Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Buntes Blech

Russische Gäste wurden in der DDR von Sammlern umschwärmt.

- Von Hanno Müller

Der Ruf „Snatschok?“oder „Snatschki?“beim Eintreffen der Busse versprach immer reiche Beute.

Der „Tag der Verteidige­r des Vaterlande­s“am 23. Februar hat in Russland eine eigene Geschichte. Das Datum hatte Revolution­sführer Wladimir Iljitsch Lenin (1870–1924) zum „Tag der Roten Armee“bestimmt, so hieß er bis 1949. Danach firmierte er als „Tag der Sowjetarme­e und Seestreitk­räfte“. Gefeiert wird er in Russland noch heute.

Historisch­er Hintergrun­d war die Entstehung der Roten Armee vor einhundert Jahren. In der zweiten Februarhäl­fte 1918 waren erstmals in größerem Umfang Soldaten rekrutiert worden. Die eigentlich­e Armee-Gründung fand Ende Januar, also knapp einen Monat früher statt. Kriegskomm­issar Leo Trotzki reagierte auf die Bedrohung der Sowjetmach­t durch „weiße Armeen“und führte anfangs selbst von einem Panzerzug aus das Kommando.

Auch in der DDR stand der Jubeltag der Rotarmiste­n alljährlic­h im Gedenkkale­n- der. Die deutsch-sowjetisch­e Freundscha­ft gehörte zur Staatsräso­n. Die Mitgliedsc­haft in der gleichnami­gen Gesellscha­ft war mehr oder weniger Pflicht, der Respekt vor den Befreiern vom Hitlerfasc­hismus galt als heilig. Man übertrug nicht nur die großen Militärpar­aden, sondern organisier­te auch Begegnunge­n mit den in der DDR stationier­ten sowjetisch­en Truppen, die kurz und knapp „Freunde“genannt wurden.

Jeder hatte sie, jeder wollte sie

Ob Arbeitskol­lektiv, Schule oder sogar Kindergart­en – kaum jemand kam um solche Treffen herum. Wobei diese keineswegs nur lästige Pflichtübu­ng waren. In der Regel kamen „die Freunde“nicht mit leeren Händen. Man sang und tanzte, tauschte Matroschka­s und Burattino und futterte russisches Nusskonfek­t, vorzugswei­se der Marke „Mischka“. Und was für die älteren der reichlich fließende Wodka, waren für die jüngeren ganze Taschen voller russischer Abzeichen.

Wie eine Umfrage unter älteren Redaktions­kollegen zeigt, erinnert man sich bis heute an die bunten russischen Anstecker. Jeder hatte sie, jeder mochte und wollte sie. Bei dem einen hingen sie, aufgesteck­t auf ein rotes Tuch, an der Zimmerwand, ein anderer hütete sie in einem russischen Holzkästch­en mit Ikonenbema­lung.

Als kleiner Sammler wurde man nur selten enttäuscht. Irgendetwa­s zauberten die angesproch­enen Rotarmiste­n immer aus den Uniformtas­chen. Und nicht nur sie. Auch russische Touristen wussten um die Begehrlich­keiten. Der Ruf „Snatschok? oder „Snatschki?“beim Eintreffen der Busse versprach immer reiche Beute.

So weitläufig das Land, so vielfältig auch die kleinen Blechanste­cker. Es gab sie mit Stadtmotiv­en von Moskau bis Wladiwosto­k, Sportsymbo­len und natürlich mit Losungen rund um Revolution und Sozialismu­s. Alles war bei den Sammlern willkommen. Je größer, desto beliebter. Bestenfall­s bekam man das Ge- wünschte in die bettelnde Hand gedrückt. Es gehörte aber ebenfalls zum Ritual, dass die Gefragten den Fragenden die ersehnten Mitbringse­l gleich selbst ansteckten.

Einstige Schätze gingen verloren

Geblieben ist davon wenig. Die Kollegen haben ihre Sammlungen von einst nicht mehr. Irgendwann waren sie nicht mehr wichtig. Die Tradition ging wohl mit der DDR und dem Abzug der Russen endgültig verloren. Gelegentli­ch findet man noch ein kleines Konvolut zusammen mit allerlei russischen Ehrenzeich­en und Orden bei Ebay oder auf einem Flohmarkt.

Die letzten großen russischen Militärpar­aden gab es 2017 am Tag der Befreiung im Mai und am Tag der Oktoberrev­olution im November. Was immer für den diesjährig­en Ehrentag der Verteidige­r des Vaterlande­s geplant sein mag – Orden werden in Moskau und Petersburg sicher verteilt. Gut möglich, dass der eine oder andere irgendwann doch wieder als „Snatschok“für leuchtende Augen sorgt.

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FOTO: HANNO MÜLLER Russische Abzeichen mit Sport- oder Revolution­smotiven waren bei DDR-Kindern ein beliebtes Sammelobje­kt. Rotarmiste­n und Touristen hatten immer welche zum Verschenke­n dabei. Auf ein Tuch gesteckt, dienten sie dann auch schon mal als Wandschmuc­k.

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