Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Die Heimat der Krawatte
Am 8. Februar, zur Weiberfastnacht, werden sie wieder abgeschnitten: die Schlipse. Ein Accessoire, das aus dem kroatischen Zagreb stammt
Sanja und Roman können nicht voneinander lassen: Er hält ihre Taille. Sie bindet ihm liebevoll ein rot gemustertes Tuch um den Hals, drapiert es mit akkuratem Knoten. Mit seinem mit gelben Troddeln besetzten schwarzen Uniformmantel ist Roman gewandet wie ein kroatischer Söldner, die Pelzmütze auf dem Kopf – bereit, in den Krieg zu ziehen. Doch Sanja, seine Liebste, lässt ihn erst fort, wenn er ihr „Vergissmeinnicht- Tuch“trägt. So wie es Mitte des 17. Jahrhunderts Tradition war, präsentieren es die Hobbydarsteller Roman Grusic und Sanja Panduric noch heute in Zagreb im Salon Croata, einem Spezialgeschäft in der kroatischen Hauptstadt. Mehr als 1000 Krawatten hängen dort, „fast alles limitierte Exemplare“, sagt Geschäftsführer Rijad Jakupovic und zeigt das eingenähte Etikett auf der Innenseite eines Schlipses: „1/7“– eine von weltweit nur sieben Krawatten dieses Designs.
Krawatten als Staatsgeschenk
Gleich daneben des Geschäftsführers ganzer Stolz: ein schwarzer Binder mit Swarovski-Kristallen. Und die Aurum-Linie mit eingenähtem 24-Karat-Goldfaden für 460 Euro, das teuerste Modell. Beim Abschied gibt es noch Promi-NameDropping: „Obama trägt Croata und auch Gerhard Schröder, Genscher und Kohl hatten eine im Schrank.“Den Grund liefert Jakupovic augenzwinkernd: „Unsere Regierung verschenkt Croatas an Staatsgäste.“Vor der Tür beginnt Zagrebs ShoppingAreal: Aus der prunkvollen, achteckigen Einkaufspassage Oktogon mit seiner glä- sernen Jugendstilkuppel und Edeljuwelieren geht’s raus auf die Ilica, Zagrebs zentrale Ladenmeile: Viele Westmarken wie Zara oder Adidas haben hier längst Filialen, aber Nama – zu Deutsch: „Für uns“– ist auch noch da. Mit seinen schäbigen Blechregalen, dem kalten Neonlicht und der trutschigen Kleidung ist es für ausländische Besucher wie ein Vor-Wende-Museumsladen. Für Zagreber jedoch bleibt es ein preiswertes Traditions-Kaufhaus. Der Ban-JelacicaPlatz nebenan wird beherrscht vom gleichnamigen Reiterstandbild. Tito ließ es 1947 erst mit blickdichten Planen verkleiden, dann heimlich demontieren – weg mit kroatischem Nationalstolz im jugoslawischen Einheitsstaat! 1990, gleich nach der Abspaltung Kroatiens von Belgrad, stellten die Zagreber den Reiter wieder auf, aber andersherum: Nun schwingt er – rein zufällig – seinen Säbel Richtung Serbien.
Ensemble aus Palästen und Parks
Dies ist nur eine von vielen sympathischschlitzohrigen Geschichten, die Besucher hören, sobald sie in der gemütlichen, von Cafés und Kneipen gesäumten Innenstadt mit Zagrebern ins Gespräch kommen. So auch bei der Story über die alten Straßenbahnwaggons: Die seien importiert aus Prag, leider mit unpassender Spurbreite für die Zagreber Schienen. Also wurden schmalere Achsen unter die Waggons montiert, wodurch diese vor allem in Kurven bedrohlich schaukeln und in der Bevölkerung sofort ihren Spitznamen weghatten: „betrunkener Tscheche“. Mit ihm lässt sich gemütlich das „grüne Hufeisen“der 780 000-Einwohner-Stadt abfahren. Ein Ensemble aus Parks, eingerahmt von kuppelgekrönten Palästen und stuckverzierten Gebäuden aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg, als Kroatien Teil des Königreichs Österreich-Ungarn war. Klein Wien nennt man diesen Stadtteil – schön restauriert und teils in Habsburger Gelb gestrichen, stellenweise aber auch angenagt von sozialistischem Fugen- und Fassadenkaries.
Vom französischen Hof in die Welt
Ein paar Hundert Meter die Straße hoch vor der Markus-Kirche: Soldaten beim Wachwechsel. Die Zeremonie des sogenannten Krawatten-Regiments dauert fast zwei Stunden. Alle tragen dieselbe Uniform. Wie Roman Grusic im Schlips- laden. So gewandet, unterstützten 6000 kroatische Söldner die französische Armee im 30-jährigen Krieg. Das modebewusste Paris soll zunächst die Nase gerümpft haben über deren geknoteten, roten Halstücher. Doch als es Sonnenkönig Ludwig XIV übernahm, wurde es gesellschaftsfähig. Um 1650 trug man es „à la manière Croate“– nach kroatischer Art, woraus sich das französische Wort „cravate“entwickelte. So oder ähnlich bis heute zu finden im Finnischen und Türkischen, Deutschen, ja sogar in arabischen Sprachen.