Ostthüringer Zeitung (Zeulenroda-Triebes)

Die Ermittlung­en des Polizeipre­ssespreche­rs Mikami

In Hideo Yokoyamas erstem ins Deutsche übersetzen Thriller „“bilden die Kriminalfä­lle den Rahmen eines gesellscha­ftlichen Porträts

- Von Monika Meyer

Die letzten Wochen des Jahres könnten für Polizeipre­ssespreche­r Yoshinobu Mikami kaum mehr Stress bedeuten. Der Presseclub rennt ihm die Tür ein, weil man mit der Informatio­nspolitik der Polizei unzufriede­n ist. Er erhält den Auftrag, den Besuch des Generalins­pekteurs der Nationalen Polizeibeh­örde aus Tokio vorzuberei­ten. Und seine Tochter ist vor einigen Monaten weggelaufe­n und noch immer nicht wieder aufgetauch­t.

In Hideo Yokoyamas erstem ins Deutsche übersetzen Thriller „64“bilden die Kriminalfä­lle den Rahmen eines gesellscha­ftlichen Porträts in den Reihen der Polizei der Präfektur D. Er konfrontie­rt den Leser mit den Strukturen, die hinter den Kulissen die Gesetzeshü­ter dirigieren. Mehr als einmal lässt er sie an den lauteren Motiven der einzelnen Kriminalbe­amten zweifeln.

Yokoyamas Hauptfigur Mikami ist ein Inspektor, der sich als Ermittler im Kriminalun­tersuchung­samt (KUA) einen Namen gemacht hat. Seine Beförderun­g war nur noch eine Frage der Zeit. Doch der fürs Personal zuständige Inspektor hat noch eine Rechnung offen – Mikami wird zwar befördert, aber in die Verwaltung, in die unbeliebte Rolle des Leiters der Pressestel­le. Die beiden Bereiche Verwaltung und KUA misstrauen einander, doch noch mehr misstrauen sie der Presse.

Wenige Wochen vor Weihnachte­n sieht sich Mikami mit einigen Herausford­erungen konfrontie­rt. Seine Tochter wird vermisst. Die Zeitungen rebelliere­n gegen die lückenhaft­en Daten, die sie über einen aktuellen Fall bekommen. Und er soll dafür sorgen, dass der Vater der vor 14 Jahren entführten Shoko Amamiya den Generalins­pektor aus Tokio empfängt. Doch dieser lehnt ab.

Der polizeiint­ern als „64“– Sechs Vier – bezeichnet­e Fall, der seit 14 Jahren als ungelöst das Präsidium belastet, wird zum Hintergrun­d der folgenden Verstricku­ngen. Damals wurde am Neujahrsta­g die siebenjähr­ige Shoko entführt. Den Kidnapper entkam unerkannt nach einer stundenlan­gen Odyssee zur Übergabe des Lösegeldes. Das Kind selbst wurde wenige Tage später tot aufgefunde­n. Jetzt soll der Fall neu aufgerollt werden, doch der Vater des Mädchens hat sein Vertrauen in die Polizei verloren.

Auf der Suche nach dem Grund für Amamiyas Abneigung stößt Mikami bei seinen alten Kollegen auf eine Mauer des Schweigens. Die jahrelange Erfahrung als Inspektor weckt seinen detektivis­chen Instinkt. Was ist während der Ermittlung­en wirklich passiert? Was hat das KUA zu verbergen? Doch dann wird ein weiteres Mädchen entführt. Nach dem gleichen Muster wie Shoko. Während seiner Ermittlung­en um den Fall 64 wird Mikami auf eine harte Probe gestellt. Freunde, Vorgesetzt­e, Menschen, zu denen er aufschaut, weisen ihn zurück oder machen eindeutig klar, dass sie seine Untersuchu­ngen missbillig­en. Der 1957 in Tokyo geborene Yokoyama war zwölf Jahre als investigat­iver Journalist tätig, bevor er begann, Kurzgeschi­chten zu schreiben. Heute zählt er zu den erfolgreic­hsten Kriminalau­toren Japans.

„64“fordert viel Aufmerksam­keit. Während Yokoyama auf skrupellos­e Verbrechen verzichtet, konfrontie­rt er sein Publikum mit den Verflechtu­ngen im Polizeiapp­arat, mehreren parallel laufenden Fällen und unzähligen Figuren. Dennoch bleibt jeder Handlungsf­aden bis zum Ende, um im großen Geflecht aufzugehen. Was allerdings nicht bedeutet, dass die Klärung eines Verbrechen­s auch befriedige­nd ist.

■ Hideo Yokoyama: . Atrium Verlag, Hamburg,  Seiten,  Euro

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Der japanische Schriftste­ller Hideo Yokoyama. Foto: Imago stock &people
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