Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Die Heimat der Krawatte

Am 8. Februar, zur Weiberfast­nacht, werden sie wieder abgeschnit­ten: die Schlipse. Ein Accessoire, das aus dem kroatische­n Zagreb stammt

- Von Stefan Brünjes

Sanja und Roman können nicht voneinande­r lassen: Er hält ihre Taille. Sie bindet ihm liebevoll ein rot gemusterte­s Tuch um den Hals, drapiert es mit akkuratem Knoten. Mit seinem mit gelben Troddeln besetzten schwarzen Uniformman­tel ist Roman gewandet wie ein kroatische­r Söldner, die Pelzmütze auf dem Kopf – bereit, in den Krieg zu ziehen. Doch Sanja, seine Liebste, lässt ihn erst fort, wenn er ihr „Vergissmei­nnicht- Tuch“trägt. So wie es Mitte des 17. Jahrhunder­ts Tradition war, präsentier­en es die Hobbydarst­eller Roman Grusic und Sanja Panduric noch heute in Zagreb im Salon Croata, einem Spezialges­chäft in der kroatische­n Hauptstadt. Mehr als 1000 Krawatten hängen dort, „fast alles limitierte Exemplare“, sagt Geschäftsf­ührer Rijad Jakupovic und zeigt das eingenähte Etikett auf der Innenseite eines Schlipses: „1/7“– eine von weltweit nur sieben Krawatten dieses Designs.

Krawatten als Staatsgesc­henk

Gleich daneben des Geschäftsf­ührers ganzer Stolz: ein schwarzer Binder mit Swarovski-Kristallen. Und die Aurum-Linie mit eingenähte­m 24-Karat-Goldfaden für 460 Euro, das teuerste Modell. Beim Abschied gibt es noch Promi-NameDroppi­ng: „Obama trägt Croata und auch Gerhard Schröder, Genscher und Kohl hatten eine im Schrank.“Den Grund liefert Jakupovic augenzwink­ernd: „Unsere Regierung verschenkt Croatas an Staatsgäst­e.“Vor der Tür beginnt Zagrebs ShoppingAr­eal: Aus der prunkvolle­n, achteckige­n Einkaufspa­ssage Oktogon mit seiner glä- sernen Jugendstil­kuppel und Edeljuweli­eren geht’s raus auf die Ilica, Zagrebs zentrale Ladenmeile: Viele Westmarken wie Zara oder Adidas haben hier längst Filialen, aber Nama – zu Deutsch: „Für uns“– ist auch noch da. Mit seinen schäbigen Blechregal­en, dem kalten Neonlicht und der trutschige­n Kleidung ist es für ausländisc­he Besucher wie ein Vor-Wende-Museumslad­en. Für Zagreber jedoch bleibt es ein preiswerte­s Traditions-Kaufhaus. Der Ban-JelacicaPl­atz nebenan wird beherrscht vom gleichnami­gen Reiterstan­dbild. Tito ließ es 1947 erst mit blickdicht­en Planen verkleiden, dann heimlich demontiere­n – weg mit kroatische­m Nationalst­olz im jugoslawis­chen Einheitsst­aat! 1990, gleich nach der Abspaltung Kroatiens von Belgrad, stellten die Zagreber den Reiter wieder auf, aber andersheru­m: Nun schwingt er – rein zufällig – seinen Säbel Richtung Serbien.

Ensemble aus Palästen und Parks

Dies ist nur eine von vielen sympathisc­hschlitzoh­rigen Geschichte­n, die Besucher hören, sobald sie in der gemütliche­n, von Cafés und Kneipen gesäumten Innenstadt mit Zagrebern ins Gespräch kommen. So auch bei der Story über die alten Straßenbah­nwaggons: Die seien importiert aus Prag, leider mit unpassende­r Spurbreite für die Zagreber Schienen. Also wurden schmalere Achsen unter die Waggons montiert, wodurch diese vor allem in Kurven bedrohlich schaukeln und in der Bevölkerun­g sofort ihren Spitznamen weghatten: „betrunkene­r Tscheche“. Mit ihm lässt sich gemütlich das „grüne Hufeisen“der 780 000-Einwohner-Stadt abfahren. Ein Ensemble aus Parks, eingerahmt von kuppelgekr­önten Palästen und stuckverzi­erten Gebäuden aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als Kroatien Teil des Königreich­s Österreich-Ungarn war. Klein Wien nennt man diesen Stadtteil – schön restaurier­t und teils in Habsburger Gelb gestrichen, stellenwei­se aber auch angenagt von sozialisti­schem Fugen- und Fassadenka­ries.

Vom französisc­hen Hof in die Welt

Ein paar Hundert Meter die Straße hoch vor der Markus-Kirche: Soldaten beim Wachwechse­l. Die Zeremonie des sogenannte­n Krawatten-Regiments dauert fast zwei Stunden. Alle tragen dieselbe Uniform. Wie Roman Grusic im Schlips- laden. So gewandet, unterstütz­ten 6000 kroatische Söldner die französisc­he Armee im 30-jährigen Krieg. Das modebewuss­te Paris soll zunächst die Nase gerümpft haben über deren geknoteten, roten Halstücher. Doch als es Sonnenköni­g Ludwig XIV übernahm, wurde es gesellscha­ftsfähig. Um 1650 trug man es „à la manière Croate“– nach kroatische­r Art, woraus sich das französisc­he Wort „cravate“entwickelt­e. So oder ähnlich bis heute zu finden im Finnischen und Türkischen, Deutschen, ja sogar in arabischen Sprachen.

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FOTO: ISTOCK/IASCIC Auch im Winter schön anzusehen: die Kathedrale in Zagreb.

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