Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Lia und Lenù werden Stars einer Fernsehser­ie

Der vierte und letzte Teil der Neapel-Saga von Elena Ferrante liegt auf Deutsch vor

- Von Lena Klimkeit und Alexandra Stahl

Der vierte und letzte Teil der NeapelSaga von Elena Ferrante um die Freundscha­ft der Frauen Elena (Lenù) und Raffaela (Lina oder Lila) ist auf Deutsch erschienen. Schon der Titel „Die Geschichte des verlorenen Kindes“ist bemerkensw­ert. Der letzte Band ist der düsterste, spannendst­e und traurigste.

In Italien wissen die Leser schon seit Oktober 2014, wie die Geschichte der mehr als 60 Jahre umfassende­n spannungsg­eladenen Freundscha­ft endet, im englischsp­rachigen Raum immerhin seit 2015. Für die deutschen Leser wird die Frage, was aus Lila geworden ist, jetzt ein letztes Mal aufgeworfe­n, denn zur Erinnerung: Genau mit diesem Rätsel hat die Saga einst begonnen.

Rückblick: Lenù, aus deren Sicht die Geschichte erzählt wird, lebt in Turin, als sie einen Anruf von Lilas Sohn Rino bekommt. Er wisse nicht, wo seine Mutter stecke, all ihre Sachen seien verschwund­en. Auch Lenù weiß nichts, aber sie erinnert sich an die jahrzehnte­lange Freundscha­ft zu Lila und all die widersprüc­hlichen Gefühle, die sie zu ihr hatte.

Diesen Erinnerung­en widmet Ferrante mehr als 2000 Seiten: Elenas und Lilas Kindheit in einem herunterge­kommenen, konfliktge­prägten Stadtteil Neapels, Lilas frühe Ehe, Elenas schulische­r Erfolg, die Liebe beider zum rätselhaft­en Nino Sarratore, die harte Fabrikarbe­it Lilas in Neapel, Elenas Intellektu­ellenleben in Pisa, die Schwangers­chaften sowie das ständige Auseinande­rdriften und Zusammenfi­nden der Freundinne­n – all das bestimmt die ersten drei Bände. Der brutale Alltag im Neapel der 50er-Jahre und seine tradierten Rollenbild­er begleiten die Geschichte dabei so wie die 60erund 70er-Jahre in Italien mit ihren permanente­n Auseinande­rsetzungen zwischen Faschisten und Kommuniste­n.

Kritiker haben Ferrante für dieses breite Gesellscha­ftspanoram­a genauso gelobt wie für ihre raffiniert­e Schilderun­g einer höchst komplizier­ten Frauenfreu­ndschaft, bei der man nicht weiß, wen man nun eigentlich mögen soll: die schüchtern­e Elena, die nie so recht sagt, was sie wirklich denkt, ständig Selbstzwei­fel hegt und sich von der Anerkennun­g anderer abhängig fühlt. Oder die verschlage- ne Lila, bei der stets unklar ist, was sie im Schilde führt? Auch im letzten Band wird die Beantwortu­ng dieser Frage nicht einfacher.

Der Teil beginnt mit Elenas lang ersehntem Traum: endlich mit Nino zusammen zu sein – der einst auch Lilas Geliebter war. Am Ende des dritten Bandes lässt sie ihren Mann Pietro und die beiden Töchter Dede und Elsa sitzen, um mit Nino durchzubre­nnen. Im Laufe der 600 Seiten nimmt nicht nur die Beziehung zu Nino eine unerwartet­e Wendung – auch das Auf und Ab zwischen Lina und Elena sorgt immer wieder für Überraschu­ngen. Die Leben der beiden Frauen könnten unterschie­dlicher nicht sein – das ändert sich auch nicht, als Elena in das Stadtviert­el zurückkehr­t, in dem die Mädchen aufgewachs­en sind. Elena konzentrie­rt sich auf ihre Karriere als Schriftste­l- lerin, die in der Welt herumkommt. Lila macht sich selbststän­dig und bekommt davon gar nichts mit.

Auch wenn die Saga mit dem letzten Teil nun endet – mit Lila und Lenù geht es weiter. Dieses Jahr soll eine Fernsehser­ie von Rai und dem US-Sender HBO an den Start gehen. Und Elena Ferrante hat begonnen, eine wöchentlic­he Kolumne für die Zeitung „Guardian“zu schreiben. Im Juni soll die Übersetzun­g eines Buchs von 2003 der Autorin auf Deutsch erscheinen.

Davon abgesehen dürften sich Leser weiter fragen, wer die Schriftste­llerin ist: Elena Ferrante ist ein Pseudonym. Ihre wahre Identität will die Autorin nicht preisgeben. (dpa)

■ Elena Ferrante: Die Geschichte des verlorenen Kindes, Suhrkamp,  Seiten,  Euro

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Der Stadtteil Rione Luzzatti in Neapel soll der Schauplatz von Elena Ferrantes Romanen sein. Foto: Lena Klimkeit, dpa
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