflege und ihre Wirkungen:
Mütterrente
Die CSU hat sich erneut durchgesetzt: Mütter (und Väter), die vor 1992 Kinder bekommen haben und sie quasi hauptberuflich erzogen haben, sollen statt der aktuell zwei Jahre noch ein drittes Jahr für ihre Rente angerechnet bekommen. Bedingung: Sie haben drei und mehr Kinder. Dann soll es für jedes Kind drei Rentenpunkte geben. Die Monatsrente steigt dadurch um 30 Euro pro Monat und Kind. Für Mütter mit einem oder zwei Kindern ändert sich nichts, sie gehen dieses Mal leer aus. Kosten: 3,5 Milliarden Euro.
Grundrente
Wer mindestens 35 Jahre lang Beiträge in die Rentenkasse gezahlt hat (Erziehungs- und Pflegezeiten mitgezählt), soll eine neue „Grundrente“bekommen. Sie soll zehn Prozent über dem Grundsicherungsniveau (Hartz IV) liegen. Wer sie haben möchte, muss nachweisen, dass er bedürftig ist. Das bedeutet: Andere Einkommen und Vermögen werden berücksichtigt und angerechnet. Selbstgenutzte Immobilien bleiben verschont.
Rentenpflicht für Selbstständige
Drei Millionen Selbstständige, die nicht abgesichert sind – etwa durch eine berufsständische Versorgung –, müssen künftig für ihr Alter vorsorgen. Sie können dabei zwischen der gesetzlichen Rentenversicherung und anderen Vorsorgearten wählen.
Rentenhöhe und -beitrag
Es soll zwei Haltelinien geben. Erstens: Der Rentenbeitrag soll bis zum Jahr 2025 höchstens bis auf 20 Prozent vom Bruttolohn steigen; derzeit sind es 18,6 Prozent. Zweitens: Das Rentenniveau (übersetzt: das Verhältnis von Durchschnittsrente zu Durchschnittsnettolohn) soll nicht unter 48 Prozent sinken. Union und SPD wollen diese Werte gesetzlich garantieren. Das kann, wenn die Konjunktur schlechter wird, viel Steuergeld kosten. Über die Jahre nach 2025 soll eine Kommission bis 2020 beraten.
Pflege
Pflegeeinrichtungen sollen sofort 8000 neue Pflegefachkräfte einstellen können. Auch eine Ausbildungsoffensive soll die schwierige Personallage entspannen. Nachts sollen Heime tendenziell mehr Personal bereitstellen. Eine bessere, gleich- mäßigere Bezahlung soll es durch flächendeckende Tarifverträge geben. Die Angebote für Pflegepausen für Angehörige sollen erweitert werden.
Bürgerversicherung
Das Wort „Bürgerversicherung“taucht in dem Entwurf für das Gesundheitskapitel im Koalitionsvertrag noch immer nicht auf. Auch die Öffnung der gesetzlichen Krankenversicherung für Beamte wird bisher nicht erwähnt. Geeinigt haben sich Union und SPD darauf, die Planung zur Verteilung von Arztpraxen „kleinräumiger, be- darfsgerechter und flexibler“zu gestalten. Mediziner sollen mehr finanzielle Anreize bekommen, sich auf dem Land niederzulassen.
Krankenkassenbeitrag
Fest steht nur, dass der Beitrag für die gesetzlichen Krankenkassen zum 1. Januar 2019 „in gleichem Maße von Arbeitgebern und Beschäftigten geleistet“wird. Zerstritten sind Union und SPD noch in der Frage, was das konkret bedeutet. Die Union will den aktuellen Zusatzbeitrag (durchschnittlich ein Prozent vom Bruttolohn) er- halten. Die SPD will den Zusatzbeitrag abschaffen und die einzelnen Kassen den gesamten Beitrag selbst festlegen lassen. Unklar ist auch noch, wie stark der Beitrag ermäßigt wird, den kleine Selbstständige an ihre gesetzliche Krankenkasse zahlen.
Versorgung im Krankenhaus
Damit sich Krankenhäuser modernisieren und umstrukturieren können, sollen sie noch mehr Geld bekommen. Lohnerhöhungen für Pfleger sollen von den Kassen komplett bezahlt werden.