Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Bernd Stange trainiert Syrien

Der Jenaer Bernd Stange wird die Syrische Nationalma­nnschaft übernehmen. Das Ziel: der Asiencup im Januar 

- Von Michael Ulbrich

Der Ex-DDR National trainer bringt die syrische Auswahl in Form

Jena. Manchmal ändert eine einfache E-Mail ein ganzes Leben. Bernd Stange lächelt, schiebt den Daumen auf seinem Handy nach oben. Wieder und immer wieder. „Hier ist sie“, sagt der Fußball-Lehrer aus Jena. Der Absender ist Präsident des Syrischen Fußball-Verbandes. „Sie wollen, dass ich ihr Nationalte­am übernehme, luden mich ein.“

Um es vorwegzune­hmen: Ja, der Stange macht‘s!

Der 69 Jahre alte Jenaer hat sich tatsächlic­h ins Flugzeug gesetzt; nach Beirut in den Libanon. „Dort traf ich mich mit dem Manager und dem Generalsek­retär des Verbandes“, berichtet Stange. Die erste Überraschu­ng folgt prompt: Es soll mit dem Auto nach Damaskus gehen; anderthalb Stunden Fahrt sind es doch nur. Die Grenze ist stark bewacht, schließlic­h herrsche in Syrien Bürgerkrie­g. „Da wird einem dann schon etwas mulmig – durch das Bild, was man von Syrien hierzuland­e hat. Das wäre wohl auch jedem so gegangen. Aber gut, ich habe das dann gemacht.“Das Hauptquart­ier der Fußballföd­eration habe er gesehen, sein potentiell neues Team in Videos am Laptop vorgestell­t bekommen. Und er hat die Hauptstadt Damaskus kennengele­rnt. „Eine pulsierend­e, lebendige Stadt mit einer wunderbare­n Altstadt, mit Touristeng­ruppen aus Ungarn, Tschechien oder Russland. Wir saßen im Café und wir haben über Fußball gesprochen“, erzählt der Jenaer. Dabei sei ihm ein zwei Jahre gültiges Arbeitspap­ier angeboten worden – was er ablehnte. „Ich habe sofort klar gemacht, dass ich nur bis zum Ende des Asiencups im Januar 2019 zur Verfügung stehe“, sagt Stange.

Unterschri­eben ist aber noch nichts. „Es geht noch um Detailfrag­en, die nun bis zur kommenden Woche geklärt werden. Aber wir haben ein Agreement per Handschlag besiegelt“, sagt der Fußball-Lehrer, der sich nun natürlich auch Fragen ausgesetzt sieht, wie er denn ein Nationalte­am eines diktatoris­chen Staates betreuen könne. „Diese Frage kam schon, als ich im Irak tätig war. Ich persönlich halte die Politik aus dem Sport heraus. Ich mache meine Arbeit als Trainer“, sagt er. Das habe er im Irak so gehalten – damals erntete er erst Kritik, um nach dem Sturz Saddam Husseins für die gleiche Arbeit wie davor mit höchsten Preisen ausgezeich­net zu werden. Natürlich wisse er um die Lage Syriens, darum, dass er mit seinem Team wohl nur Auswärtssp­iele bestreiten werde. „Das hat die Fifa so festgelegt“, sagt er. Stange hat dabei auch die syrischen Kicker im Sinn, die nur knapp an der WMQualifik­ation gescheiter­t sind, die aber gut vorbereite­t zum Asiencup fahren wollen. „Von den 30 Jungs spielt nur einer in Syrien. Der Rest ist in ganz Europa verteilt.“Zwei Kandidaten spielen in Deutschlan­d. Aias Aosman in Dresden und Mahmoud Dahoud bei Borussia Dortmund. „Wobei er auf einen Anruf von Joachim Löw spekuliert – was man respektier­en muss. Als Sportler strebt man immer nach dem höchsten“, sagt Stange. Doch werde er das Gespräch mit dem 22-Jährigen suchen. Die nächsten Monate würden eine Mammutaufg­abe darstellen. „Die Nationalsp­ieler sind auf 20 Klubs verteilt. Ich möchte nicht nach Namen und Hörensagen aufstellen. Ich will sie kennenlern­en, beobachten“, sagt der Jenaer.

Die syrische Fußball-Liga stehe „voll im Saft“, wie er sagt. Der Spielbetri­eb laufe ganz normal, doch würde es schwer, binnen so kurzer Zeit noch vielleicht das eine oder andere schlummern­de Talent zu entdecken. „Diese tolle Mannschaft hat schon bewiesen, erfolgreic­h zu sein – warum sollte ich sie jetzt auseinande­rnehmen?“, fragt Stange. Es seien allesamt „Fußballspi­eler einer recht ordentlich­en Kategorie“. Er freue sich auf diese Aufgabe, auf Spiele gegen Australien, den Iran – oder auch mal gegen Deutschlan­d? „Das wird wohl am Terminkale­nder scheitern. Aufgrund der neuen Nationenli­ga findet man kaum noch vakante Termine.“Die Planung werde er nun aufnehmen, habe schon mit dem russischen Fußballtra­iner Stanislaw Tschertsch­essow gesprochen; auch Partien gegen europäisch­e Klubs sind im Ge- spräch. „Um die Jungs zu schärfen, sie an das europäisch­e Niveau heranzufüh­ren“, sagt der Fußballtra­iner. Er fühle sich gewappnet, diese neue Aufgabe zu meistern. Eine Mission, die zum abschließe­nden Höhepunkt seiner Karriere gerieren soll. Denn ein großes Turnier durfte Bernd Stange bisher nicht erleben. „1984 gab es den Boykott der Olympische­n Spiele in Los Angeles, 2004 qualifizie­rte ich mich mit dem Irak für Olym- pia in Athen, musste dann aber mein Amt aus Sicherheit­sgründen abgeben“, sagt er. Jetzt könne er sich mit Syrien den Traum eben doch noch erfüllen – was auch ein Grund gewesen sei, diese eine Botschaft aus Syrien im elektronis­chen Postfach genauer zu lesen, sie auch zu beantworte­n. Wieder lächelt Bernd Stange, legt sein Handy zu Seite. „So ist es eben. Manchmal ändert eine einfache E-Mail ein ganzes Leben.“

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 ??  ?? Noch genießt Bernd Stange das Flair seiner Heimatstad­t Jena – ab nächster Woche wird er als syrischer Nationaltr­ainer arbeiten. Foto: Michael Ulbrich
Noch genießt Bernd Stange das Flair seiner Heimatstad­t Jena – ab nächster Woche wird er als syrischer Nationaltr­ainer arbeiten. Foto: Michael Ulbrich
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In der syrischen Hauptstadt Damaskus schaute sich der Jenaer Bernd Stange in dieser Woche um.

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