Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)
Bernd Stange trainiert Syrien
Der Jenaer Bernd Stange wird die Syrische Nationalmannschaft übernehmen. Das Ziel: der Asiencup im Januar
Der Ex-DDR National trainer bringt die syrische Auswahl in Form
Jena. Manchmal ändert eine einfache E-Mail ein ganzes Leben. Bernd Stange lächelt, schiebt den Daumen auf seinem Handy nach oben. Wieder und immer wieder. „Hier ist sie“, sagt der Fußball-Lehrer aus Jena. Der Absender ist Präsident des Syrischen Fußball-Verbandes. „Sie wollen, dass ich ihr Nationalteam übernehme, luden mich ein.“
Um es vorwegzunehmen: Ja, der Stange macht‘s!
Der 69 Jahre alte Jenaer hat sich tatsächlich ins Flugzeug gesetzt; nach Beirut in den Libanon. „Dort traf ich mich mit dem Manager und dem Generalsekretär des Verbandes“, berichtet Stange. Die erste Überraschung folgt prompt: Es soll mit dem Auto nach Damaskus gehen; anderthalb Stunden Fahrt sind es doch nur. Die Grenze ist stark bewacht, schließlich herrsche in Syrien Bürgerkrieg. „Da wird einem dann schon etwas mulmig – durch das Bild, was man von Syrien hierzulande hat. Das wäre wohl auch jedem so gegangen. Aber gut, ich habe das dann gemacht.“Das Hauptquartier der Fußballföderation habe er gesehen, sein potentiell neues Team in Videos am Laptop vorgestellt bekommen. Und er hat die Hauptstadt Damaskus kennengelernt. „Eine pulsierende, lebendige Stadt mit einer wunderbaren Altstadt, mit Touristengruppen aus Ungarn, Tschechien oder Russland. Wir saßen im Café und wir haben über Fußball gesprochen“, erzählt der Jenaer. Dabei sei ihm ein zwei Jahre gültiges Arbeitspapier angeboten worden – was er ablehnte. „Ich habe sofort klar gemacht, dass ich nur bis zum Ende des Asiencups im Januar 2019 zur Verfügung stehe“, sagt Stange.
Unterschrieben ist aber noch nichts. „Es geht noch um Detailfragen, die nun bis zur kommenden Woche geklärt werden. Aber wir haben ein Agreement per Handschlag besiegelt“, sagt der Fußball-Lehrer, der sich nun natürlich auch Fragen ausgesetzt sieht, wie er denn ein Nationalteam eines diktatorischen Staates betreuen könne. „Diese Frage kam schon, als ich im Irak tätig war. Ich persönlich halte die Politik aus dem Sport heraus. Ich mache meine Arbeit als Trainer“, sagt er. Das habe er im Irak so gehalten – damals erntete er erst Kritik, um nach dem Sturz Saddam Husseins für die gleiche Arbeit wie davor mit höchsten Preisen ausgezeichnet zu werden. Natürlich wisse er um die Lage Syriens, darum, dass er mit seinem Team wohl nur Auswärtsspiele bestreiten werde. „Das hat die Fifa so festgelegt“, sagt er. Stange hat dabei auch die syrischen Kicker im Sinn, die nur knapp an der WMQualifikation gescheitert sind, die aber gut vorbereitet zum Asiencup fahren wollen. „Von den 30 Jungs spielt nur einer in Syrien. Der Rest ist in ganz Europa verteilt.“Zwei Kandidaten spielen in Deutschland. Aias Aosman in Dresden und Mahmoud Dahoud bei Borussia Dortmund. „Wobei er auf einen Anruf von Joachim Löw spekuliert – was man respektieren muss. Als Sportler strebt man immer nach dem höchsten“, sagt Stange. Doch werde er das Gespräch mit dem 22-Jährigen suchen. Die nächsten Monate würden eine Mammutaufgabe darstellen. „Die Nationalspieler sind auf 20 Klubs verteilt. Ich möchte nicht nach Namen und Hörensagen aufstellen. Ich will sie kennenlernen, beobachten“, sagt der Jenaer.
Die syrische Fußball-Liga stehe „voll im Saft“, wie er sagt. Der Spielbetrieb laufe ganz normal, doch würde es schwer, binnen so kurzer Zeit noch vielleicht das eine oder andere schlummernde Talent zu entdecken. „Diese tolle Mannschaft hat schon bewiesen, erfolgreich zu sein – warum sollte ich sie jetzt auseinandernehmen?“, fragt Stange. Es seien allesamt „Fußballspieler einer recht ordentlichen Kategorie“. Er freue sich auf diese Aufgabe, auf Spiele gegen Australien, den Iran – oder auch mal gegen Deutschland? „Das wird wohl am Terminkalender scheitern. Aufgrund der neuen Nationenliga findet man kaum noch vakante Termine.“Die Planung werde er nun aufnehmen, habe schon mit dem russischen Fußballtrainer Stanislaw Tschertschessow gesprochen; auch Partien gegen europäische Klubs sind im Ge- spräch. „Um die Jungs zu schärfen, sie an das europäische Niveau heranzuführen“, sagt der Fußballtrainer. Er fühle sich gewappnet, diese neue Aufgabe zu meistern. Eine Mission, die zum abschließenden Höhepunkt seiner Karriere gerieren soll. Denn ein großes Turnier durfte Bernd Stange bisher nicht erleben. „1984 gab es den Boykott der Olympischen Spiele in Los Angeles, 2004 qualifizierte ich mich mit dem Irak für Olym- pia in Athen, musste dann aber mein Amt aus Sicherheitsgründen abgeben“, sagt er. Jetzt könne er sich mit Syrien den Traum eben doch noch erfüllen – was auch ein Grund gewesen sei, diese eine Botschaft aus Syrien im elektronischen Postfach genauer zu lesen, sie auch zu beantworten. Wieder lächelt Bernd Stange, legt sein Handy zu Seite. „So ist es eben. Manchmal ändert eine einfache E-Mail ein ganzes Leben.“