Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Privatleute sollen Euro für Bombenentschärfung zahlen
Die Stadt Nordhausen fordert Landeigentümer per Brief auf, die Kosten der Aktion im April zu tragen
Nordhausen. Sind zwei Hesseröder am Zweiten Weltkrieg mit Schuld? Den Eindruck gewinnt, wer von dem Brief hört, der beide jetzt aus dem Nordhäuser Rathaus ereilte: Mehr als 12 000 Euro seien zu zahlen für die Entschärfung jener Bombe, die am 3. April 2017 auf einem Feld bei Hesserode entdeckt wurde.
Der eine hat das Feld gepachtet, dem anderen gehört es. Das genügt in diesem Freistaat, für eine Bombenentschärfung finanziell aufkommen zu müssen.
„Wir müssen das Geld eintreiben, weil wir nicht für alles zahlen können. Stellen Sie sich vor, es wird zehn Mal im Jahr eine solche Bombe in Nordhausen gefunden“, meint Bürgermeisterin Jutta Krauth (SPD).
Zur Frage der Zumutbarkeit sagt sie, ein Antrag auf Stundung, Niederschlagung oder Erlass könne gestellt werden. „Wer kein Vermögen hat, wird nichts bezahlen müssen.“ Zwei unbescholtene Bürger müssen ausbaden, dass der Staat seiner Verantwortung für die Kriegsfolgelasten nicht vollumfänglich gerecht wird. Wer die Zuständigkeiten erfragt, erfährt, dass Bund, Land und Kommunen involviert sind, es aber in Thüringen eine Hintertür gibt, Privatleute zur Kasse zu bitten.
Aus dem Bundesinnenministerium heißt es, seit 1956 komme der Bund nicht mehr allein für die Kosten der Kampfmittelbeseitigung auf. Vielmehr sieht er seine vollumfängliche Verantwortung nur für seine eigenen Liegenschaften, ist darüber hinaus bereit, auf anderen Flächen die „Beseitigung ehemals reichs- eigener Kampfmittel“zu bezahlen, informiert Pressesprecher Johannes Dimroth. „Die Länder tragen die übrigen Beseitigungskosten.“Also eben auch die für eine Entschärfung einer englischen Fliegerbombe auf einem privaten Feld.
Was in Hessen oder Niedersachsen so akzeptiert wird, lässt das Land Thüringen nicht gelten. Vielmehr stellt es eine entscheidende Bedingung: Bei „nichtreichseigener Munition“trage das Land „aus Billigkeits- gründen und ohne Anerkennung einer rechtlichen Verpflichtung nur gegenüber Privatpersonen und kommunalen Gebietskörperschaften die Kosten für Transport, Entschärfung, Lagerung und Vernichtung. Zudem darf das betroffene Grundstück nicht zur Erzielung von Einkünften dienen“, heißt es aus dem Landesverwaltungsamt.
Der letzte Satz hat es in sich: Denn als Einkünfte – mögen sie auch noch so gering sein – gelten Miet- und Pachteinnahmen wie auch Einnahmen aus einer landoder forstwirtschaftlichen Nutzung. Wenige Euro Gewinn also genügen schon, und das Land verweigert jedwede Kostenübernahme – stehen auch Tausende Euro im Raum.
Die Stadt Nordhausen blieb deshalb 2016 – ganz im Gegensatz zur vorherigen Praxis – auf den Kosten der Bombensprengung bei Leimbach sitzen: Es ging um einen hohen vierstelligen Betrag. „Denn das Grundstück, wo die Bombe gefunden wurde, gehörte uns und wir waren Mitglied einer Waldgenossenschaft, erzielten also Einkünfte“, erklärt Krauth.
Das Land müsse sich zu seiner Verantwortung bekennen, dürfe die Kosten nicht auf Kommunen und Private abwälzen, betont sie, schiebt dann nach: „Oder der Bund begreift endlich auch englische Fliegerbomben als Kriegsfolgenlast. Schließlich wurden diese hier abgeworfen, weil Deutschland den Zweiten Weltkrieg mit dem Überfall auf Polen begonnen hatte.“Die Unterscheidung zwischen deutschen und alliierten Bomben sei „inkonsequent“.
Der Staat verlagert seine eigene Verantwortung
Deutsche Bombe nicht gleich englische Bombe
Im Hesseröder Fall erging noch keine Rechnung, vielmehr läuft das Anhörungsverfahren. Darin spiele auch die Leistungsfähigkeit von Landeigentümer und Pächter eine Rolle, sagt Ordnungsamtsleiter Christian Kowal. Jutta Krauth will nicht unerwähnt lassen, dass besagte rund 12 000 Euro nur jene sind, die der Stadt in Rechnung gestellt wurden: für das Entschärfen, das Anmieten eines Minibaggers, den Bustransfer und die Verpflegung der Evakuierten, für das Aufstellen von Schildern an der Autobahn 38, um diese sperren zu können. „Die Stadt trägt die Nebenkosten für das eingesetzte Feuerwehr-, Ordnungsamts- und Bauhof-Personal, für das Lagezentrum.“
Das Feld nahe dem Ziegelwerk Sourell, auf dem vorigen Herbst eine Bombe entschärft wurde, hat übrigens auch ein Privatmann gepachtet. Allerdings von der Stadt als Eigentümerin selbst. Die dürfte noch immer als deutlich leistungsfähiger als der Landwirt eingestuft werden.